Auf Spurensuche in Homburg

Homburg. Sie sehen aus wie ganz normale Touristen - ausstaffiert mit Rucksäcken, Sonnenhüten, Kameras. Doch der Schein trügt. Avi Brünn, seine Frau Zipi, sein Sohn Omri, 20, und seine Tochter Tamar, 15, sind aus Israel nach Homburg gereist, um hier nach Spuren ihrer Vorfahren zu suchen: der weit verzweigten und lange hier beheimateten jüdischen Familie Hirsch

 Avi Brünn (rechts) besichtigte zusammen mit seiner Tochter Tamar, seiner Frau Zipi und seinem Sohn Omri (von links) die Ruine der Synagoge in Homburg. Foto: Bernhard Reichhart

Avi Brünn (rechts) besichtigte zusammen mit seiner Tochter Tamar, seiner Frau Zipi und seinem Sohn Omri (von links) die Ruine der Synagoge in Homburg. Foto: Bernhard Reichhart

Homburg. Sie sehen aus wie ganz normale Touristen - ausstaffiert mit Rucksäcken, Sonnenhüten, Kameras. Doch der Schein trügt. Avi Brünn, seine Frau Zipi, sein Sohn Omri, 20, und seine Tochter Tamar, 15, sind aus Israel nach Homburg gereist, um hier nach Spuren ihrer Vorfahren zu suchen: der weit verzweigten und lange hier beheimateten jüdischen Familie Hirsch.Ausgangspunkt waren gestern die Reste der Synagoge und die Gedenktafel, die hier im November 2011 angebracht wurde. "Ich wollte diese Tafel sehen", sagte Brünn. Darauf sind die Namen von 165 Homburger Juden verzeichnet, die vertrieben oder ermordet wurden. Die Hirschs nehmen einen großen Platz ein, und Avi Brünn findet da etwa seinen Großvater Ludwig, einen wohlhabenden Viehhändler, den - leider falsch als Jutta geschriebenen Namen - seiner Großmutter Gutta, die Namen seiner Onkel, die teilweise in der französischen Résistance kämpften, und den seiner Mutter Charlotte, die noch ein Kind war als ihre Familie 1936 nach Südfrankreich floh, weil das Gehabe und die Ausschreitungen der Nationalsozialisten gegen die Juden immer heftiger und unerträglicher wurden.

Gerd Imbsweiler aus Limbach, der sich als Historiker ausführlich mit dem Schicksal der Homburger Juden beschäftigt und häufig auch in unserer Zeitung davon berichtet hat, knüpfte den Kontakt zu dem Gast aus Israel. Der war bereits öfter in Homburg zu Besuch, mit der ganzen Familie samt Kindern zum Beispiel im Jahr 2003, als Jenny Hirsch ihren 100. Geburtstag feierte. Als sie im Jahr 2006 starb, war ihre Beisetzung die letzte Beerdigung auf dem alten jüdischen Friedhof in Homburg. Mit dem verbindet der heute 58-jährige Avi Brünn Erinnerungen, unter anderem an seine Zeit als junger Mann. Er hatte nämlich damit begonnen, BWL an der Universität des Saarlandes zu studieren, bewusst hier, "weil meine Mutter aus Homburg stammte". Schon damals recherchierte er in der Familiengeschichte. Da er Hebräisch konnte, entzifferte er die Inschriften auf den Grabsteinen, legte ein Register an und entdeckte dabei die letzten Ruhestätten einiger seiner Verwandten. Das BWL-Studium hängte er zwar schnell an den Nagel, lernte dann im Hotelfach, arbeitete in Israel in der Tourismusbranche, später im Finanzamt, doch die Leidenschaft für die Geschichte ist ihm geblieben. "Ich fühle mich als Deutscher und als Israeli", sagte Brünn. Am liebsten würde er ein halbes Jahr in Deutschland, ein halbes Jahr im heimischen Vorort von Tel Aviv leben. Da das nicht geht, "komme ich zu Besuch, wann immer ich kann. Ich habe Freunde und Bekannte in ganz Deutschland", erzählte er - übrigens in hervorragendem Deutsch. Die Sprache hat er als Kind gelernt, denn bei Brünns zu Hause wurde auf Deutsch kommuniziert. Seine Mutter war nach dem Zweiten Weltkrieg nach Israel gekommen, sie tat sich schwer mit der Sprache ihrer neuen Heimat, sagte der Sohn. Vor den Nazis hatte sie sich erfolgreich verstecken können. In Israel lernte sie ihren Mann Julius kennen, einen Emigranten aus Ostpreußen. Aus der Verbindung stammen Sohn Avi und Tochter Riki. Die Geschichte gehört bis heute für Avi Brünn zur Gegenwart dazu. Und er kann weit ausholen, kennt viele Details, etwa dass "alle Hirschs groß und breit waren. Ich bin der Zwerg in der Familie". Auf den Spuren seiner Vorväter in Homburg geht es zum Geburtshaus des Großvaters Ludwig in der ehemaligen Deutsch Gass, der heutigen Karlsbergstraße. "Hier lebten damals viele Juden", unterstrich Brünn. Danach suchte er mit einem alten Foto in der Hand nach dem mittlerweile zerstörten Anwesen von Ludwig Hirsch in der heutigen Saarbrücker Straße. Als Avi Brünn die Stelle findet, freut er sich. Noch ein paar Tage werden die Brünns auf historischen Spuren weiterwandeln. Danach fahren sie ins Elsass und wieder zurück nach Israel - bis zum nächsten Besuch in unserer Region, mit der Avi Brünns Geschichte so eng verbunden ist.

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