Eine ganz besondere Zeitreise Diese Scheune atmet Dorfgeschichte

Bliesmengen-Bolchen · Zu Gast in einem bezaubernden Museum, das einige rare Schätze zu bieten hat, inklusive eines kompletten Friseursalons.

 Blick in einen Friseursalon im Haus der Dorfgeschichte mit vielen Utensilien, wie sie früher üblich waren.

Blick in einen Friseursalon im Haus der Dorfgeschichte mit vielen Utensilien, wie sie früher üblich waren.

Foto: BeckerBredel

So etwas schon einmal bewundert? Noch nie. Es sieht aus wie ein grausiges, den menschlichen Kopf bedrohendes Folterinstrument mit seltsamen beweglichen Stäben. Befremdlich, befremdlich. Gudrun und Harald Pawendenat können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Und klären ihre Gäste auf: Bei dem Monstrum (siehe Foto rechts unten) handelt es sich um eine Trockenhaube, genauer gesagt um eine Zehnfinger-Haube, wie man sie in den 1940er Jahren kannte. Zehn Metall-Röhren für den Kopf der Kundin im Friseursalon und alsbald zu Hause konnte sich die Frisur wieder sehen lassen.

Wir sind heute im „Haus der Dorfgeschichte“, in einer zum Museum umfunktionierten Feldscheune von 1930 im Mandelbachtaler Ortsteil Bliesmengen-Bolchen. Und die hat es in sich, was man wörtlich nehmen sollte. Denn hier findet man unzählige Einrichtungsgegenstände und Utensilien des dörflichen Lebens von vor vielen Jahrzehnten. Ein wunderbares Sammelsurium, das man beim ersten Besuch mit nur zwei Augen nicht komplett erfassen kann. Bewahrt, behütet und gepflegt von dem Ehepaar Pawendenat. Irgendwann ist man so angefüllt mit Eindrücken und Informationen, dass mal ein Päuschen fällig ist. Am besten, der Besucher kommt wieder vorbei und setzt die Lehrstunde mit den freundlichen Hausbesitzern bezüglich Heimathistorie fort, damit ihm bloß nichts entgehen möge.

Im Mai 1998 wurde das in rund dreijähriger Arbeit eingerichtete und vielseitig ausgestattete Haus eröffnet. Auf mehr als 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche auf vier Ebenen taucht die Vergangenheit vor uns auf. In den letzten Jahren, so heißt es in dem „appetitanregenden“, farbigen Faltblatt, kamen immer mehr bemerkenswerte Stücke aus dem Lebensbereich unserer Vorfahren hinzu.

Initiator und Gründer des Hauses war Edwin Flieger, der Patenonkel von Gudrun Pawendenat. Gemeinsam mit ihrem Mann Harald ist sie im Vorstand des 120 Mitglieder starken „Vereins für Dorfgeschichte“, der als Träger des Museums fungiert. Edwin Flieger starb vor sechs Jahren. Er habe immer Wert darauf gelegt, dass der Großteil der Exponate aus Bliesmengen-Bolchen selbst stammt, etwa zehn Prozent der Ausstellungsstücke fand er auf Flohmärkten und erhielt so manches tolle Teil von Menschen aus dem Ort. So kam eins zum anderen, so dass man heute unter anderen besichtigen kann: einen kompletten Friseursalon, eine Schuhmacherwerkstatt, eine Küche und auch eine Schlafkammer. Was die Kammer angeht, so ist das hier befindliche Ehebett doch ganz schön klein und bescheiden. Heute würde man darin wohl nur noch ein Kleinkind betten.

Auch die Heilkunst kommt im Haus der Dorfgeschichte nicht zu kurz. So finden die Besucher einen Schaukasten mit den Utensilien eines praktischen Arztes vor, sowie auch die wenig vertrauenerweckenden Instrumente eines Zahnarztes. Auch das, was eine Hebamme zur Ausübung ihres Berufes mit sich herumschleppte, ist in Bliesmengen-Bolchen erhalten geblieben.

Das Ehepaar Pawendenat sorgt dafür, dass die Besucher der Scheune nicht ratlos vor den ausgestellten Gegenständen stehen. Sie erklären das, was das Haus zu bieten hat und freuen sich, wenn Frage und Frage auf sie niederprasselt. Dann gibt es nette Auskünfte wie etwa die zu diesem sehenswerten Ding, zu dem die fünf Miele-Buchstaben gehören. Es ist dies eine der ersten elektrisch betriebenen Waschmaschinen mit dazugehöriger Mangel, die das überschüssige Wasser aus den wieder sauberen Textilien herauspresste. So wurde das schwere Auswringen überflüssig.

„In Gottes Hand gegeben ist Tag und Nacht mein Leben.“ Ein schönes gesticktes Tuch an der Wand gibt derweil Auskunft über die Frömmigkeit von Menschen, die schon längst nicht mehr unter uns weilen. Noch geschwind mit dem Herr des Hauses in den Garten, denn da steht auch noch ein interessantes Ding: eine Kartoffelsetz-Maschine Marke Eigenbau. Auch solche Kuriositäten kann man im Mandelbachtaler Gemeindeteil bestaunen. Auch hier hat der Sammler Erwin Flieger seine Spuren hinterlassen. Zum Glück, darf man sagen, denn das Haus der Dorfgeschichte ist einzigartig.

Öffnungszeiten: Von April bis Dezember an jedem 3. Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr. Kontakt zum Haus der Dorfgeschichte: Familie Pawendenat, Bliesstraße 67, 66399 Mandelbachtal/Bliesmengen-Bolchen, Telefon (0 68 04) 62 49.

 In Reih und Glied: Fleischwölfe, Rapsölmühle und Beerenpresse von anno dazumal.

In Reih und Glied: Fleischwölfe, Rapsölmühle und Beerenpresse von anno dazumal.

Foto: BeckerBredel
 Folterinstrumente? Nein, eine Zehnfinger-Haube um 1940, die die Damenwelt beim Friseur sehr schätzte.

Folterinstrumente? Nein, eine Zehnfinger-Haube um 1940, die die Damenwelt beim Friseur sehr schätzte.

Foto: BeckerBredel
 Nix mit Kingsize: Aus heutiger Sicht ziemlich beengte Verhältnisse bot dieses Bett.

Nix mit Kingsize: Aus heutiger Sicht ziemlich beengte Verhältnisse bot dieses Bett.

Foto: BeckerBredel
 Dies ist eine der ersten elektrischen Waschmaschinen von Miele. Sie erleichterten den Frauen die Arbeit immens.

Dies ist eine der ersten elektrischen Waschmaschinen von Miele. Sie erleichterten den Frauen die Arbeit immens.

Foto: BeckerBredel
 Auch sie ziert das Haus in Bliesmengen-Bolchen: die SZ von vor vielen Jahren.

Auch sie ziert das Haus in Bliesmengen-Bolchen: die SZ von vor vielen Jahren.

Foto: BeckerBredel
 Sie halten die Erinnerung an alte Zeiten wach: Gudrun und Harald Pawendenat vor dem Haus der Dorfgeschichte.

Sie halten die Erinnerung an alte Zeiten wach: Gudrun und Harald Pawendenat vor dem Haus der Dorfgeschichte.

Foto: BeckerBredel

Alle Serienteile zu den Museen im Saarland finden sich im Internet: www.Saarbruecker-zeitung.de/museen-im-saarland

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