Aus der Traum von Neubaugebieten

Oberwürzbach. Was können wir tun, um Neubürger und am liebsten junge Familien mit Kindern in unser Dorf zu locken? Diese Frage hat man sich in Oberwürzbach in jüngster Zeit oft gestellt. Und die Antwort lautete meist: Eine rege Bautätigkeit muss her, am besten in einem attraktiven Neubaugebiet

Oberwürzbach. Was können wir tun, um Neubürger und am liebsten junge Familien mit Kindern in unser Dorf zu locken? Diese Frage hat man sich in Oberwürzbach in jüngster Zeit oft gestellt. Und die Antwort lautete meist: Eine rege Bautätigkeit muss her, am besten in einem attraktiven Neubaugebiet. Entsprechend ernüchternd war in der jüngsten Ortsratssitzung die klare Ansage von Peter Broschart, Mitarbeiter in der städtischen Abteilung "Stadtentwicklung und Demografie": "In Oberwürzbach wird es auf lange Sicht kein neues Baugebiet geben."Dieser Satz saß umso mehr, als ihn Broschart mit vielen harten Fakten untermauerte. Demnach bestehen in dem Stadtteil nach aktuellem Stand 98 sogenannte Baulücken. "Dabei handelt es nicht um irgendwelche freie und unbebaute Flächen, sondern tatsächlich nur um Grundstücke, die sofort bebaubar wären", erläuterte der Rathaus-Mitarbeiter. Zudem bestehen in Oberwürzbach und Reichenbrunn laut Flächennutzungsplan vier geplante Wohnbauflächen. Die Gebiete "In der Brunnenwiese", "Farrenberg", "Über dem Bruch" und "Kesselwald" haben dabei viele Gemeinsamkeiten. Nicht nur, dass sie noch von der selbstständigen Gemeinde Oberwürzbach in Gang gesetzt wurden. Vielmehr seien die Grundstücke meist in privater Hand und eine erforderliche Umlegung alleine schon auf Grund des geringen städtischen Grundstücksanteils erschwert, so der Bau-Experte Broschart.Richtig fatal wird die Lage nach dessen Angaben aber durch den "Landesentwicklungsplan (LEP) Siedlung". Diese den städtischen Planungen übergeordnete Rahmenrichtlinie des Landes treffe für den Zeitraum 2006 bis 2016 klare Festlegungen. So dürften in den St. Ingberter Ortsteilen in jedem dieser Jahre nur 1,5 neue Wohneinheiten je 1000 Einwohner entstehen. Für Oberwürzbach mit 2331 Einwohnern (Stand: Ende 2009) heißt das: "Binnen dieser zehn Jahren könnten etwa 35 Wohneinheiten gebaut werden." Könnten, gäbe es nicht eine weitere Festlegung in dem LEP. Dort werden nämlich in Gebieten mit gültigem Bebauungsplan liegende Baulücken wie neue Wohneinheiten gewertet. Und solche Baulücken gibt es in Oberwürzbach immerhin 48. Broschart: "Damit ist das Ergebnis in dem Stadtteil in Sachen Neubau sogar negativ." Wenig tröstlich ist dabei der Umstand, dass der LEP auch in den anderen Ortsteilen der Mittelstadt genauso rechnet und zu den gleichen Ergebnissen führt. Lediglich in St. Ingbert-Mitte sind laut dem Bau-Experten überhaupt noch Neubauten möglich, weil der LEP im innerstädtischen Verdichtungsraum pro 1000 Einwohner 3,5 neue Wohneinheiten jährlich erlaubt.Auch in den Stadtteilen wird die Frage der erhofften Zuzüge inzwischen obendrein durch Leerstände geprägt. Denn deren Zahl steigt. Alleine in Oberwürzbach gibt es nach jüngstem Stand 23 Gebäude, in denen kein Bewohner gemeldet ist und kein Stromzähler läuft.Ändern lässt sich diese Situation aus Sicht der Stadt nur, indem leerstehende Häuser an junge Familien verkauft werden, wozu auch das städtische Gebäudeleerstandprogramm beitragen soll . Und die Eigentümer der Baulücken bewogen werden, die Grundstücke zu bebauen, die oft für Kinder und Enkelkinder vorgehalten und daher nicht verkauft würden. Meinung

Der Wandel wird deutlich spürbar

Von SZ-RedakteurManfred Schetting Selten ist so deutlich geworden, was demografischer Wandel bedeutet, wie jetzt im Ortsrat Oberwürzbach. Bei der Kombination aus Leerständen, Baulücken, Bevölkerungsrückgang, Kindermangel und der Aussicht auf eine Seniorengesellschaft muss man schon Berufsoptimist sein, um angesichts dieser Lage noch viele Zukunftshoffnungen zu haben. Daher werden sich viele Kommunalpolitiker in einer These wiederfinden, die Swen Sauer (SPD) spontan im Ortsrat entfuhr: "Wir sind bald nur noch in Insolvenzverwalter, die auf allen Feldern, wie Schule, Sportplatz und Finanzen, ein bisschen was zu retten versuchen; der ländliche Raum fällt hinten runter." Wie es in zehn oder 30 Jahren in Dörfern aussieht, wird nicht allein an Neubaugebieten oder den "Spekulationen" von Grundstückseigentümern liegen. Mit dem Gedanken, dass junge Familien mit Kindern kaum noch als der Hoffnungsträger schlechthin dienen können, müssen wir uns aber abfinden.

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