„Wir können weiter Vertrauen in Europa haben“

Homburg · Der Publizist und Soziologe Alfred Grosser hatte die Festrede auf den ersten Träger des Siebenpfeiffer-Preises gehalten. Gestern war Grosser erneut in Homburg zu Gast – zum Jubiläum der Homburger Siebenpfeiffer-Stiftung.

 Alfred Grosser war weine Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft. Foto: Wolf

Alfred Grosser war weine Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft. Foto: Wolf

Foto: Wolf

Mit Professor Alfred Grosser hatte sich die Siebenpfeiffer-Stiftung mit Sitz in Homburg zur Feier ihres 25-jährigen Bestehens gestern Abend einen namhaften Festredner eingeladen. Der 1925 in Frankfurt geborene Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler war vor der Machtübernahme der Nazis 1933 mit seinen Eltern nach Frankreich emigriert, 1937 wurde er französischer Staatsbürger. Grosser machte sich zeitlebens und nachdrücklich um die deutsch-französische Verständigung verdient und gilt als einer der geistigen Wegbereiter des Élysée-Vertrages, des deutsch-französischen Freundschaftsabkommens.

In Homburg und als Gast der Siebenpfeiffer-Stiftung ist Grosser kein Unbekannter. Schon 1987 war er der Laudator für den Journalisten Franz Alt , der zwei Jahre vor Gründung der eigentlichen Stiftung den ersten Siebenpfeiffer-Preis erhalten hatte. Damit schloss sich gestern der Kreis der Stiftungsgeschichte.

In seiner Festrede gestern beleuchtete Alfred Grosser unter dem Leitbild "'Wir bauen die Freiheit, das Vaterland auf' - Siebenpfeiffer und das heutige Europa" die politische und gesellschaftliche Entwicklung der Staatengemeinschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten. Als Gründungsvater der europäischen Einigung nannte Grosser Robert Schumann . Der französische Staatsmann hatte 1950 in einem nach ihm benannten Plan eine Zusammenlegung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlproduktion angestrebt. Dieser Plan mündete schließlich in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Montanunion. Grosser: "Das war die Geburtsstunde Europas."

"Unten" gärt es



Vom Beginn der deutsch-französischen Aussöhnung als Motor des Zusammenwachsens zeichnete Grosser das Bild eines nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstehenden Europas - trennte dabei aber deutlich zwischen einem funktionierenden Miteinander auf Bürgerebene und einem kritischen Blick auf zu eigenstaatliches Denken und einer Brüsseler Verwaltung, die bei weitem in ihren Entscheidungen nicht ohne Fehl sei. Diese Fehler seien auch Gründe, warum es 'unten' gäre und es Auftrieb für europakritische Parteien gebe, erläuterte Grosser.

Der 89-Jährige zeigte sich trotzdem sicher, dass Europa auf dem richtigen Weg sei. "Hätte man zwei Jahre vor der Einführung des Euro von einer gemeinsamen Währung gesprochen, hätte das niemand geglaubt." Und weiter: "Was wir in den 50er und 60er Jahren erhofft haben, ist in so hohem Maße erfüllt worden, dass wir weiter in Europa Vertrauen haben können. Philipp Jakob Siebenpfeiffer wäre mit uns zufrieden gewesen." Auf dem Hambacher Fest im Jahr 1832 , das Siebenpfeiffer mitinitiiert hatte, war der Journalist nicht für Freiheit und Demokratie, sondern auch für ein vereintes Europa eingetreten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort