Kirkel Jäger und Sammler in Sachen „Platt“

Kirkel · Mundart-Autor Günther Hussong aus Kirkel hat seine neue CD „Awwei werd’s Zeit“ herausgebracht.

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Foto: SZ/Bernhard Baltes

Meistens denkt man ja gar nicht so sehr darüber nach, wie man schwätzt. Erst wenn der Saarländer fernab der Heimat, zum Beispiel im Urlaub, mit Menschen anderer sprachlicher Prägung konfrontiert wird, wird einem so manches bewusst. Etwa, dass man im hohen Norden „Rundstück“ (mit spitzen st) zu einem Brötchen sagt. Oder dass es die saarländische Backwaren-Kategorie „Kaffeestückchen“ anderswo erst gar nicht gibt – allenfalls als schlichte  „Teilchen“. Einer, der die Mundart nicht nur spricht, sondern sie als eigene Kunstform pflegt und bewahrt, ist der Kirkeler Kabarettist und Mundartautor Günther Hussong. Sein Künstlername „Plattmacher“ in Anspielung auf das saarländische „Platt“ für Dialekt ist daher zwar passend, wird der spitzen Feder und Zunge, mit der Hussong zu Werke geht, aber nicht ganz gerecht. Da schwingt ja doch ein Anklang an eine Dampfwalze oder einen Bulldozer mit, der nicht recht zu dem verschmitzt dreinblickenden weißhaarigen Herrn passen will . . .

Dabei kann Hussong auch ein astreines Hochdeutsch, schließlich hat er lange Jahre als Lehrer in Emden in Ostfriesland gelebt. Französisch und Erdkunde auf Lehramt habe er studiert, auf Anraten der Eltern, erzählt er beim Besuch in der Homburger Redaktion. Als er mit dem Studium fertig war, war’s mit dem Lehrermangel im Saarland vorbei, im Norden der Republik allerdings wurden Lehrkräfte händeringend gesucht.14 Jahre lebte er dort mit seiner Frau, dann zog es ihn – wie so viele Saarländer – schließlich doch wieder zurück in die Heimat. Dort unterrichtete er dann in Blieskastel am Gymnasium, bis er in Rente ging, „und ich habe nicht gerne aufgehört“, räumt er lachend ein. Seine Schüler durften klar Dialekt reden – aber es ist gut, wenn man beides kann, sagt er. „Sprache ist ja immer auch ein Stück Heimat“. In offiziellen Situationen sei Hochdeutsch angemessen, im Alltag Dialekt – und einen kleinen dialektalen Zungenschlag empfinden viele als charmant.

Als „Plattmacher“ rettet Hussong auch einige Redewendungen und Dialekt-Ausdrücke, die sonst längst vergessen wären. „Sprache ist im Wandel, das ist nur natürlich, dass manche Ausdrücke in Vergessenheit geraten, aber schade ist das teilweise schon“. Ausdrücke, die beispielsweise aus Bergbauzeiten herrühren, wie der Gruuweschuhverschdeggler, kennen heutige Jugendliche vielfach schon nicht mehr.  Bei manchen Ausdrücken weiß er selbst nicht, wo sie eigentlich herkommen, wie zum Beispiel „e Dreigenähter“ für einen Menschen, der unehrlich ist oder ein falsches Spiel treibt.

Viele seiner Spielszenen hat er Menschen im Alltag „abgelauscht“, Beziehungsgespräche zwischen „em Schätzje“ und „Seinem“ etwa oder „Stau is doll“ – jedenfalls, solange er auf der Gegenfahrbahn ist. Gerne exerziert er auch unter Mitwirkung des Publikums die Geschichte von Annelies und ihrem Mann durch – bis es endet in „Ihm Seins hat ebbes mit ihm Seinem“. Humorvolle kleine Szenen aus dem Alltag sind auch das, was sein Publikum bei den Mundartabenden am meisten mag. „Es ist einfach so, wenn die Leute sich wieder erkennen, über sich selbst oder typische Marotten lachen können, sagen ‘Das is wie bei uns’ - das kommt an.“ Auch wenn der Plattmacher gerne mal über die holde Weiblichkeit schimpft, sind es oft letzten Endes dann doch die Männer, die den Kürzeren ziehen.

„Frauen reden pro Tag 4000 Wörter mehr als Männer“ - eine Studie habe das belegt, erklärt Hussong bierernst. „Nur, warum können sie die nicht gleichmäßig über den Tag verteilen?“ Stattdessen fingen sie Beziehungsgespräche („die ja eigentlich eher Erziehungsgespräche sind“) zur besten Sportschau-Zeit an. Da bleibt den Männern nur die Flucht in Keller, Garage oder Werkstatt ...

Auch Mundartkolumnen schreibt Günther Hussong – doch naturgemäß sind Dialekt-Stücke eben eher zum Hören als zum Lesen ausgelegt. „Wenn ich etwas schreibe, dann so, dass die Leute, auch Nicht-Saarländer, es mit möglichst wenig Mühe lesen können, also im Zweifelsfall lieber näher an der Hochsprache“, erklärt er pragmatisch.

 „Bei der Arbeit“: Mundartautor Günther Hussong

„Bei der Arbeit“: Mundartautor Günther Hussong

Foto: Günther Hussong

Aber da gibt es auch noch die ernstere Seite, den Günther Hussong, der Wettbewerbspreise gewonnen hat, mit einer saarländischen Version von Platons Höhlengleichnis etwa – als Frühstückgespräch zwischen Platon und seiner Frau. Oder den, der die Schöpfungsgeschichte auf Saarländisch verzehlt   oder Mundartgottesdienste gestaltet. Auch ein Mundartwörterbuch hat er verfasst. Themen gibt es zuhauf – und so ist der Kirkeler auch dann, wenn er nicht mit Batschkapp und kariertem Hemd als „Plattmacher“ auf der Bühne steht, immer Jäger und Sammler, von Geschichten, Dialektausdrücken und „kloore  Leit unn Sache“.

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