Blieskastel Wo wahre Meisterwerke die Zeit messen

Blieskastel · Das Uhrenmuseum „La Pendule“ in Blieskastel unter Leitung von Stadtarchivar Kurt Legrum ist ein echtes Kleinod in der Barockstadt.

 Stadtarchivar und Museumsleiter Kurt Legrum in Eingangsbereich des Blieskasteler Uhrenmuseums.

Stadtarchivar und Museumsleiter Kurt Legrum in Eingangsbereich des Blieskasteler Uhrenmuseums.

Foto: Wolfgang Degott

Neben fünf deutschen und zwei wunderbaren englischen Pendeluhren repräsentieren weitere 92 Zeitmesser eine ganz besondere Kunst im Blieskasteler Uhrenmuseum „La Pendule“. Integriert ist darin eine Sammlung von 36 Comtoise-Uhren. Sie erinnern nicht nur an die Anfänge der Uhr in einem vorwiegend agrarisch strukturierten Sektor des französischen Jura, sondern auch und gerade an die Blütezeit der französischen Pendule von Ende des 17. bis ins 19. Jahrhundert. Paris war während des 18. Jahrhunderts Zentrum, Produktionsstätte und Umschlagplatz von Luxusgütern für ganz Europa. Das Renommee der damals dort hergestellten Pracht-Pendeluhren ging über die Grenzen Frankreichs hinaus. Bei ihnen handelt es sich um stil- und prachtvolle Uhrenkörper. Es basierte vor allem auf der hohen künstlerischen Qualität und der mit handwerklicher Meisterschaft hergestellten Gehäuse. Diese Uhren waren nicht nur Instrumente, die Zeit zeigen und anschlagen konnten, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Kunstwerke, die zur Verschönerung der Gemächer beitrugen. Sie wurden nach ganz Europa verkauft und gehören heute mit zu den Prunkstücken vieler Museen.

In Blieskastel sind auch Unikate zu sehen, die vielfach individuell nach den Wünschen und Vorstellungen der Kunden und Käufer hergestellt worden sind. Es war zweifelsfrei so, dass solche Prachtpendulen auch im Blieskasteler Schloss der Grafen, späteren Fürsten von der Leyen aufgestellt waren. Die Epoche Ludwig XV. (1715 bis 1774) war ebenso stilprägend wie die Ludwig XVI. (1774 bis 1789). 92 Uhren aus dem 17. und 18. Jahrhundert kommen aus der privaten Sammlung eines Saarbrücker Ehepaares. Die beiden haben ihre Prunkstücke unter anderem auf Auktionen, Sammlermärkten zu einer einzigartigen Uhrenkollektion zusammengetragen und -geführt. Diese sind gleichzeitig Grundstock und Auslöser gewesen, dass in der ehemaligen Residenzstadt überhaupt ein Museum mit Zeitmessern konzipiert und eröffnet wurde. Der gelernte Politikwissenschaftler und heutige Kurator, Museumsdirektor, Stadtarchivar und Leiter des Schulamtes, Kurt Legrum, erinnert sich: „Das mittlerweile verstorbene Paar, das ungenannt bleiben will, hatte schon zu Lebzeiten Beziehungen nach Blieskastel. Es hatte sich 2007 an die Verwaltung gewandt mit der Bitte, die Uhren zu übernehmen. Nachdem zwei Jahre verhandelt worden war, fanden die Chronometer ihre neue Heimat in ihrer heutigen Umgebung. Dass dies Sinn macht, unterstreicht auch, dass ähnliche Uhren im früheren Blieskasteler Schloss zu Zeiten der Grafenfamilie von der Leyen zu finden gewesen sind.“ Fünf Räume in der ersten Etage des glanzlosen City Hauses in der Bliesgaustraße 3, einem ehemaligen Steuerberatungsbüro, sind gefüllt, laden zu einer Zeitreise ein. Nach seiner Eröffnung am 7. Juli 2010 wurde das Uhrenmuseum – neben dem Saarländischen Uhrenmuseum in Köllerbach das einzige seiner Art im Land – ein wichtiger Bestandteil der touristischen Sehenswürdigkeiten und Attraktivitäten der heutigen Biosphäre Bliesgau. An seinen Wänden, in Vitrinen, auf Podesten stehen und hängen überall Uhren.

Mittlerweile haben – trotz zweier wegen Wassereinbrüchen notwendiger Zwangspausen, in denen die Uhren überholt, gereinigt und poliert wurden – sich etwa 7000 Besucher an den hervorragend erhaltenen Stücken, die zum Teil älter als 300 Jahre sind, erfreuen können. Darunter befanden sich sowohl Gäste aus China als auch aus Brasilien. Eine größere Gruppe aus Chemnitz reiste eigens an, um das Museum zu besichtigen. Die meisten Besucher zählt das Museum alljährlich im Monat Mai und am Internationalen Museumstag. Zahlreiche Einträge im Gästebuch belegen, dass viele von Ihnen immer wieder sehr beeindruckt sind von der Qualität der Exponate und dem Können ihrer Schöpfer. Die Ausführungen der Uhren reichen von schmucklosen, einfach hergestellten Chronometern bis hin zu aufwändig hergestellten und teilweise mit vergoldeten, handwerklich hervorragend gefertigten Applikationen versehenen Zeitanzeigern. Auch dass in der Zeit des Rokoko im 18. Jahrhundert Vorlagen aus der griechischen und römischen Mythologie entnommen wurden, wird beim Rundgang auf der rund 150 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche deutlich. So sind Darstellungen des Götterboten Hermes, der gleichzeitig Schutzpatron der Kaufleute und der Taschendiebe ist, als auch der Jagdgöttin Diana nicht selten. Kurt Legrum weist auch darauf hin, dass Uhren immer auch Zeitzeugen wirtschaftlicher, politischer und kultureller Entwicklungen sind. Gerade die französischen Exponate spiegeln auch die dramatischen Veränderungen wider.

