Ein Mann in tiefstem Winter

Kirkel-Neuhäusel · Trotz angenehmer Temperaturen dürften am Freitagabend die Gäste der „Tante Milli“ etwas gefröstelt haben. David Wigand hat von seinen zehn Wochen im winterlichen Nordnorwegen erzählt – eine Grenzerfahrung, die ihn verändert habe.

 Zehn Wochen als Helfer auf einem Hof in Nordnorwegen machten aus dem Steinwender David Wigand einen anderen Menschen und einen Reiseschriftsteller. Foto: Thorsten Wolf

Zehn Wochen als Helfer auf einem Hof in Nordnorwegen machten aus dem Steinwender David Wigand einen anderen Menschen und einen Reiseschriftsteller. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

"Nach meinem Zivildienst hatte ich neun Monate Zeit, bis mein Studium beginnen sollte. Und in dieser Zeit wollte ich etwas machen, was ich später nicht mehr machen kann." So lakonisch begründet der 23-jährige Autor David Wigand seine zehnwöchige Auszeit in Nordnorwegen. Eben diese zehn Wochen hat Wigand in seinem Buch "Elchtest in Norwegen - Ein Winter irgendwo in Trondelag" verarbeitet. Am Freitag gastierte der Steinwender Wigand in der Kirkeler Kultkneipe "Tante Milli", um zahlreichen Gästen bei einem norwegischen Büfett von seinen Erlebnissen in der nur meteorologisch kühlen Fremde zu erzählen. Eingeladen hatte Milli-Chefin Christina Kessler, die Lesung selbst war Auftakt zum 60-jährigen Jubiläum der "Milli".

So stand nicht nur Wigands Auftritt im Mittelpunkt des Freitagabends, sondern auch die Erinnerung an sechs Jahrzehnte Theken-Kultur. Kirkels Ortsvorsteher Patrick Ulrich und Christina Kessler selbst erinnerten an die Vergangenheit, an frühere Besitzer, an die Bedeutung der Kneipe für die Dorfkultur. Dieser Bedeutung sangen dann auch Ehren-Kerwepfarrer Alexander "Schorsch" Georg und Gitarrist Flo mit dem Song "Das kann uns keiner nehmen" von Revolverheld eine Hymne.

Dann stand David Wigand und sein Norwegen im Mittelpunkt. Im Gespräch mit unserer Zeitung sprach Wigand, gefragt, warum es ihn nicht in hippe Metropolen wie New York oder London gezogen hätte, von einer "Grenzerfahrung", die er habe machen wollen. "Ich wollte ins Dunkle, ins Kalte, in die Einsamkeit. Und da ist mir Norwegen eingefallen. Und das war auch richtig so."

Die Erfahrungen als Helfer auf einem Hof im hohen Norden, abseits jeglichen Zivilisationstrubels, hätten ihn verändert, erzählte Wigand. "Man findet sich neu. Als ich zurückkam, war ich ein anderer Mensch." Am deutlichsten wird diese Selbsteinschätzung Wigands wohl am danach gewählten Berufsweg. Wollte er vor Norwegen in Saarbrücken Psychologie studieren, wurde es nach Norwegen Südostasien-Wissenschaften in Berlin. "Das hat etwas mit Reisen und anderen Kulturen zu tun. Und genau das hat mir in Norwegen gut gefallen."

Der Weg von der intensiven Reiseerfahrung zum Reisebuch habe sich fließend ergeben. "Während meines Aufenthaltes in Norwegen habe ich eigentlich alles aufgeschrieben, was ich an Bemerkenswertem und Skurrilem erlebt habe. Ich wollte einfach nichts davon vergessen." Nach vier, fünf Wochen habe er dann gemerkt, dass seine Aufzeichnungen sehr umfangreich wurden. "Also habe ich die Aufzeichnungen einfach als Buch zusammengefasst und an drei Verlage geschickt. Und zwei wollten die Geschichte herausbringen." So wurde aus dem Norwegen-Reisenden David Wigand der Reiseschriftsteller Wigand.

Dass Wigand auch als Leser überzeugen konnte, davon erzählte der Freitag ein weiteres schönes Kapitel in der Geschichte der "Milli". Unaufgeregt stützte sich Wigand auf seine witzig-lakonischen Schilderungen aus dem Land des Elchs - und bestätigte damit Christina Kesslers Einschätzung: "David Wigand ist ein spannender Typ, der die Zuhörer mit seiner unkomplizierten, frischen Art richtig begeistert."

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