In Altstadt Historischer Fund im heimischen Garten

Altstadt · Möglicherweise stammt das entdeckte Taufbecken aus dem Mittelalter und gehörte einst zum Inventar der Altstadter Kirche.

 Ein Taufbecken unter der Grasnarbe? Falk (rechts) und Finn Deckert mit dem rätselhaften Sandsteinbecken, das sie in ihrem heimischen Garten im Kirkeler Ortsteil Altstadt ausgegraben haben.

Ein Taufbecken unter der Grasnarbe? Falk (rechts) und Finn Deckert mit dem rätselhaften Sandsteinbecken, das sie in ihrem heimischen Garten im Kirkeler Ortsteil Altstadt ausgegraben haben.

Foto: Martin Baus

Auf den Stein der Weisen ist er sicherlich nicht gestoßen, stattdessen vermutlich aber auf einen Taufstein oder ein Weihwasserbecken. Und auf jeden Fall sehr alt ist der Fund, den Falk Deckert unmittelbar unter der Grasnarbe im heimischen Garten gemacht hat.

Mit dem Rechen war er gerade beschäftigt, als er unversehens auf harten Widerstand stieß. Er wechselte das Werkzeug und begann mit der Kelle vorsichtig freizulegen, was sich da im Boden versteckte – und staunte nicht schlecht über seine Entdeckung. Zutage kam ein kolossaler Sandsteinblock mit auffälligen Bearbeitungen: Einkerbungen, Nischen, vorragenden Quadern. Aber insbesondere das herausgearbeitete Becken und auf der Unterseite eine so präzise wie akribisch geformte, kreisrunde Grundfläche ließen keinen Zweifel aufkommen, dass er etwas Ungewöhnliches ausgegraben hatte. Zusammen mit Sohn Finn und einem Sackkarren schaffte er das gut 70 Kilogramm schwere Teil dann in einen höher gelegenen Teil des Gartens in der Altstadter Turmstraße, um es dort akkurat zu säubern.

Dass es sich möglicherweise um ein Tauf- oder Weihwasserbecken handelt, das bestätigten reihum zu Rate gezogene Archäologen. Professor Ralf Gleser, in Altstadt wohnender Lehrstuhlinhaber an der Universität Münster, Sabine Emser vom Römermuseum in Schwarzenacker sowie Andreas Stinsky vom Europäischen Kulturpark in Reinheim gehen jedenfalls davon aus, dass es einem solchen kirchlichen Zweck diente und dass es vermutlich aus dem Mittelalter stammt. Es könnte aber auch der Schlussstein eines Gewölbes sein, wie man ihn  in gotischen Kirchen findet.

Was aber hat das Inventar eines Gotteshauses im Untergrund der Bliestalaue verloren? Aus dem sogenannten „Fundzusammenhang‟ lassen sich jedenfalls keine Rückschlüsse auf die Herkunft des 40 Zentimeter breiten und 30 Zentimeter hohen Beckens ziehen. „Behauene Sandsteine in allem möglichen Größen und Formen liegen hier überall unter der Erde‟, berichtet Falk Deckert. Mit diesen Steinen hat er Trockenmauern aufgesetzt, Terrassen stabilisiert oder einfach nur Haufen aufgeschichtet, in denen sich Mauereidechsen und anderes Getier pudelwohl fühlen. Möglicherweise hängt dieser „alte Bauschutt‟ mit dem Bau des Spiess-Deckertschen Hauses zusammen.

Der älteste Teil der „Galerie Kunststall‟ und der Altstadter Musikschule ist über zwei Jahrhunderte alt. Die Jahreszahl 1810 steht auf dem Türsturz über dem Eingang eingraviert. Und just zu diesem Zeitpunkt war die alte Altstadter Kirche Ruine, nachdem sie 17 Jahre zuvor bei den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen französischen Revolutionstruppen und preußischen Truppen stark beschädigt worden war. Sie befand sich nur knapp 100 Meter entfernt auf dem heutigen Friedhof. Dass die Ruine als Steinbruch benutzt wurde, um aus den Trümmern neue Gebäude errichten, war seinerzeit gängige Praxis.

So könnte neben anderem Baumaterial auch der Taufstein der Kirche „verschleppt‟ worden sein. Vielleicht wollte der seinerzeitige Bauherr, der gemeindliche „Einnehmer‟ Karl Ludwig Braun, ihn auch retten, späteren Besitzern des zusehends wachsenden Gehöfts war die Funktion des Beckens indes nicht mehr bekannt. Sollte der Taufstein aus der Ursprungszeit der alten Altstadter Kirche stammen, dann wäre er sehr alt – um das Jahr 800 soll sie errichtet worden sein. Freilich kann er auch späteren Datums sein, aber aus dem Mittelalter stammt der „Artefakt‟ auf jeden Fall. Dass er dann zuletzt nur zur Taufe benutzt worden ist, davon ist auszugehen. Die Altstadter Kirche, vor der Reformation unter dem Patronat des heiligen Martins, war 1575 protestantisch-lutherisch geworden. Weihwasserbecken gerieten von da an außer Mode und Gebrauch.

Und wie geht es jetzt weiter mit dem guten Stück? Falk Deckert hat konkrete Pläne. Ende Juli geht er in Rente, dann will er sich die Zeit nehmen, nach dem zugehörigen Ständer zu suchen. Das Unterteil des Beckens müsste auf einer Säule mit entsprechender Einsenkung gestanden haben. „Auf jeden Fall kriegt das Becken einen Ehrenplatz.‟

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