Zahn der Zeit nagt an Dokumenten Hilfe bei Aufarbeitung der Stadtgeschichte

Homburg. In einem Archiv lauern viele Feinde, dem Laien fallen sie in der Regel erst einmal gar nicht auf. Alltagsgegenstände können das sein wie rostende Büroklammern, die das Papier und damit das darauf Geschriebene zerstören. Tesafilm, der Risse kitten sollte, aber nun vergilbt und unlösbar mit dem darunter Gedruckten verbunden ist

 Heribert Anna (hinten links) und Hans Joseph Britz blättern in alten Büchern und Zeitungen. Foto: Thorsten Wolf

Heribert Anna (hinten links) und Hans Joseph Britz blättern in alten Büchern und Zeitungen. Foto: Thorsten Wolf

Homburg. In einem Archiv lauern viele Feinde, dem Laien fallen sie in der Regel erst einmal gar nicht auf. Alltagsgegenstände können das sein wie rostende Büroklammern, die das Papier und damit das darauf Geschriebene zerstören. Tesafilm, der Risse kitten sollte, aber nun vergilbt und unlösbar mit dem darunter Gedruckten verbunden ist. Da braucht es keinen spektakulären Einsturz wie den in Köln, um Schätze zu zerstören. Der Verfall läuft schleichend. Heribert Anna, stellvertretender Archiv-Leiter, und Hans-Joseph Britz kennen viele Beispiele dafür, was das im Homburger Stadtarchiv über viele Jahre sorgsam Zusammengetragene bedroht. Schlechte Kopien, die so ausgeblichen sind, das nichts bleibt als das Titelblatt. Wie in der Arbeit zur Geschichte des Schlosses Karlsberg aus dem Jahr 1955, dort blättert der Betrachter nur noch in leeren Seiten. Vermutlich sei Säure dafür verantwortlich, sagen die beiden. Ein typisches Problem, das gerade nicht die ganz alten Dokumente trifft, sondern eher die relativ jüngeren Datums. "Viele Bücher, die nach 1840 gedruckt wurden, zerfallen zu Staub", zitiert Anna einen Artikel über amerikanische Bibliotheken. Und zeigt damit: Diese Probleme gibt es überall. Schuld daran ist Säure. Die steckt nämlich im Papier, seit man damit begann, Holz als Rohstoff zur Herstellung zu benutzen. In Homburg seien vor allem einige Bände des Zeitungsarchivs aus den 1920er Jahren völlig am Zerfleddern, informiert Anna. "Man traut sich nicht, diese in die Hände zu nehmen", fügt Britz hinzu. Aber auch historische Fotos sind bedroht. "Nach 100 Jahren werden sie glänzend und verlieren sich langsam", erläutert er. In der Regel lagern die Dokumente, aber auch thematisch geordnete Zeitungsausschnitte oder Kopien in Pappschachteln. Nur für wenige, sehr wertvolle historische Überbleibsel gibt es abschließbare Schränke, und nur einige von diesen sind aus Metall, würden also auch Feuer und wohl einem Wassereinbruch Stand halten. Annas und Britz' größte Sorge ist dies momentan allerdings nicht. Sie fürchten den Vandalismus von außen. Schon mehrfach sei etwas passiert: Das Lager und der Keller wurde aufgebrochen, der Feuerlöscher im Flur geleert. Dabei werden hier so einige Schätzchen aufbewahrt. Ein handgeschriebenes und reich verziertes Rechnungsbuch der Stadt Homburg für das Haushaltsjahr 1711 zum Beispiel oder die Originalakten des Homburger Waisenhauses, das von 1755 bis 1793 im Gebäude der heutigen Hohenburgschule untergebracht war. Auch frühe Sitzungsprotokolle des Homburger Stadtrates ab 1820 und vor allem eine Gesamtausgabe der Homburger Zeitung "Deutsche Tribüne", herausgegeben von Johann Georg August Wirth aus dem Jahr 1832, gehören zu den Besonderheiten. "Wir rechnen schon damit, dass jetzt die Frage nach der Sicherung der Schätze, die