Zum Abschluss durften die Tasten tanzen

Homburg · Am vergangenen Wochenende sind die Kammermusiktage in Homburg zu Ende gegangen. Die letzten drei Konzertabende hatten es in sich. Das israelische Klavier-Duo Sivan Silver und Gil Garburg setzte einen besonderen Schlussakkord.

 Die saarpfälzischen Kammermusiktage endeten am Montag mit einem gemeinsamen Auftritt des Vogler-Quartetts mit dem israelischen Klavier-Duo Sivan Silver und Gil Garburg. Foto: Thorsten Wolf

Die saarpfälzischen Kammermusiktage endeten am Montag mit einem gemeinsamen Auftritt des Vogler-Quartetts mit dem israelischen Klavier-Duo Sivan Silver und Gil Garburg. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Die kühlen Regengüsse am Wochenende knipsten die letzten spätsommerlichen Sonnenstrahlen aus und mit ihnen letzte Glanzlichter der Internationalen Kammermusiktage in Homburg. Am Freitagabend schenkte das Vogler-Quartett der großen Zuhörergemeinde in der protestantischen Stadtkirche in Homburg eine berührende Interpretation der so genialen wie rätselhaften "Kunst der Fuge" BWV 1080 von Johann Sebastian Bach (1685-1750).

Die Geiger Tim Vogler und Frank Reinecke, der Bratschist Stefan Fehland und der Cellist Stephan Forck überzeugten in wechselnden Besetzungen zwischen zweistimmigen Kanons und drei- bis vierstimmigen Fugen mit einer durchgängigen Musikdramaturgie und einer transparenten Darstellung von Bachs kontrapunktischen Künsten. Die Zuhörer hätten nach dem ergreifenden Schlusschoral "Vor deinen Thron tret' ich hiermit" noch länger als die anderthalbe Stunde zugehört, wenn Bachs Vermächtniswerk in der letzten Trippelfuge nicht plötzlich abbräche. Dort vermerkte der Sohn Carl Philipp Emanuel: "Über dieser Fuge, wo der Name BACH im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfasser gestorben."

Ein tödliches Dreiecksverhältnis

Am Samstagmorgen ging es im ausverkauften Konzertsaal der Zweibrücker Fasanerie um das Beziehungsgeflecht, das die Meisternovelle "Kreutzersonate" von Lew Tolstoi (1828-1910) mit gleichnamigen Musikwerken verbindet, mit der Violinsonate A-Dur op. 47 von Ludwig van Beethoven (1770-1827) und mit dem ersten, 1923 vollendeten Streichquartett von Leo¨ Janáek (1854-1928). Die pointierte Sprechkunst des Schauspielers Till Weinheimer leuchtete dabei das tödlich endende Dreiecksverhältnis zwischen Posdnyschew, seiner Frau und dem jungen Geiger Truchatschewsky bis in die letzte Sprachgeste und Regung aus. Er verblüffte das Auditorium mit seiner Fähigkeit, den sich steigernden Prozess der Eifersucht zwischen banalen Wahrnehmungen, psychischer Traumata und der Mordhandlung wie ein unerbittliches Drama darzustellen. Davon angeregt spielten der Geiger Frank Reinecke und der Pianist Caspar Frantz nach der langsamen Doppelgriff-Einleitung jenes "vermaledeiten" Presto aus dem ersten Satz von Beethovens "Kreutzersonate", das die bohrende Eifersucht Posdnyschews auslöste.

Janáeks Streichquartett hingegen bezieht sich auf die Tolstoi-Novelle und befasst sich in vier Episoden mit dem Schicksal der gequälten Frau. Das Vogler-Quartett schilderte in der exaltierten Tonsprache des Komponisten mit bewundernswertem Einfühlen ihren überreizten Zustand zwischen erster Begegnung mit dem Geiger und der Katastrophe.

Zustände innerer Zerrissenheit prägten auch die Hauptwerke im Konzert am Sonntagabend. Das Streichquartett f-Moll op. 95 von Ludwig van Beethoven (1770-1827) zu Beginn gestaltete das Vogler-Quartett als erschütterndes Dokument einer tiefen und ausweglos scheinenden Lebenskrise, in der sich der Komponist 1810 befand. F-Moll ist auch die elegische Grundtonart der Klavier-Fantasie zu vier Händen, die Franz Schubert (1797-1828) wenige Monate vor seinem Tod vollendete in Erinnerungen an glückliche Augenblicke auf dem Esterházy-Schloss in Zseliz, aber auch an die unerwiderte Liebe dort zu seiner Schülerin Comtesse Caroline, worüber er ein Leben lang trauerte.

Nach so viel Herzeleid wollte das israelische Klavier-Duo Sivan Silver und Gil Garburg im Nachkonzert die Tasten mal tanzen lassen. Sie taten es zur Begeisterung des Publikums im virtuosen Taumel der berühmten "Malguea" aus der Suite "Andalusia" Suite des Kubaners Ernesto Lecuona (1895-1963).

Zum Abschluss Beethoven

Das israelische Duo, das auch im Leben ein Paar ist und mit Lehr- und Konzertaufträgen zwischen Granz und Berlin pendelt, bestritt den Hauptteil des Abschiedkonzertes am Feiertagsmontag im Saalbau. Die "Große Fuge" B-Dur von Ludwig van Beethoven (1770-1827) aus dem Jahre 1825 in eigener Bearbeitung für Klavier zu vier Händen op. 134 spielten Silver und Garburg auf Schwindel erregend technischer Höhe, dazu mit ihren 741 Takten ganz auswendig. Im melancholischen, vierhändigen Rondo A-Dur op. 107 (D 951) tauchten sie mit ihren Zuhören ein in jene verklärten Erinnerungen an Caroline von Esterházy, die Franz Schubert kurz vor seinem Tod bewegten.

Es war der rechte Background für die Wehmut, mit der Sibylle Kößler als Vorsitzende der Kammermusikfreunde Saarpfalz vor dem letzten Stück das Vogler-Quartett, seine musikalischen Gäste und das treue, wieder zahlreich erschienene Publikum verabschiedete. Das Streicheroktett op. 20 von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) in der Bearbeitung von Carl Burchard für Klavier zu vier Händen und Streichquartett bot den glanzvollen Schlussakkord einer von vielen Glanzlichtern verwöhnten Festivalwoche.

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