So sind Relikte aus der Zeit des Sonnenkönigs Louis XIV. (1643 bis 1715) ebenso zu finden wie aus der napoleonischen Epoche (1792 bis 1815). Verbindend ist bei allen der Uhrendreiklang mit den Elementen Sockel, Uhrzeiger-Gehäuse und Deckel. Bei manchen thront darüber auch noch die Ruferin. Aus Frankreich, Schwerpunktland des Nischen- und Spezialmuseums, stammt auch eines der wertvollsten Ausstellungsstücke, eine Bodenstanduhr aus dem Jahr 1750, aber auch eine mit vergoldeten Figuren üppig verbrämte Wanduhr aus dem späten 18. Jahrhundert. Drei goldene Herzchen prangen über ihrem Ziffernblatt. „Ursprünglich waren es drei Lilien als Zeichen des französischen Königshauses gewesen. Als dann die Revolution kam, wurden die Lilien, um sie behalten zu können, zu Herzen umgearbeitet, damit der Besitzer nicht in die Gefahr geriet, als Royalist hingerichtet zu werden“, erläutert Legrum, der sich alles Wissenswerte zu „seinen“ Uhren angelesen hat.

Zu sehen ist in Blieskastel auch eine 2,10 Meter hohe Standuhr, deren aus Rosenholz hergestellter Korpus, vergoldete Ecken, und am oberen Ende des Gehäuses einen sogenannten Puppenkopf aufweist. Ein Prachtexemplar stellt eine 2,35 Meter hohe Comtoise-Dielenuhr dar. Sie besitzt ein Emaille-Ziffernblatt, wurde um 1900 gebaut und von Uhrmacher F. Fougerouse aus Lucenay-lès-Aix in Burgund signiert. Der Korpus ist aus Tannenholz, das Pendel und die Einlegearbeiten mit Blumenmotiven bemalt. Es folgt eine Boulle-Uhr von 1710, die von Dumont-Brüdern aus Besançon stammt. Dort seien viele angesehene Uhrmacher zu Hause, zu denen auch Claude-Guillermin und Pierre François Dumont gehörten. Beiden waren von 1692 bis 1726 für ihre feinen Uhren aus Schildpatt bekannt. Eine Uhr im Museum soll zumindest teilweise vom berühmten André-Charles Boulle hergestellt worden sein. Er galt als der Schreiner schlechthin, wenn über die Zeit des Barocks gesprochen wird und arbeitete bis 1694 am königlichen Hof. Seine Arbeiten beeinflussten Kunstschreiner europaweit. Nach ihm ist auch die bis heute sehr renommierte Pariser Möbelbauschule, die Ecole Boulle, benannt. Berühmt wurde er auch deswegen, weil er beispielsweise mit Messing, Perlmutt oder Schildpatt, einem Material aus dem Panzer der sehr seltenen Karettschildkröte, sehr dünne Intarsien ins Holz einarbeitete.

Auch sind Uhren-Ausführungen mit verschiedenen Zeigern bis hin zum Mondkalender in der Sammlung enthalten. Eine Besonderheit stellt eine Uhr mit einem Fünf-Zack-Stern dar, das die Elemente Erde, Wasser, Licht, Feuer und den Äther als Symbol der Vernunft darstellen soll. Bei einer Kuckucksuhr aus Deutschland, die stilistisch aus dem Rahmen fällt, handelt es sich um eines der kuriosen Sammlungsstücke. Die 125 Zentimeter große, 1989 hergestellte Uhr ist das jüngste Exponat. Sie ist mit röhrenden Hirschen, Tannenzapfen und wanderndem Männlein vollgeschnitzt. Dazu kommen bei diesem Holz-Ungetüm noch schwere Gewichte, die durch meterlange Ketten angetrieben werden. Um Platz für diese Ketten zu bekommen, so Legrum, habe das Sammler-Ehepaar bei sich daheim eigens ein 50 Zentimeter tiefes Loch in den Boden graben lassen. Aus dem ehemaligen Franziskanerkloster Blieskastel stammt ein Eiche-Faltstuhl, der im 18. Jahrhundert hergestellt worden ist. Aus der Ommersheimer Kirche Maria Heimsuchen ist das Gangwerk der Turmuhr nach Blieskastel umgezogen. Wären die Uhren alle aufgezogen und auf die richtige Zeit eingestellt, so würde zu jeder vollen Stunde eine Welle aus Gongschlägen, Glockenklang, metallischen Melodien und Kuckucksrufen durchs Museum rollen. Doch nicht alle Exponate stehen still, zudem ist jede von ihnen funktionstüchtig. Großes Lob zollt Legrum auch seinen Mitarbeitern Ludwig Reichert und Christoph Zimmer, die immer bereit seien, Besuchern Informationen und Auskünfte zu geben, wenn sie Aufsicht führen.

Alle Serienteile finden sich im Internet.

 Eine Wand mit aufgereihten Contoise-Uhren aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Eine Wand mit aufgereihten Contoise-Uhren aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Foto: Wolfgang Degott
 Utensilien in einer Vitrine von Gewichten bis Pendel, vor allem Schlüssel.

Utensilien in einer Vitrine von Gewichten bis Pendel, vor allem Schlüssel.

Foto: Wolfgang Degott
 Kuckucksuhr aus dem Jahr 1989.

Kuckucksuhr aus dem Jahr 1989.

Foto: Wolfgang Degott
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