Zwerchfell-Therapie und lyrische MomenteStimmakrobatik mit clownesken Fantasien

Homburg. Der Ziellauf der Homburger Kammermusiktage im Saalbau begann am vergangenen Freitag zunächst mal mit einer Zwerchfell-Therapie des Musik-Kabarettisten Michael Sens. Als Sänger, Geiger, Pianist und Verwandlungskünstler hatte er über zwei Stunden die Lacher auf seiner Seite. Spott, so verkündete er, sei die höchste Form der Anerkennung

Homburg. Der Ziellauf der Homburger Kammermusiktage im Saalbau begann am vergangenen Freitag zunächst mal mit einer Zwerchfell-Therapie des Musik-Kabarettisten Michael Sens. Als Sänger, Geiger, Pianist und Verwandlungskünstler hatte er über zwei Stunden die Lacher auf seiner Seite. Spott, so verkündete er, sei die höchste Form der Anerkennung. So war niemand und nichts vor seinen Salven an Parodien, Pointen und Karikaturen sicher, weder der selbst ernannte Walzerkönig André Rieu beim Csardas-Fideln noch jene Klassikfans, die von Beethoven nur etwas über seine Taubheit wissen, weder Schubert mit köstlich-"weanerischem" Idiom beim Komponieren der "Winterreise" noch Andrew Lloyd Webber mit seiner arg dünnen Phantom-Soße. Die gewaltige geistige und physische Leistung von Michael Sens wurde mit großem Beifall belohnt. Am Samstagabend zeigten sich die Sopranistin Salome Kammer und ihr Klavierpartner Robert Kulek in den von Maurice Ravel (1875-1937) feinsinnig nachempfundenen "Chants populaires" zwischen volkstümlicher Einfachheit und impressionistisch-komplexer Faktur auf einer gestalterischen Höhe, die auf Bewunderung stieß. So starke lyrische Momente wie der griechische "Tripatos", worin ein Vater seine todkranke Tochter ablenkt, sie sei schön wie eine Königin und würde bald einen Bräutigam finden, oder die Totenklage "Kaddisch" aus "Deux mélodies hébraques" werden noch lange im Gedächtnis haften bleiben. Das Duo hatte sich mit Weill und Brahms bereits im KuHof bestens eingeführt, wogegen der Ausnahme-Geiger Ingolf Turban und der Pianist Jascha Nemtsov in diesem Programm erstmals zusammen auftraten. Im Foyer warteten die Einspielungen der Paganini-Konzerte mit dem noch wenig bekannten Geiger auf Kundschaft. Als das Duo die recht eingängigen Stücke mit jiddischem Hintergrund von Joseph Achron (1886-1943) und Lazare Saminsky (1882-1959) zu großer Kunst hoch stilisierten, als das finale "Caprizioso" aus der dreiteiligen Suite opus sieben von Alexander Weprik (1899-1958) seine virtuosen Funken versprüht hatte, waren zur Pause plötzlich alle Paganini-CDs vergriffen. Ingolf Turbans betörende, von feinem Vibrato unterstützte Gesanglichkeit auf seiner Violine und die virtuose Unbestechlichkeit von Jascha Nemtsov auf dem Klavier adelten auch das abschließende Konzert D-Dur für Klavier, Violine und Streichquartett des französischen Spätromantikers Ernest Chausson (1855-1899). Als sein wichtigstes, 1891 vollendetes Kammermusikwerk mag es auf den heutigen Hörer etwas überladen und schwülstig wirken. Immerhin animierte es das solistische Duo und das Vogler-Quartett zu interpretatorischen Höhenflügen, die an diesem Abend auch ein Aufnahmeteam des SR interessierten. Homburg. Mit einer heiteren Sonntagsmatinee und vielen musikalischen Überraschungen gingen gestern im Saalbau die "14. Homburger Kammermusiktage" zu Ende. Alle Mitwirkenden, die bei der Eröffnung, im Mittwochkonzert, im Mörsbacher KuHof und am Samstag für unvergessliche Höhepunkte gesorgt hatten, verabschiedeten sich von ihrem Publikum mit einer Besonderheit. Salome Kammer faszinierte mit kaum zu überbietender Sprachakrobatik in den sechs Dada-Gedichten (1916) von Hugo Ball und mit Heine-Liedern von Mendelssohn, die Aribert Reimann in seiner Bearbeitung für Singstimme und Quartett in ein neuartiges Klanggewand hüllte. Geiger Ingolf Turban begeisterte zusammen mit Zuhörern aus dem Saal in einer urkomischen Orchesterprobe. Eduard Brunner zeigte in der clownesken Solo-Fantasie seines Schülers Jörg Widmann, was eine Klarinette mit neuen Anblas- und Obertontechniken so alle vermag. Er war im Finale mit Jascha Nemtsov im Klavier- und dem Vogler-Quartett im Begleitpart einmal mehr Garant für eine herausragende Interpretation in der Ouvertüre über hebräische Themen von Prokofiew. Wie sagte doch Primarius Tim Vogler beim Abschied: "Nach dem Konzert ist bereits vor dem Konzert." Der große Schlussapplaus war somit auch Ausdruck der Vorfreude. ic

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