Wenn Kranke einfach weggeschickt werden

Kirkel/Lomé. So ist das manchmal mit den Träumen, werden sie wahr, erweisen sie sich doch als etwas anders als in Tagen und Nächten ersonnen. Jennifer Hussong steckt mittendrin in ihrem Lebenstraum Afrika. Die 24-jährige Krankenschwester arbeitet seit Anfang des Jahres in einem Krankenhaus in Togo - als Freiwillige über das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Saarland

Kirkel/Lomé. So ist das manchmal mit den Träumen, werden sie wahr, erweisen sie sich doch als etwas anders als in Tagen und Nächten ersonnen. Jennifer Hussong steckt mittendrin in ihrem Lebenstraum Afrika. Die 24-jährige Krankenschwester arbeitet seit Anfang des Jahres in einem Krankenhaus in Togo - als Freiwillige über das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Saarland. "Das Gesundheitssystem ist anstrengend, nur wenn man Geld hat, ist es gut." Das ist eine von vielen Erkenntnissen, die sie nach mehreren Monaten in Togos Hauptstadt Lomé für sich gesammelt hat. Ob sie es so erwartet hat? "Nein, das kann man sich nicht vorstellen!" Und irgendwie auch kaum beschreiben. Denn vergleichen lässt sich das Leben in Togo mit dem im heimischen Kirkel kaum. "Die ersten fünf bis sechs Wochen dachte ich noch, hier will ich wohnen", blickt sie zurück. Dann kamen sie langsam, die doch ernüchternden Erkenntnisse. Zum Beispiel über die hohe Kriminalitätsrate, das politische System, die all gegenwärtige Korruption. "Demokratie ist etwas anderes." Sie fällt hier auf mit ihrer hellen Haut. Ist sie draußen unterwegs, etwa auf dem Großmarkt, "dann rufen mir alle yowo, Weiße, hinterher. Die Kinder singen das sogar. Einen Namen hat man nicht". Spreche man die Leute darauf an, dann heiße es: Ist doch nicht so schlimm. Manche Kinder fingen sogar an zu weinen. "Die haben nie jemanden mit weißer Haut gesehen und denken, man sei krank." "Das Krankenhaus rettet mich", sagt sie. Da sind die Kollegen, mit denen sie auch viel über das Land diskutiert, da ist die Arbeit an sich. Eigentlich sollte sie auf der Kinderstation eines Krankenhauses im kleinen Ort Kpalimé arbeiten. Da es dort aber keine Wohnung gab, ist sie in der Hauptstadt Lomé geblieben - am "besten Krankenhaus in Togo", ausgestattet mit Geräten, die es im Land sonst nicht gibt. Eingesetzt wird sie eigentlich überall, vom Verbandswechsel über gipsen und Zehennägel ziehen bis zum Operations-Saal. Trotzdem: Es gibt schwierige Momente. Dann zum Beispiel, wenn Kranke abgewiesen werden müssen, weil sie kein Geld für die Behandlung haben. "Im ersten Monat, den ich hier war, ist das nie passiert. Jetzt kommt es jede Woche vor." Auch die medizinischen Fälle, die sie sieht, sind oft bitter. Wie der eines Mannes, der bei der Herstellung von Seife in die kochende Lauge gefallen ist. "Das war schlimm."Noch einen wesentlichen Unterschied gibt es zu Patienten in Deutschland. "Die Leute sind hier überhaupt nicht aufgeklärt." Manche bemerkten trotz massiver Beschwerden nicht, dass sie seit Jahren an Diabetes oder anderen Krankheiten leiden.Jenseits der Arbeit ist es aber auch der Alltag, der so ganz anders ist. Das Wetter etwa. "Jetzt in der Regenzeit geht es gerade, aber es ist sehr schwül, manchmal richtig heiß und eigentlich immer nass." Auch ans Essen musste sie sich gewöhnen - an Fufu, gestampfte Yamswurzel, die in eine scharfe Soße getunkt wird, etwa. Spaghetti gebe es außerdem an allen Ecken, zum Frühstück ist Baguette mit Ei oder Mayo angesagt, üblicher sind kleine geräucherte Fische, "allerdings wenig appetitliche", in scharfer Tomatensoße. "Von dem Geruch werde ich um fünf Uhr wach, da meine Nachbarn das kochen." Milch ist unerschwinglich teuer: Milchprodukte gibt es nicht, und so vermisst sie Käse ganz besonders.Bis Ende August wird sie noch in Lomé arbeiten, danach möchte sie ein bisschen durch Ghana und Benin reisen. Und auch wenn Togo nicht ihr Land ist, Afrika bleibt für sie ein Traum.

HintergrundIn Togo, das früher eine Zeit lang deutsche Kolonie war, leben 42 Ethnien mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Eigenheiten. Das Land ist eine zentralistisch strukturierte Präsidialrepublik. Recht gut entwickelt ist das Schulwesen - insbesondere in städtischen Regionen. Die Schulbesuchsquote liegt bei 77,1 Prozent, die Analphabetenrate bei über 15-Jährigen bei 47 Prozent. Im Land herrscht tropisches Klima. In den letzten Jahrzehnten gab es in dem Agrarland eine Misswirtschaft, die Togo in eine wirtschaftliche und soziale Krise gestürzt hat. 62 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. 110 000 HIV-Infektionen wurden für 2005 gemeldet. Die medizinische Versorgung im Land ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch hoch problematisch. Die Zahl adäquat ausgebildeter Fachärzte ist beschränkt. Quelle: Internetseite des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-amt.de)Auf einen BlickDer Landesverband Saarland des Deutschen Roten Kreuzes sucht für Herbst wieder junge Menschen, die gerne freiwillig in Afrika arbeiten möchten. Damit beteiligt sich das DRK am Weltwärts-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bewerber sollten zwischen 18 und 28 Jahren alt sein, brauchen einen Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Abitur, Grundkenntnisse einer der Sprachen im Gastland und natürlich die Bereitschaft, sich sozial zu engagieren, zählt Martin Erbelding, Leiter der DRK-Stabsstelle Saarland, einige Voraussetzungen auf. Bewerbungen an den DRK Landesverband Saarland, Wilhelm-Heinrich-Straße 9, 66117 Saarbrücken, E-Mail: hammerstein@lv-saarland.drk.de. ust

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