Als Walsheim-Bier Erfolge feierte

Walsheim. Beginn der Kirmes und vollbesetzter Saal, so hat es ein Gasthausbesitzer wie Jörg Lugenbiel gern. Dass auch noch seine Vorfahren als Gründer der Walsheim-Brauerei zu Ehren kamen, steigerte das Wohlbefinden

Walsheim. Beginn der Kirmes und vollbesetzter Saal, so hat es ein Gasthausbesitzer wie Jörg Lugenbiel gern. Dass auch noch seine Vorfahren als Gründer der Walsheim-Brauerei zu Ehren kamen, steigerte das Wohlbefinden."Wie die Walsheimer ihr Bier verloren - Intrigen, Fakten, Hintergründe" unter diesem Titel firmierte ein beeindruckender Vortrag der Enkelin über den früheren Walsheimer Brauereidirektor Dr. Hans Kanter, Claudia Schoch-Zeller. Sie skizzierte sein Leben, sein Wirken, aber auch sein persönliches Schicksal vor und zu Beginn der NS-Zeit an der Saar. Wegen seiner französisch-freundlichen Haltung und seiner jüdischen Abstammung, so die Redakteurin der Neuen Züricher Zeitung, sei er zu einem der ersten politisch Verfolgten des Saargebietes geworden. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte der weltoffene und kulturinteressierte Chemiker und Kaufmann, dessen Tochter Marion Schoch-Kanter ebenfalls den Abend besuchte, die vormals "Königlich bayerische Hofbrauerei" erworben und machte "Walsheim Bier" zur Erfolgsmarke. Nach dem Bau der neuen Betriebsanlage (1928) im modernen Bauhausstil erlebte sie ihre Blütezeit, wurde größte Braustätte an der Saar (240 000 Hektoliter Jahresausstoß). Ortshistoriker Heinz Höfler ergänzte, dass damals rund 240 Menschen ihr Auskommen fanden. Dr. Kanter, seit 1922 mit 90 Prozent Hauptaktionär, wurde durch Machenschaften 1934 als Vorstand der Brauerei abgelöst. Die Walsheim-Brauerei wurde in der Folgezeit von der NS-Propaganda häufig als "Juden-Brauerei" beschimpft. Der von den Nazis eingesetzte neue Vorstand "verschleudert das Vermögen" und trieb das Unternehmen bis Ende 1934 gezielt in den Konkurs. Weitere personelle Umbesetzungen und innerbetriebliche Veränderungen beschleunigten den Niedergang. Dr. Kanter wanderte nach Ende eines gegen ihn geführten Prozesses in die Schweiz aus, gründete später das noch heute in Frankreich gebraute Kanterbräu und verstarb 1937. Seine Brauerei wurde im September 1939 von französischen Truppen beschossen. Ein Wiederaufbau scheiterte am Veto des damaligen Gauleiter Josef Bürkel. Während die Menschen noch mit einer Wiederinbetriebnahme der Brauerei rechneten, wurde diese 1942 durch eine Entscheidung des Brauereiwirtschaftsverbandes zunichte gemacht. Mit ihr wurde die Kundschaft der Walsheimer Brauerei anderen saarpfälzischen Brauereien übertragen. Ortsvorsteher Stefan Pauluhn, der auch an den Abriss der Brauerei im Jahr 1981 erinnerte, kündigte an, dass zusammen mit der Gemeinde Gersheim ein Manuskript Höflers zur Geschichte der Walsheim Brauerei publiziert werden solle. Der Abend, der vom St. Ingberter Literaturwissenschaftler Reiner Marx moderiert und vom Vorsitzenden der Peter-Imandt Gesellschaft, Michael Quetting, eröffnet wurde, fand in Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung-Saar, dem Biosphärenverein und dem Biosphärenreservat Bliesgau statt. Auch hatte Lugenbiel dank des von Doris Kratkey in Beeden biologisch angebauten Hopfens zusammen mit Kochems Brauhaus in Pirmasens in einem "Feldversuch" 200 Liter Bier gebraut - so wurde erstmals seit 70 Jahren in Walsheim wieder ein eigener Gerstensaft ausgeschenkt. Abschließend sang das Duo Jürgen Holzhauser und Hans Ruge als "Welturaufführung" eine Walsheim-Hymne.

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