Expertentreffen des Landesinstituts für Prävention in St. Ingbert Polizei erkennt in drei Minuten Fahruntüchtigkeit am Steuer
St. Ingbert · In der Schweiz hat die 3-Minuten-Methode eine Erfolgsquote von über 90 Prozent, wie jetzt auf einer Experten-Tagung des Landesinstituts für Prävention in St. Ingbert berichtet wurde. Im Saarland ist sie sogar noch höher.
Im verstärkten Kampf gegen Medikamente, Alkohol und Drogen am Steuer haben zwar Alcotest-Röhrchen und Speicheltests noch nicht ganz ausgedient, doch kann die Polizei inzwischen auch ohne Technik in einem 3-Minuten-Test vor Ort feststellen, ob jemand fahruntüchtig ist. Dieses ursprüngliche im Saarland erdachte und dann in der Schweiz perfektionierte Verify-Verfahren, das später zusammen mit ergänzenden Blut- oder Urinproben der Verdächtigen bis hin zu Führerscheinentzug und drastischen Strafen gerichtsrelevant wird, stellte der Leiter der Verkehrsabteilung der Züricher Kantonspolizei, Stefan Schiesser, am Donnerstag auf dem 13. Internationalen Drogen-Expertentreffen des Landesinstituts für Prävention in St. Ingbert vor.
Bei dem 3-Minuten-Kontrollverfahren, das in weiten Teilen der Schweiz schon seit mehreren Jahren fast flächendeckend angewendet wird, fragen inzwischen über 1500 speziell geschulte Polizisten angehaltene Verkehrsteilnehmer nicht mehr: „Haben Sie etwas getrunken?“ oder „Nehmen Sie Medikamente?“, sondern beobachten vielmehr allein das Verhalten des vielleicht schon auffälligen Verkehrsteilnehmers. Der erste Blick der Polizisten gilt dabei den Augen und den Pupillen des Fahrers, wie die auf Licht reagieren, aber auch auf Dinge wie triefende Nase, Händezittern, Unruhe oder Schweißausbrüche. Dazu müssen die von Mensch zu Mensch kontrollierten Fahrer in den drei Minuten auch von den Polizisten vorgegebene Aufgaben bewältigen wie Motor abstellen, Fenster und Kofferraum öffnen oder auch ein paar Schritte gehen und sprechen. Gestützt auf all diese Erkenntnisse durch Beobachtung plus Bauchgefühl und mit dem Sammeln erkennbarer Auffälligkeiten entscheiden und dokumentieren die Polizisten dann ohne jede technische Hilfsmittel: Der oder die ist fahruntüchtig. Die Weiterfahrt kann dann untersagt und notfalls der Führerschein gleich einbehalten werden, noch ehe es zur Blut- oder Urinprobe bei der Gerichtsmedizin geht.
Diese polizeiliche Kontrollmethode zum Erkennen versteckter Fahrunfähigkeit hat laut Schiesser in der Schweiz eine Erfolgsquote von 90 bis 93 Prozent. Im Saarland, wo die Methode oft noch durch Speicheltests ergänzt wird, spricht Tagungsleiter Harald Frey gar von 98 Prozent Erfolgsquote. Doch die jeweils zehn bis 15 Euro teuren Vorab-Speicheltests, die ähnlich wie die Corona-Antigen-Tests ablaufen, sind laut Studien in der Schweiz in fast jedem zweiten Fall falsch positiv oder falsch negativ. Die Züricher Kantonspolizei verzichtet daher mit Erfolg auf solche Vortests, auch die auf Alkohol. Da es aber inzwischen selbst mit Drogen getränkte Papiere gibt, die von Süchtigen geraucht werden, werden beispielsweise in Rheinland-Pfalz auch dafür geeignete spezielle Drogenerkennungscanner eingesetzt, berichtete der Leiter der Wittlicher Justizvollzugsanstalt, Dr. Jörg Patzak. Und der Toxikologe Dr. Andreas Ewald berichtete, dass in der Homburger Rechtsmedizin jedes Jahr über 1000 nach Polizeikontrollen angeordnete Blutproben untersucht werden. In nahezu allen Fällen bestätigt sich aus medizinischer Sicht die Fahruntüchtigkeit aufgrund überschrittener Grenzwerte, die es auch für Drogen und illegale oder verschreibungspflichtige Medikamente gibt.
Wie wichtig das Thema „versteckte Fahruntüchtigkeit“ durch Medikamente und Drogen oft in Verbindung mit Alkohol ist, zeigt ein Blick in das offizielle statista-Internetportal: Mehr als 300 000 solcher Unfälle pro Jahr allein in Deutschland. Tendenz stark steigend, auch schon vor dem Corona-Pandemie-Blues, der noch mehr Menschen zu Aufputsch-, Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel greifen lässt und die sich dennoch dann oft ans Steuer setzen – zur Gefahr für sich und andere.