wir haben, mehr ins Gespräch kommt", verweist Anna auf eine mögliche Folge der Ereignisse in Köln. Denn auch, was eine Zusatzsicherung etwa auf Mikrofiche angeht, gibt es in Homburg noch viel zu tun. Da gebe es zurzeit ein Projekt am Landesarchiv, sagen sie. Am Sichern sei man grundsätzlich dran, es existierten PC, Laptop und externe Festplatte. Zudem solle eine eigene Internetseite entstehen - federführend ist hier der Mitarbeiter Gerhard Schwenk. Auch Fotos werden digitalisiert. Es bleibt aber die Frage, wie lange das alles hält. Anna hält sich hier auf dem Laufenden. Bei Mikroverfilmungen gehen Experten, das zeigen Artikel, die er gesammelt hat, von einer Haltbarkeitsdauer von mehreren hundert Jahren aus, bei anderen Datenträgern könne diese auch wesentlich kürzer sein. Derzeit sei man daran, die Suche so zu digitalisieren, dass mit Begriffen nach dem Passenden gestöbert werden kann. Von Hand passiert das ohnehin für jedes Stück, jede Schrift, die hier ankommt. Denn in einem Archiv müssen Dinge nicht unbedingt zerstört werden. Für die Nachwelt ist auch das verloren, das nicht zu finden ist. Homburg. Woher kommt der Begriff Berliner Wohnpark? Woher Reiskirchen? Wie lief sie ab, die Geschichte der Birkensiedlung? Mit diesen und vielen anderen Fragen kommen Bürger ins Homburger Stadtarchiv. Bei ihrer Suche oder Forschung bekommen sie auch Unterstützung vom Personal. Das Archiv ist eine Präsenzbibliothek, das heißt, Bücher, Zeitungen, Dokumente oder anderes können eingesehen, aber nicht entliehen werden. Grundsätzlich sei es Aufgabe des Archivs, das Homburger Zeitgeschehen zu dokumentieren und bei der Aufarbeitung der Stadtgeschichte Hilfestellung zu leisten, heißt es. Aufbewahrt werden hier etwa historische Werke, Bücher über Homburger Themen, solche von Homburger Autoren und Vereins- sowie Festschriften. Gesammelt werden auch Zeitungsausschnitte und komplette Jahrgänge etlicher Zeitungen. Zu den Beständen zählen zudem Urkunden, Akten, Rechnungen, Grundbücher bis zum Jahr 1945. Zudem lagern hier Karten/Pläne ab Mitte des 17. Jahrhunderts, Plakate und Verwaltungsdruckschriften wie Amtsblätter. Darüber hinaus gibt es ein Fotoarchiv, Nachlässe, eine Gesamtausgabe der Zeitung "Deutsche Tribüne" von 1832 und die Verwaltungsakten des ehemaligen Waisenhauses Homburg.Aufbewahrt wird dies alles in der Kaiserstraße im ehemaligen Rathaus, Hauptraum ist der ehemalige Sitzungssaal. Insgesamt verfügt das Archiv über sechs Räume inklusive des Lagers. Das Gebäude teilt es sich mit anderen Mietern, unter anderem mit einem Taubenschlag.Historische Dokumente lagern auch noch an anderen Orten: die über Stadtratssitzungen ab 1946 etwa im Rathaus Am Forum. Zudem habe, so Heribert Anna, jede Behörde ihr eigenes Archiv. Weitere Nachkriegsdokumente, zum Beispiel zur Entschädigung, werden in den Räumen des ehemaligen Bauamtes aufbewahrt. Der Gesamtumfang der im alten Rathaus, im Rathaus II und im Rathaus Am Forum aufbewahrten Archivalien entspreche 1800 Regalmetern, wenn alles Vorhandene wie Bücher, Ordner, Dokumente hintereinander gelegt würde. ustDas Stadtarchiv Homburg in der Kaiserstraße 41 im ehemaligen Rathaus ist dienstags, 8.30 bis 11.30 Uhr, für alle Bürger geöffnet. Termine auch nach Vereinbarung, Tel. (06841) 99 46 25, Fax (06841) 8 09 03 97, E-Mail stadtarchiv@homburg.de. Archiv-Leiter ist Klaus Kell, sein Stellvertreter Heribert Anna.

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