Rehlinger auf Sommertour St. Ingberter schimpfen bei Besuch der Ministerpräsidentin über Bundesregierung
St Ingbert · Anke Rehlinger hat auf ihrer Sommertour den St. Ingberter Wochenmarkt besucht. Nicht alle Gespräche liefen dabei freundlich ab – es gab auch Politikschelte.
Die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Anke Rehlinger, hat den Wochenmarkt in St. Ingbert besucht. Im Rahmen ihrer „Sommertour“ nahm sie sich gut zwei Stunden Zeit, um mit den Marktbesuchern, aber auch mit Händlern und kommunalen Akteuren zu reden. Nicht immer liefen diese Gespräche freundlich. Die Ministerpräsidentin ging jedenfalls keinem Thema aus dem Weg.
Ortsvorsteherin Irene Kaiser und Marktmeister Mathias Koch waren schon vor Ort, als auf die Ministerpräsidentin gewartet wurde. Hoher Besuch für den St. Ingberter Wochenmarkt war angekündigt, die „Sommertour“ von Anke Rehlinger machte Station. Zuvor hatte die Staatskanzlei schon eine Menge Arbeit geleistet – ein Pavillon mit Saarland-Logos war aufgebaut, gemütliche Sitzmöbel „aus nachhaltiger Fertigung“, so die Staatskanzlei, warteten auf Marktbesucher. Gleich neben dem Kaffeemobil entstand so ein gemütliches Ambiente. Ganz so gemütlich wurde es für die Ministerpräsidentin dann doch nicht, aber dazu später.
Auf einer Litfaßsäule, die die Staatskanzlei aufgestellt hatte, konnte man Wünsche und Anregungen rund um den St. Ingberter Wochenmarkt anpinnen. Dass die Innenstadt grüner werden solle, dass sie eine Wohlfühloase sein solle, das waren ebenso Vorschläge, wie die Forderung, die Bildungssituation zu verbessern, einen Trinkbrunnen aufzubauen und Kaffee für alle vorzuhalten. Die Sache mit dem Kaffee war schnell zu lösen – Gutscheine für das Kaffeemobil waren im Umlauf.
Rehlinger nahm sich Zeit. Unterhielt sich lange mit dem St. Ingberter Heimatdichter Manfred Kelleter und seiner Frau, ging auf die Wünsche einer Mutter ein, die in einem Digitalisierungsprojekt mitarbeitet und darauf hinwies, dass digitale Bildung nicht allein eine Sache der Ausstattung mit Hardware sei, sondern dass „Kultur und Leute“ ihren Platz im Konzept haben sollten. Dies käme bei der Digitalisierung der Schulen im Saarland zu kurz. Die Ministerpräsidentin stellte den Kontakt her zu den Fachleuten in der Regierung.
Im Gespräch mit dem Marktmeister und verschiedenen Markthändlern kam man immer wieder zu der Feststellung, dass die augenblickliche finanzielle Lage der Haushalte sich verschlechtert habe, und dass oft am Essen gespart werde. Dies mache den Markthändlern zu schaffen, denn das Preis- und Qualitätsniveau auf den klassischen Märkten gerate angesichts des fehlenden Geldes bei den Konsumenten mehr und mehr ins Abseits.
Manfred Stalter, der auf dem Wochenmarkt mit Pflanzen und Gewürzen handelt, führte aus, dass die Kunden derzeit 30 Prozent weniger Geld zur Verfügung hätten als früher. Das merke man deutlich. Andererseits, so die St. Ingberter Ortsvorsteherin Kaiser, unternehme man große Anstrengungen, den Markt attraktiver zu machen. Rehlinger selbst bekannte sich zum Markt, sie sieht in der Direktvermarktung und in den kurzen Wegen zwischen Produzenten und Konsumenten einen wichtigen Schritt zur Versorgung mit guten Lebensmitteln. Wobei sie sogar ihren persönlichen Einkaufszettel nicht aus dem Auge verlor, immerhin wusste sie, dass sie den „Olivenmann vom Saarlouiser Markt“ auch hier antreffen werde und sich fürs Wochenende gleich noch eindecken könne.
Ungemütlicher wurde es dann aber doch noch. Gleich mehrmals wurde die Ministerpräsidentin konfrontiert mit dem Satz: „Die Regierung fährt unseren Staat gegen die Wand“. Überraschend gleichlautend diese Aussage, völlig unterschiedlich dann aber, warum diese Katastrophe drohe. Dass man keinen Gesundheitsminister brauche, der den Leuten erzähle, dass man sich bei 45 Grad nicht in die Sonne setzt, und auf der anderen Seite einen Wirtschaftsminister habe, der von Wirtschaft keine Ahnung habe, das waren Aussagen über die Angst vor dem Regierungshandeln.
Die Interessen der Wirtschaft stünden über alles, der Mensch im Hintergrund, das war eine weitere Position. Dass die Wirtschaft in Deutschland ins Hintertreffen gerate, das war die konträre Aussage. Egal, es gehe mit Vollgas gegen die Wand, und Scholz sehe hilflos zu. Rehlinger wahrte Gleichmut, konterte mit Argumenten, relativierte, dass sie im Saarland besser dastehe als viele im Bundesgebiet. Dann kamen noch diejenigen Marktbesucher, die sich bestens auf die Begegnung mit der Ministerpräsidentin vorbereitet hatten. Der Klimaaktivist, der auf einem mitgebrachten Ziehwägelchen Forderungen plakatiert hatte nach sofortiger Entsiegelung möglichst aller Flächen, der Internet-Blogger, der über die Kosten der Alten Baumwollspinnerei detailliert diskutieren wollte.
„Ich bin froh, dass die Kommunen ihre Selbstständigkeit nutzen, und dass sie sich mit interessanten Plänen weiterentwickeln, und gerade St. Ingbert hat den Strukturwandel mit Intelligenz und Kreativität hervorragend gemeistert“, entgegnete Rehlinger und lehnte es ab, über St. Ingberter Haushaltszahlen zu reden, die Sache der Stadt seien.
Dass die Staatskanzlei schon vor dem Marktbesuch veröffentlicht hatte, dass es der Ministerpräsidentin großen Spaß mache, mit den Saarländerinnen und Saarländern darüber zu reden, was sie bewegt, das spürte man sehr deutlich bei ihrem Besuch in St. Ingbert. Selbst wenn festgefahrene Positionen eine inhaltliche Annäherung zwischen Rehlinger und politischen Gegnern unmöglich machten, sie blieb verbindlich und gelassen. Und nahm sich sogar noch Zeit, die Wochenendeinkäufe auf dem Markt zu komplettieren.