CD statt Konzerte Probenbeginn mit Nylons für Blechbläser

Mandelbachtal · Vier Monate nicht geprobt: Der Orchesterverein „Harmonie“ Ormesheim ist einer von vielen, der sich zurückkämpft.

  Vor Léhar ist der Damenstrumpf: Der Orchesterverein „Harmonie“ Ormesheim spielt bei der ersten Probe nach Corona unter erschwerten Bedingungen. 

Vor Léhar ist der Damenstrumpf: Der Orchesterverein „Harmonie“ Ormesheim spielt bei der ersten Probe nach Corona unter erschwerten Bedingungen. 

Foto: Sophia Schülke

„Wer nix dabei hat, kommt zu mir, wir haben jede Menge Strümpfe.“ Der Orchesterverein „Harmonie“ Ormesheim will es an diesem Donnerstagabend wissen. Neben der Strumpffrage steht eine andere im Raum: Ob man die lange Pause hören wird? Im Festsaal Niederländer in Ormesheim herrscht Gewusel, Frauen und Männer mit schwarzen Koffern und Mund- und Nasenschutz kommen in den Saal, nehmen mit zwei Metern Abstand auf einfachen Stühlen Platz und packen ihre Instrumente aus. In ihren Instrumentenkoffern können Blechbläser für Proben und Konzerte allerhand Nützliches verstauen: Zusammengeklappter Notenständer, kleines Plastikfläschen mit Ventilöl, damit nichts klemmt, und ins Vorderfach passen noch die Schlüssel. Im Idealfall sind auch (die richtigen) Noten für die Probe mit drin. Das alles kann, der Nylonstrumpf aber, der muss plötzlich. Seitdem die Menschheit das Wort Corona mit einem gefährlichen Virus verbindet.

Bevor Orchesterleiter Bernhard Stopp seinen imaginären Taktstock schwingen kann, geht er sicher, dass alle Blechbläser mit Strümpfen versorgt sind. Der Ploppschutz mindert den Ausstoß von kleineren Tröpfchen, sogenannter Aerosole. Mit größeren Tröpfchen gelten sie derzeit als potenzielle Virenüberträger. Doch keiner der Trompeter, Posaunisten oder Tubisten muss sich in der Strumpfkiste bedienen, alle haben schon feines Nylon über den Schalltrichter des Instruments gezogen. Wer Flöte spielt, sitzt – ohne Strumpf – hinter transparenten Schutzwänden Marke Eigenbau.

Stopp, er dirigiert den Verein seit 1991, kann zur Ouvertüre von „Das Land des Lächelns“ von Franz Léhar ansetzen. Für das Orchester ist es die erste gemeinsame Probe seit dem 10. März. „Es fühlt sich schon komisch an“, sagt Magdalena am Altsaxophon.

Wie viele Kulturvereine ist auch der Orchesterverein „Harmonie“ Ormesheim von der Corona-Krise betroffen. Proben entfielen, mit zwei geplanten Konzerten auch Einnahmen. Inzwischen ist der Betrieb unter Auflagen wieder möglich und finanzielle Hilfen auf dem Weg, sich als Orchester zu finden, braucht aber mehr als Geld.

 „Das Problem hatten wir an dieser Stelle vor Corona auch schon einmal“, sagt Stopp. „Ich will heute nicht jeden Ton auf die Goldwaage legen, aber hier sind mir zu viele falsche Töne, nochmal ab F.“ Die 44 Musiker des insgesamt 55 starken Orchesters setzen wieder an. In der dritten Reihe wippt ein nagelneuer Strumpf, lässig an einem Posaunentrichter hängend, im Takt mit. Seine Faltnaht zeichnet sich noch deutlich ab und tanzt im Léhar-Schritt auf und nieder. „Das klingt ja noch nach Orchester“, lobt Stopp. „Ich bin erstaunt, wie gut es geht“, sagt Eric Thinnes, seit 40 Jahren dabei, als er seine Tuba abgesetzt hat. „Die Bedingungen sind nicht optimal, das Zusammenspiel ist durch die Distanz zu den anderen schwierig, aber der Klang ist ganz gut.“

Weil ein Orchester Ziele braucht, hat sich Orchesterleiter Stopp eine Notlösung überlegt, damit die Truppe nicht im luftleeren Raum vor sich hin probt. „Momentan ist unklar, wann wir wieder auftreten können, deswegen nehmen wir im Herbst eine CD auf.“ Zwei Termine sind angedacht. Diese fünfte Studioaufnahme der „Harmonie“ wäre weltweit die erste Blasorchesteraufnahme mit Solisten von der Léhar-Operette. Bei Kosten von geschätzt 10 000 Euro ist der Verein für Unterstützung dankbar. 2500 Euro sind aus der Vereinshilfe der Landesregierung beantragt. Zumindest der moralischen Unterstützung von Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), die der ersten Probe nach Corona beiwohnte, kann der Verein sicher sein. „Wir haben 680 Anträge auf Vereinshilfe, das zeigt, wie stark das Saarland auf der kulturellen Arbeit der Vereine ruht“, sagte sie. Lasse es die Forschung zu, könne auch beim Musizieren weiter gelockert werden. Abschließend dankte Streichert-Clivot dem Verein, dass er sich auf diese Situation einlasse und den Betrieb wiederaufnehme.

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