Kolumne Apropos Vom weniger müssen dürfen

Über das verhängnisvolle Versagen eines Schildchens und pflichtbewusste Retter in der Not-durft.

 Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

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Folgende Situation: Der Zug Neun-Euro-Ticket-gemäß übervoll, man steht dicht gedrängt, man schwitzt gemeinsam in den knapp 40 Grad Celsius, manch einer muss äußerst dringlich – und das Toiletten-Besetzt-Schildchen hat den Dienst versagt. Glücklicherweise haben in der Nähe der WC-Tür ein ernst dreinblickender Herr mit Glatze und eine junge Frau einen Sitzplatz gefunden, mit freiem Blick auf die WC-Tür. Schnell haben sie sich mit ihrer unerwarteten Rolle als Toilettenansager abgefunden. „Es ist besetzt“ und „es ist gerade jemand drinnen“, gefolgt von einem „Halt! Sie müssen noch warten!“

Jeder, der sich aus dem Gedränge auch nur in Toilettennähe wagt, wird zur Räson gerufen. Sobald das Örtchen auch nur kurz frei ist, sogleich ist es wieder okkupiert. Dem unerschrockenen Eingreifen von Team-WC ist es zu verdanken, dass ein rüstiger Senior nicht die Geschäfte eines Studenten unterbricht, eine Frau im edlen Sommerkleid nichts von den Abgründen einer dringenden Notwendigkeit eines Mittdreißigers mitbekommt. Dann nähert sich ein etwa 20-jähriger Mann dem Gefahrenbereich. Wie üblich ist besetzt. Team-WC muss handeln, das Unglück scheint nah. „Halt! Warten Sie! Es ist besetzt!“ Der Angesprochene schaut verdattert und erwidert dann mit ein wenig Entrüstung in der Stimme und in voller Lautstärke – wohl um jeglichen Mitfahrenden Entwarnung zu geben: „Ich muss doch gar nicht!“

Stimmt: Wenn überhaupt irgendjemand auch nur im Entferntesten müsste, dann wohl die Bahn – für funktionierende Besetzt-Schildchen im Zug sorgen.

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