Barocke Eleganz zu Weihnachten
St Ingbert · Viel Applaus gab es für das insgesamt gelungene Weihnachtskonzert in der St. Hildegard-Kirche in St. Ingbert, zu dem das Collegium Vocale Blieskastel, die Deutsche Radiophilharmonie, verstärkt durch das Trompetenensemble Wolfgang Basch, angetreten sind.
Das Collegium Vocale Blieskastel wandte sich in diesem Jahr bei seinem traditionellen Weihnachtskonzert in St. Hildegard unter seinem künstlerischen Leiter Christian von Blohn Johann Sebastian Bachs Weihnachtoratorium (Kantaten 1-3) zu. Mit Blick auf die musikalische Gattung steht dieses aus den Jahren 1734/35 datierende populärste und berühmteste aller geistlichen Vokalwerke Bachs den großen oratorischen Passionen des Leipziger Thomaskantors nahe. Dennoch gelang es von Blohn und seinen Musikern vortrefflich, pastorale Innerlichkeit und Eigenart des Werkes ganz in den Fokus seiner Interpretation zu rücken. Nicht aufwühlende Dramatik des Handlungsgeschehens, wie in den Passionen, sondern poesievoll-pastorale und lyrische Elemente prägen entscheidend das Gesamtbild dieser feierlichen gottesdienstlichen Weihnachtsmusik.
Ein wenig distanziert gerierte sich indes der berühmte Eingangschor in D-Dur "Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage" (eine parodistische Umtextung der weltlichen Königin-Kantate "Tönet, ihr Pauken! Erschallet Trompeten!"), welcher den Affekt überschäumender Weihnachtsfreude über die Geburt des Retters mit allzu milden Paukenschlägen, uncharakteristisch verhaltener Orgel und tendenziell leicht mattem Gesamtchorklang ein wenig verfehlte. Der leicht romantisierende, weichgespülte Gesamtklang war möglicherweise zum Teil auch der Aufstellung des Chores im akustisch nicht wenig günstigen hinteren Chorraumbereich geschuldet, was eine optimale klangliche Entfaltung und Präsenz im großräumigen Kirchenraum nicht gerade begünstigte. Überhaupt scheint von Blohn kein Freund der historischen Aufführungspraxis zu sein, so dass das Orchester in den "romantischen" Partien des Oratorium (Hirtenmusik, Sinfonia zur II. Kantate) durchaus auch schon einmal klangsinnlich-versonnen dahin schwelgen darf. Auch wenn man sich bei diesem Werk heute vielleicht doch eher historische Barockinstrumente mit einer farbenfroheren und kernigeren Klangcharakteristik wünschen würde, agierten die Musiker der Deutschen Radiophilharmonie - diesmal verstärkt durch das Trompetenensemble Wolfgang Basch aus Frankfurt am Main - unter der festen Stabführung von Blohns auf gewohntem, absolut professionellen Niveau. Hervorzuheben sind überdies die mit barocker Eleganz und jeweils wohlgeformtem Ton gestalteten instrumentalen Soli in der Tenor-Arie "Frohe Hirten, eilt, ach eilet" mit virtuoser Querflötenbegleitung (eigentlich: Traversflöte) sowie in der Alt-Arie "Schließe, mein Herze" mit lyrischem Violinensolo.
Gute Note für die Choräle
Musikalisch mit am überzeugendsten gelangen dem Chor an diesem Abend die Choräle des Oratoriums. Abgesehen von Nr. 64 ("Nun seid ihr wohl gerochen") sind alle 15 Choräle des Weihnachtsoratoriums sämtlich von Bach neu komponiert worden. Von Blohn zeichnete die colla parte mit Orchester geführte - im Falle der Schluss-Choräle teils festlich mit Pauken und Trompeten begleiteten - elegante Stimmführung der mit typischen Bach'schen Durchgangs- und Wechselnoten durchsetzten Kantionalsätze in ihrer expressiven Unmittelbarkeit ausdrucksstark nach, wobei der Chor durchwegs mit großer dynamischer und agogischer Sensibilität agierte. Von packender Dramatik dagegen der hochpolyphone Alla-breve-Chor "Ehre sei Gott in der Höhe", der in seiner insistierenden Vehemenz stark an das "Kreuzige ihn" in BWV 247/33b gemahnt. In der vierköpfigen Solistenriege fiel Matthias Weichert (Dresden) mit seinem überaus wandlungsfähig-geschmeidigen Bass-Bariton sehr positiv auf, der mit sängerischer Noblesse und denkbar hoher deklamatorischer Sicherheit seinen solistischen Part in allen Aspekten vorzüglich meisterte. In den Secco-Rezitativen bisweilen ein wenig forsch auftrumpfend, empfahl sich dagegen der in der Höhe nicht immer ganz glücklich agierende, ansonsten mit angenehm sinnlicher tenoraler Färbung deklamierende "Evangelist" Martin Erhard. Ganz erfreulich auch die Altistin Angela Lösch, die ihre Partien gewohnt zuverlässig und mit großer innerer Ruhe sang, was ihr insbesondere bei der Schlüsselarie "Bereite dich, Zion" (Kantate I) zugute kam. Leider fiel der vibratoreich-fragile Sopran von Konstanze Ruttloff gegenüber den übrigen Vokalsolisten stimmlich wie auch gestalterisch deutlich ab.
Das sehr zahlreich in die Hildegardkirche gekommene Publikum bedankte sich mit reichlich Applaus bei den Musikern und Sängern für eine insgesamt gelungene Aufführung.