Auf Zeitreise mit neuem Nachtwächter

Blieskastel. Es ist bitterkalt an diesem Abend, man braucht schon die dicke Winterjacke. Aber gut 50 Unentwegte ließen sich am vergangenen Sonntag von der Kälte dieses Herbstabends nicht abschrecken und wollten bei der Premiere dabei sein. Siegfried Hess (68) sollte erstmals als Nachtwächter durch die Stadt führen, und das Interesse war sehr groß

 Nachtwächter und Gäste am Eingang zum alten Gasthaus Schwalb in der Gerbergasse. Foto: Erich Schwarz

Nachtwächter und Gäste am Eingang zum alten Gasthaus Schwalb in der Gerbergasse. Foto: Erich Schwarz

Blieskastel. Es ist bitterkalt an diesem Abend, man braucht schon die dicke Winterjacke. Aber gut 50 Unentwegte ließen sich am vergangenen Sonntag von der Kälte dieses Herbstabends nicht abschrecken und wollten bei der Premiere dabei sein. Siegfried Hess (68) sollte erstmals als Nachtwächter durch die Stadt führen, und das Interesse war sehr groß. Nicht zuletzt auch durch den Artikel im Pfälzischen Merkur waren einige Zeitgenossen neugierig geworden, wie wir in unserer kleinen Umfrage vor dem Rundgang erfuhren.Brigitte und Berndt Jacobi etwa, die es vor 23 Jahren nach Niederwürzbach verschlagen hat. Sie wollten immer schon mal mit der früheren Nachtwächterin durch die Stadt, waren aber irgendwie nie dazu gekommen. Jetzt hatten sie von der neuerlichen Nachtwächter-Führung in der Zeitung gelesen und wollten endlich dabei sein: "Natürlich kennen wir schon Blieskastel, aber jetzt wollen wir uns mal ausführlicher informieren", erläuterte Brigitte Jacobi.

Reni Dusemond kommt aus St. Ingbert und ist Grundschullehrerin im Mandelbachtal. Sie will sich ihren früheren Grundschulkollegen Hess einmal anhören und dabei abwägen, ob so eine Stadtführung auch etwas für ihre Schulkinder sein könnte. Gaby Grell will sehen, "wie er es macht". Die Lautzkircherin ist selbst Stadtführerin und schlüpft als "Gesellschaftsdame" der Gräfin Marianne ebenfalls in eine andere Rolle: "Natürlich bin ich neugierig und will sehen und hören, wie er aus seiner Perspektive die Führung gestaltet", so die Stadtführer-Kollegin. Und dann geht das Tor der Markthalle auf, und Nachtwächter Martin Vogt alias Siegfried Hess begrüßt die Gäste der Stadtführung mit der klassischen, gesungenen Zeitansage "Hört ihr Leut' und lasst Euch sagen".

 Nachtwächter und Gäste am Eingang zum alten Gasthaus Schwalb in der Gerbergasse. Foto: Erich Schwarz

Nachtwächter und Gäste am Eingang zum alten Gasthaus Schwalb in der Gerbergasse. Foto: Erich Schwarz

Er bittet die Gäste in die durch Laternen beleuchtete Markthalle und erläutert zunächst seine geschichtliche Rolle. Er wird die Geschichte aus der Sicht jenes Nachtwächters von 1804 erzählen, der auch noch unter den von der Leyen gedient hat. Und er weiß viele Anekdoten zu berichten, vor allem über jene Zeitgenossen, die um Blieskastel herum lebten. Dass etwa die "Sandbewohner" aus Alschbach oder Niederwürzbach - "sehr schlecht genährt" - zum Holzdiebstahl neigten, oder dass Biesinger und Bewohner aus Erfweiler "stur wie die Elsässer" waren und die Obstbauern aus dem Bliestal wegen ihrer Schnapsbrennerei zum Säufertum neigten. Und dann ging es los, etwa zweieinhalb Stunden dauerte die Führung mit dem Nachtwächter, der auch seine Aufgaben aus jener Zeit schilderte: Natürlich musste er nachts wachen, aber auch Gesindel aus der Stadt treiben oder jene Frauen, die sich an die Gardisten heranmachten. "Er macht es schon gut", gab es dann auch von Stadtführerkollegin Gaby Grell ein gutes Zeugnis. Auch Dagmar Schuler, die bei ihren Führungen in die Rolle der Gräfin Marianne von der Leyen schlüpft, war mit dem ersten Rundgang des Kollegen sehr zufrieden. In seiner Rolle als Nachtwächter wird Siegfried Hess bei den kommenden Stadtführungen sicher auch noch etwas routinierter werden, auf jeden Fall ist Blieskastel um eine Attraktion reicher.

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