Friedhofskultur Friedhöfe sind Orte der Erinnerung

Bexbach/Homburg · Sind Friedhofssatzungen unmenschlich und bürokratisch? Die 86-jährige Margot Britz ging mit uns über den Bexbacher Friedhof, weist auf eingeebnete Familiengräber hin und beklagt den Verlust der Erinnerungskultur.

 Eine einsame Jesus-Statue steht auf dem Bexbacher Friedhof. Das dazugehörige Grab wurde eingeebnet. Ist unsere Friedhofskultur zerstört worden? Warum darf man nicht mehr in Familiengräbern beigesetzt werden? Oder wenn ja, warum dann nur als Urne? Fragen, die den Zeitgeist betreffen.

Eine einsame Jesus-Statue steht auf dem Bexbacher Friedhof. Das dazugehörige Grab wurde eingeebnet. Ist unsere Friedhofskultur zerstört worden? Warum darf man nicht mehr in Familiengräbern beigesetzt werden? Oder wenn ja, warum dann nur als Urne? Fragen, die den Zeitgeist betreffen.

Foto: Christine Maack

Nichts macht Menschen so betroffen wie die Vernachlässigung oder Missachtung von Friedhöfen. Denn das Andenken an die Vorfahren und die lieben Menschen, die lange vor uns gegangen sind, ist tief in uns verankert und duldet keine oberflächliche Gleichgültigkeit. Als vor einigen Jahren von der Homburger Stadtspitze die unselige Diskussion aufkam, kleinere Friedhöfe aus Kostengründen zu schließen, gingen die Wogen hoch. Ebenso erregte vor einigen Wochen eine Geschichte in unserer Zeitung die Gemüter, als wir schilderten, dass eine alte Dame auf dem Homburger Hauptfriedhof nicht im Grab ihrer Eltern beigesetzt werden durfte, weil eine bürokratische Friedhofsordnung dies verhinderte.

Obwohl der Herzenswunsch der Verstorbenen niemanden auch nur in irgendeiner Weise gestört hätte. Beim Nachbargrab hingegen war eine Beisetzung im Familiengrab plötzlich möglich. Eine Geschichte, die unseren Leser Josef Britz und vor allem seine 86-jährige Mutter Margot Britz dazu bewegte, eine Situation aus Bexbach zu schildern, die - im Gegensatz zu Homburg - gut ausging. Aber auch nur, weil darum gekämpft wurde.

Es sei keine spektakuläre Grabstätte, die man am Bexbacher Hauptfriedhof vorfinde, nicht einmal ein Grabstein, so Britz: „Der wurde vor Jahren demontiert und dafür Schriftzüge auf der Grabplatte angebracht, zwei Namen, Alfons Kirsch und Agnes, geborene Klein.“

Alfons, so berichtet Margot Britz, sei im Krieg gefallen. „Man wusste lange nicht, wie und wo er zu Tode gekommen ist, bis eines Tages ein Kriegskamerad kam und berichtete, wie in einem eiskalten Lazarett mit ausgebombten Fenstern der Alfons ihm kurz vor seinem Tod den Ehering in die Hände legte mit der Bitte, ihn seiner Frau Agnes in Bexbach zu übergeben.“

Erst dann, so Margot Britz weiter, habe man die Gewissheit gehabt, „dass der Alfons nicht mehr lebte. Dabei hatte er noch so viel vor. Er hatte sogar mit dem Bau einer kleinen Schreinerei im Keller der Schwiegereltern Karl und Elisabeth Klein in der Grubenstraße 19 begonnen.“ Außerdem habe Alfons Tauben gezüchtet, „wie so viele Leute, die auf der Grube arbeiteten. Alfons war gelernter Grubenschreiner.“ Im Grab des gefallenen Alfons Kirsch liegen neben seiner Frau Agnes, geborene Klein, auch deren Eltern Karl und Elisabeth Klein sowie deren älteste Tochter Klothilde, die früh starb.

Doch zurück zu Margot Britz, die unserer Zeitung ihre persönliche Friedhofsgeschichte schilderte. „Ich bin am 9. Februar 1933 im Neunkircher Knappschaftskrankenhaus geboren. Das war ein Tag vor der schrecklichen Gasometer-Explosion, bei der auch im Krankenhaus viele Fenster zerbarsten.“

Bei der Geburt gab es Komplikationen, denn Margots Mutter bekam große Probleme mit dem Steißbein und war nicht in der Lage, sich um ihre neugeborene Tochter zu kümmern, da sie selbst behandelt werden musste: „Meine Mutter konnte danach kaum noch gehen“.

Die Not war groß, für das kleine Mädchen mussten innerhalb der Verwandtschaft Pflegeeltern gefunden werden. Die kleine Margot hatte Glück, denn sie kam zu ihrer Tante Elisabeth und zu Onkel Karl, das oben erwähnte Ehepaar Klein, das später Schwiegersohn Alfons im Krieg verlor. Margot Britz verlebte eine glückliche Kindheit bei ihren Pflegeeltern, „eine typische Bexbacher Kindheit. Onkel Karl war Grubenschlosser, er sang im Gesangverein Bavaria Mittelbexbach und half in der Kirchengemeinde aus.“ Karl und Elisabeth Klein starben in den 70-er Jahren, in den 90er Jahren folgte Agnes, die Witwe des gefallenen Alfons, „es war die letzte Beisetzung im Familiengrab,“ so Josef Britz.

