Wie aus dem Kuckucksruf ein Lied entsteht
Homburg · Bereits zum siebten Mal hat das Vogler-Quartett die Schwelle zu einer Schule überschritten, um die Ohren der Kinder an klassische Musik zu gewöhnen – nicht indem sie sie mit Samthandschuhen anfassten, sondern indem sie bildhaft von musikalischen Geheimnissen erzählten.
Einen etwas anderen Musikunterricht erlebten gestern Schüler des Homburger Mannlich-Gymnasiums. Im Rahmen der 20. Auflage der Homburger Kammermusiktage gastierte das Vogler-Quartett in der Aula. Mit seinem mittlerweile siebten Besuch in einer Schule in der Region zeigte das Quartett in der Besetzung Tim Vogler (Violine), Frank Reinecke (Violine), Stefan Fehlandt (Viola) und Stephan Forck (Violoncello) wieder einmal großes Engagement für Kinder und Jugendliche. Ziel ihres Gastspiels war es, Schüler aus den Klassen sechs, sieben und zehn in die Welt der Musik und der Instrumente einzuführen.
Das Quartett habe ein Programm aus einer Zeit vor 250 Jahren vorbereitet, "das ihr so schnell nicht mehr hören werdet", kündigte Musiklehrer Stefan Müller das Kommen der vier professionellen Musiker an. Doch diese alte Zeit sei der Schule als "musikalisches Gymnasium" überhaupt nicht fremd, wies er auf Namensgeber Christian von Mannlich hin, der plötzlich in Person von Schulleiter Wolfram Peters im passenden Outfit und mit Perücke im Raum stand. "Mannlich ist aus dem Grab entstiegen", stellte Müller fest. "Wir wollen den Kindern, die privat so nicht in ein Konzert mit klassischer Musik gehen, die Möglichkeit geben, ein renommiertes Quartett aus nächster Nähe kennenzulernen und sie mit Musik in Kontakt kommen zu lassen ", erklärte Lehrerin Catrin Stöck, die selbst im Homburger Sinfonieorchester Geige spielt und das Gastspiel des Vogler-Quartetts vermittelt hat.
"Woraus besteht Musik?", fragte Tim Vogler zu Beginn in die Runde. "Aus Noten, aus Tönen, aus einer Melodie", lauteten die Antworten aus den Reihen der Schüler. Die vier Musiker , die seit 30 Jahren zusammenspielen, erklärten den Kindern anhand einer Fuge von Bach (Vogler: "Ein Meisterwerk der Musik"), woraus Musik besteht und wie man die Tonleiter rauf- und runterspielt. Und so erlebten die Schüler mit den beiden "Schauspielern" Stefan Fehlandt als Fürst und Frank Reinecke als sein Hofkompositeur Haydn, wie in kurzer Zeit unter anderem aus dem Muhen einer Kuh, Vogelgezwitscher, dem Klappern von Pferdehufen und dem Kuckucksruf eine Komposition entsteht. Nicht fehlen durfte die von Haydn komponierte Nationalhymne. Die vier renommierten Musiker stellten den Kindern, Lehrern, einigen Gästen sowie Vertretern der Kammermusikfreunde Saar-Pfalz die einzelnen Instrumente vor und zeigten auf spielerische Art und Weise, welche unterschiedlichen Klänge man Violine, Viola und Violoncello entlocken kann. Nach der temperamentvollen Eröffnung am vergangenen Freitag im Saalbau gastierten die Internationalen Homburger Kammermusiktage am Samstag in der Zweibrücker Festhalle. Dort erwartete das Vogler-Quartett mit Amacord eines der führenden Männer-Vokalensembles in Werken von Franz Schubert , Bernd Franke und James McMillan.
Das Trio Imàge mit Geigerin Gergana Gergova und ihre Partner Thomas Kaufmann am Cello sowie Pavlin Nechev am Klavier erspielte sich am Sonntag in "Rubly's Werkstatt" in Homburg die besondere Zuneigung des Publikums in Haydns spätem C-Dur-Trio und in den umjubelten "Vier Jahreszeiten von Buenos Aires" des argentinischen Tangospezialisten Astor Piazolla. Dagegen hatten es die vom Vogler-Quartett mit irrealen Klängen fein nachgezeichneten "Drei Stücke für Streichquartett" von Igor Strawinsky etwas schwer wie auch der subtil agierende Pianist Matan Porat in der von Todeserlebnissen umschatteten "Sonata 1. X. 1905" von Leo Janáek.
Die protestantische Stadtkirche in Homburg bot den optischen und akustischen Rahmen für ein bemerkenswertes Konzert am Montagabend, das mit natürlichen und elektronisch verfremdeten Klängen die Sensibilität der Musiker ebenso forderte wie die der vielen Zuhörer. Stephan Braun etwa spielte zu Beginn seiner vier Improvisationen sein elektronisch verstärktes Cello über den Knien liegend wie eine Gitarre. Zwischen neobarocken Figurationen und mitreißenden Free-Jazz-Episoden bewegten sich auch die folgenden Improvisationen mit einer Palette ausgeklügelter Schlagzeugeffekte auf dem Korpus des Instruments, nicht zuletzt mit den Möglichkeiten übereinander geschichteter Backgrounds in der Elektronik bis zu orchestraler Fülle.
Die neuen Klangmöglichkeiten schienen dem Vogler-Quartett Vergnügen zu bereiten. So genossen die vier Herren mit ihren Zuhörern die von Debussy abgelauschte Klangraffinesse des "très doux" gespielten Kopfsatzes, die Scherzo-Pizzicati des zweiten, die betörend klingende Rhapsodik des dritten und die klanglichen Eruptionen im Finalsatz.
Klangsensibilität forderte auch das Stück "Cymbeline" für Mandoline und Streicher des britisch-amerikanischen Komponisten David Bruce (geboren 1970). In den drei Sätzen "Sonnenaufgang", "Mittagssonne" und "Sonnenuntergang" stimmten der israelitische Mandolinenvirtuose Avi Avital und das Vogler-Quartett in gemäßigter Moderne einen einzigen Hymnus auf das leuchtende und Leben spendende Himmelsgestirn an, zwischen zaghafter Morgenstimmung, höchster Leuchtkraft im Tageszenit und zuletzt einkehrender Nachtruhe bei liegenden Bögen und ruhendem Plektron. Rauschender Beifall und begeisterte Bravo-Rufe waren der Lohn für einen experimentierfreudigen Konzertabend.