„Wir wollten keine Fotos, sondern Seelen zeigen“

Kirkel · Der Menschlichkeit ein Gesicht geben und sich bedanken: Das wollten Omar und Khaled al Mouqdad, als sie Menschen porträtierten, die ihnen nach ihrer Flucht die Ankunft im Saarland erleichtert haben.

 Gut angekommen: Khaled (l.) und Omar al Mouqdad am Bahnhof im Kirkeler Ortsteil Limbach. In den letzten Monaten haben sie mehr als 40 Flüchtlingshelfer im Ort fotografiert. Foto: Thorsten Wolf

Gut angekommen: Khaled (l.) und Omar al Mouqdad am Bahnhof im Kirkeler Ortsteil Limbach. In den letzten Monaten haben sie mehr als 40 Flüchtlingshelfer im Ort fotografiert. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Blicke sagen oft mehr als Worte. Was sonst abgedroschen klingt, ist für die syrische Mutter und Lehrerin Nahla al Mouqdad eine Realität. Sie nennt es "Augensprache". Solange es mit der deutschen Sprache noch hapert, sind Blicke und Gesten ihre Art, mit Menschen in Deutschland zu kommunizieren.

Wenn sie von ihrer Heimat Syrien erzählt, kommen der 51-Jährigen die Tränen. "Die Angst war unser ständiger Begleiter", erzählt sie auf Arabisch über den Krieg und über ihre Flucht nach Deutschland. Und natürlich spricht sie über das, was ihr im Leben am wichtigsten ist: ihre beiden Söhne Omar und Khaled. Die jungen Männer, die mit ihrer Mutter Nahla seit Juli 2015 im Kirkeler Ortsteil Limbach leben, hatten im Oktober vergangenen Jahres eine besondere Idee: Sie fotografierten ihre Helfer und führten Kurz-Interviews mit ihnen. Das Ergebnis ist ein menschlich bunt gemischtes Fotoprojekt, das sich "Faces of us" nennt.

Eine Auswahl der mehr als 40 Porträts mit Kurztext war bis zum 18. Dezember vergangenen Jahres im Schaufenster des ehemaligen Limbacher Schlecker-Marktes ausgestellt. Für die beiden Brüder war es eine Art Weihnachtsgeschenk für das ganze Dorf.

An diesem Sonntag sind die Bilder auf Anregung des Limbacher Ortsvorstehers im Rahmen der Ausstellung "Dialog der Kulturen" im Kirkeler Bildungszentrum zu sehen. "Wir wollten keine Fotos, sondern Seelen zeigen", sagt der 24-jährige Khaled, der in Syrien wegen des Krieges sein Medizinstudium abbrechen musste. Seine Idee war es, den Menschen in Limbach, die ihm und seiner Familie die Ankunft im fremden Land erleichterten, etwas zurückzugeben. Khaled führte die Interviews und Omar fotografierte. Einfach war das Unterfangen nicht. Die beiden Männer, die fließend Englisch sprechen, mussten bei einigen ihrer Interviewpartner Überzeugungsarbeit leisten. Denn wer hilft, möchte dies nicht unbedingt nach außen tragen.

"Wir wollten die menschliche Seite zeigen und Danke sagen", sagt Omar zu seiner persönlichen Motivation, die Bilder anzufertigen. Der 22-jährige Omar erzählt bei arabischem Kaffee und libanesischem Salat im heimischen Wohnzimmer , wie er auf seiner Flucht über die Balkanroute 9000 Fotos schoss. Der angehende Bauingenieur denkt jedoch nicht daran, sein Hobby Fotografie zum Beruf zu machen. Er möchte in Deutschland Informatik studieren. Die vier Stunden Deutsch am Tag, die er und sein Bruder Khaled im Integrationskurs mitbekommen, sollen helfen, die beruflichen Ziele im neuen Land zu verwirklichen. Für Khaled "ein Traum, mit dem wir aufwachen und zu Bett gehen."

Von Träumen und Wünschen ist auch ihr Werk "Faces of us" geprägt, das im Internet auf der Webseite www.faces-of.us zu sehen ist. Dort verraten die porträtierten Limbacher, warum sie Flüchtlingen helfen. Unter ihnen ist Jasmin Hahn von der Nachbarschaftshilfe. Die Deutsch-Perserin ist in den letzten Monaten eine enge Freundin der Familie geworden. Sie berichtet im Wohnzimmer der Fanilie von der "Nachhilfestunde am Küchenstisch", die sie mit Mutter Nahla verbindet. Die Treffen hätten auch ihren Blick auf die syrische Frau verändert: "Erst war Nahla die Frau, die nicht die Hand gibt. Jetzt ist sie Nahla die Mathematiklehrerin", sagt Hahn. Von dem Fotoprojekt war sie sofort begeistert: "Es war wichtig für das ganze Dorf." Der Kurztext zu Hahns Porträt ist ein Plädoyer dafür, anderen Menschen "Geist und Herz zu öffnen". Auch andere Porträts zeugen von dieser Botschaft. Helferin Andrea findet beispielsweise, dass "Herkunft, Hautfarbe, Religion und Status irrelevant" sind. Die porträtierte Lea sagt: "Manchmal ist mir gar nicht klar, ob ich gerade den Flüchtlingen helfe oder sie mir."

Hilfe erleichtert Integration. "Wir werden Deutsche werden", sagt Nahla bestimmt. In ihr Land zurückzukehren, das können sie und ihre Söhne sich vorerst nicht mehr vorstellen.

Die Porträts "Faces of us" sind im Rahmen der Ausstellung "Dialog der Kulturen" ab diesem Sonntag, 20. März, 17 Uhr, bis zum 25. April im Großen Saal des Kirkeler Bildungszentrums zu sehen.

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