Kleinkunst in Ormesheim Wenn im „Café Noir“ der Gasgerd auf Udo Lindenberg trifft

Ormesheim · Die zweitägige Kleinkunst-Veranstaltung des Kultur- und Theatervereins Ormesheim im Saal Niederländer bot erneut beste Unterhaltung.

Anne Vogd bot neue Alltagsweisheiten.

Anne Vogd bot neue Alltagsweisheiten.

Foto: Walter Vogelgesang/KTV

Draußen war es empfindlich kalt, drinnen sorgte dagegen die Tanzgruppe Burlesquerettes in ihren knappen Outfits für anregende Wärme. So jedenfalls gestaltete sich der erste Veranstaltungsabend des „Café Noir“ im Festsaal Niederländer in Ormesheim wohltemperiert. Samstags wich die Kälte, die wärmenden Beiträge blieben. Der Ormesheimer Festsaal war nach zwei Jahren Abstinenz wieder die gewohnt professionelle Bühne für Kleinkünstler aller Genres. Und Moderator Reiner Pirrung vom veranstaltenden Kultur- und Theaterverein versprach nicht zu viel, als er einige Welturaufführungen ankündigte.

So hatte die Coronazeit wenigstens etwas Gutes, einige der Café-Noir-Protagonisten hatten sich mit neuen, aktuellen Programmpunkten auf die Bühne gewagt. Das sehr üppige, gut dreistündige Programm begann fulminant mit dem „Chronatic Quartet“. Die vier Jungs, Tobias Paulus mit Geige, Benedikt ter Braak am Keyboard, Marco T. Alleata am Bass und Jan Friedrich am Schlagzeug, legten mächtig los, ganz in der Tradition der ehemaligen holländischen Gruppe Exception. Bei den Klassikstücken, etwa Beethovens „Für Élise“ oder Bizets „Carmen“, wurde ein sehr rockiger Klangteppich unterbreitet und mit Adeles „Skyfall“ oder Queens „We are the Champions“ wunderschön zu einer Rockeinheit verwoben. Herrlich das „teuflische“ Geigenspiel von Tobi Paulus und Jans akzentuiertes Schlagzeug. Danach kam, rot gewandet als „Lady in red“, die Rheinländerin aus der Pfalz, Anne Vogd. Ganz zu Recht erste Preisträgerin des renommierten SWR3-Comedy-Festivals. Mit dem ihr eigenen Wörter-Tsunami beackert sie alle Problemfelder dieser Republik, besonders des privaten Umfeldes, Ehemann und erwachsene Tochter eingeschlossen. Welturaufführung Nr. 1. Eines ihrer vielen Credos: „Das Leben ist ein Geben und Nehmen. Manchma übernimmste dich, manchma übergibste dich!“ oder „Ich sag ja immer wieder: Das Leben ist wie Ludwigshafen – manchmal musst Du durch.“ Herzhafte Lacher im Publikum waren vorprogrammiert. Absolut gekonnt bespielte der Saarbrücker Jens Pörschmann seine akustische Gitarre, darunter zwei schöne Eigenkompositionen, „Kosmische Ereignisse“ und „Murphy“, geschrieben für seinen Kater. Spannend waren hernach die autobiografischen Geschichten, die der saarländische Italiener, inzwischen über 50 Jahre in Ormesheim beheimatet, Francesco Sanzo, nach seinem aktuellen Buch „Flucht auf Zeit“ rezitierte. Nachdenklich, als er erzählte, was ihm an Schimpfwörtern seinerzeit entgegenschlug. Spaghettifresser war noch eines der harmloseren. Amüsant hingegen seine Wahrnehmung, wie die Deutschen die Spaghetti erst mit Messer und Gabel klein schnitten, bevor sie sie aßen. Zum Lachen, als er deutschen Mitbewohnern in seinem ersten Domizil in Bliesransbach löffelweise Peperoncini unter die Nudeln mischte und diese fortan den gedeckten Sanzo-Mittagstisch mieden. Andere Passagen aus dem Buch las Sanzos Frau Danièle.

Noémi Schröder sang Lieder von Edith Piaf.

Noémi Schröder sang Lieder von Edith Piaf.

Foto: Walter Vogelgesang/KTV
 Andreas Müller imitiert Altmeister Lindenberg.

Andreas Müller imitiert Altmeister Lindenberg.

Foto: Walter Vogelgesang/KTV

Mit einer Prise Schärfe ging es weiter. Laszive Tanzeinlagen und Live-Gesang steuerten die Burlesquerettes zu dem ungemein unterhaltsamen Abend bei. Erotik pur. Zu Musiken aus Cabaret oder Labelles „Lady Marmelade“ gab es in knackig engen Korsagen New Burlesque. Ganz Edith Piaf dann der Auftritt von Noémi Schröder. Mit toller Stimme intonierte die ausgebildete Opernsängerin Chansons wie „La Bohème“ oder „Padam“, aber auch Neues von Louane oder Zaz. Wunderbar am Piano begleitet von Andy Pink, Der Ormesheimer hatte zuvor für drei eigenkomponierte Klavierstücke in die Tasten gegriffen und launige, warmherzige Klänge kreiert. Welturaufführung Nr. 2. Den ultimativen Schlusspunkt und Nr. 3 in der Feinkunstshow setzte dann der SWR3-Comedy-Chef. Andreas Müller hatte eine Art Best of seiner imitierten Protagonisten mitgebracht und viele zusätzlich auf der Leinwand eingespielt. Politikgrößen wie Winfried Kretschmann, Angela Merkel oder Olaf Scholz kamen genauso zu Wort wie etwa Udo Lindenberg, Peter Maffay und Herbert Grönemeyer. Höchst vergnüglich erklärt der neue Gesundheitsminister, Karl Lauterbach, aus Müllers Mund einen neuen, alkoholbasierten Schnelltest. Altkanzler Gerhard Schröder bekam ob der aktuellen Lage in der Ukraine und seiner prorussischen Aktivitäten eine gehörige Portion kabarettistisches Fett weg. Gasgerd rückwärts gelesen ergibt auf der Leinwand: Dregsag! Das Publikum erklatschte sich eine köstliche Zugabe, in der er bewies, dass portugiesisch und schwäbisch nahe beieinanderliegen. Dafür musste „One Note Samba“ von Carlos Jobim herhalten. Die obligatorische Ausstellung arrangierte diesmal die Blieskasteler Künstlerin, Rita Walle, mit ihren farbenfrohen Bildern. Dem Ormesheimer Kulturverein war mit den beiden Kleinkunstabenden „Café Noir“ exzellente Unterhaltung auf hohem Niveau gelungen.

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