Margot Britz wünscht sich, eines Tages auch im Familiengrab der Familie Klein zu ruhen, „fast alle Gräber dieser Art waren schon eingeebnet worden,“ sagt die 86-Jährige. Deshalb ging auch sie schon vor Jahren zum Bexbacher Friedhofsamt, zum damaligen Leiter Udo Wuttke, der ihr eine schriftliche Einwilligung dazu gab. Nach Wuttkes Ausscheiden wurde auch in Bexbach die Satzung dahingehend geändert, dass die Familiengrabstätte Klein eingeebnet werden müsse und dafür zwei Grabstellen entstehen sollten.

„Gottlob“, so Margot Britz, „habe ich noch die schriftliche Einwilligung von Herrn Wuttke. Unser Familiengrab wird nicht eingeebnet. Das konnte ich nur mit Hilfe des Schriftstücks verhindern. Ich kannte alle, die hier in diesem Grab liegen, es waren mir sehr wichtige und liebe Menschen. Es bedeutet mir viel, dass ich hier meine letzte Ruhe finden werden.“

Es habe sie daher sehr betroffen gemacht, als sie in unserer Zeitung den Bericht über die Verstorbene gelesen habe, die nicht ins Grab ihrer Eltern durfte, sagt sie mit Tränen in den Augen. Sie habe kein Verständnis für die harte Haltung der Friedhofsämter. Das sieht auch ihr Sohn Josef so: „Man hätte, wäre man seitens der Bexbacher Verwaltung stur geblieben, auch dieses Familiengrab eingeebnet und dafür neue Gräber angelegt. Was sich da auf den Friedhöfen abspielt, bezeichne ich als Leichenfledderei.“

Dabei erinnert er an den Umgang mit jüdischen Friedhöfen. Das seien heilige Ort, an denen nichts verändert werden dürfe, „keine Einebnung, keine Bebauung. Man soll die Toten ruhen lassen. Das war auch bei uns mal so, Gräber blieben über Jahrhunderte im Familienbesitz.“ Britz zitiert einen Artikel aus der Speyrer Bistumszeitung „Der Pilger“ aus dem Jahr 1945: „Das christliche Volk ehrt, liebt und besucht den Friedhof. Vor allem auf dem Land bildet der Friedhof ein Stück Familien- und Dorfgeschichte ab.“

Und wie verhält es sich heute? Der jetzige Bexbacher Friedhof sei in den 1880er Jahren angelegt worden und sei, so Britz, „auf jedem Quadratmeter mit Gräbern belegt.“ Überall fänden sich Knochen. Es sei eine Zumutung, würde man beim Ausschachten eines aktuellen Grabes sehen, was da alles zum Vorschein komme, umso schlimmer, dass dies inzwischen mit dem Bagger geschehe. „Mit der Schaufel konnte man noch pietätvoll vorgehen, doch mit dem Bagger werden die Knochen aus dem Vorgängergrab einfach herausgerissen, die Schädel zerspringen, die Knochen landen auf dem Sandhaufen.“ Die Zerstörung der Gebeine sei widerlich, „das Feingefühl ist vielen Menschen verloren gegangen. Friedhöfe sollen heilige Ort bleiben.“

 Das Eingangstor zu einemjüdischen Friedhof. Angesichts der Zerstörung von christlichen Gräbern durch Bagger ist ein jüdischer Friedhof eine Wohltat, denn hier darf nichts verändert werden.

Das Eingangstor zu einemjüdischen Friedhof. Angesichts der Zerstörung von christlichen Gräbern durch Bagger ist ein jüdischer Friedhof eine Wohltat, denn hier darf nichts verändert werden.

Foto: Margarete Singer
 Auf manchen Friedhöfen, wie hier in Rohrbach, werden historische Grabstätten erhalten. Vor allem beim Tod von Kindern und jungen Ehefrauen gaben die trauernden Angehörigen oft viel Geld für ein Grabmonument aus. Es ist ein Zeichen von Anstand, diese Gräber zu erhalten, auch wenn keiner mehr das achtjährige Mädchen kennt, das hier liegt und dessen Eltern es tröstlich fanden, ihrem geliebten Kind den teuren Bronzeguß-Engel zu spendieren.

Auf manchen Friedhöfen, wie hier in Rohrbach, werden historische Grabstätten erhalten. Vor allem beim Tod von Kindern und jungen Ehefrauen gaben die trauernden Angehörigen oft viel Geld für ein Grabmonument aus. Es ist ein Zeichen von Anstand, diese Gräber zu erhalten, auch wenn keiner mehr das achtjährige Mädchen kennt, das hier liegt und dessen Eltern es tröstlich fanden, ihrem geliebten Kind den teuren Bronzeguß-Engel zu spendieren.

Foto: Christine Maack

Für Margot Britz ist der Gang über den Bexbacher Friedhof mit vielen Erinnerungen verbunden. Vor allem mit Erinnerungen an Zerstörungen - angefangen von der Zerstörung der Gräber der einst so beliebten Mallersdorfer Schwestern bis hin zu aufwändig gestalteten Familiengräbern, die eliminiert wurden. Hier und da steht noch eine einsame alte Statue herum, die einst zu einem Grab gehörte, das längst vergessen ist.

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