Wer sich erinnern kann, war damals noch ein Schulbub

Homburg. Es gibt noch Homburger Bürger, die sich an den 9. November 1938 erinnern. Damals, als SA-Leute in Uniform in das Stoffgeschäft von Aaron Salmon in der Homburger Eisenbahnstraße eindrangen, dicke Stoffballen aus dem Laden auf die Straße zerrten und anzündeten. Die Fenster des Geschäfts hatten sie schon zuvor zertrümmert

 Kenntnisreich führt der Theologe Josef Britz auch am 9. November auf den jüdischen Spuren durch Homburg. Foto: Bernhard Reichhart

Kenntnisreich führt der Theologe Josef Britz auch am 9. November auf den jüdischen Spuren durch Homburg. Foto: Bernhard Reichhart

Homburg. Es gibt noch Homburger Bürger, die sich an den 9. November 1938 erinnern. Damals, als SA-Leute in Uniform in das Stoffgeschäft von Aaron Salmon in der Homburger Eisenbahnstraße eindrangen, dicke Stoffballen aus dem Laden auf die Straße zerrten und anzündeten.Die Fenster des Geschäfts hatten sie schon zuvor zertrümmert. Einige Homburger Schulbuben standen an der Ecke und schauten dem Treiben zu, wurden dann aber von den SA-Leuten weggescheucht. Irgendwie waren wohl selbst die SA-Leute der Meinung, dass es kein Anblick sei für Kinder, wenn man Menschen aus ihren Wohnungen zerrt und ihr Hab und Gut in Brand setzt.

Oder war es nur die Befürchtung, die übrigen Bürger würden dieses brutale Vorgehen am Ende nicht billigen? Spätestens nach dem 9. November wussten die Nazis jedoch, dass sie sich nun alles erlauben konnten, der erste Schlag gegen die jüdischen Mitbürger war getan, was folgte, war nur noch die Vollstreckung des Ungeheuerlichen.

Daher gilt der 9. November zu Recht als der Tag, an dem das Verbrecher-Regime sein wahres Gesicht zeigte. In dieser Woche jährt es sich zum 74. Mal, dass in ganz Deutschland Synagogen geschändet, Wohnungen und Geschäfte jüdischer Familien verwüstet und in Brand gesteckt wurden.

Die Jugendorientierte Stadt Homburg (Josh) lädt mit den christlichen Kirchen in Homburg alle Interessierten zum Gedenken an die Opfer von damals ein.

Die Veranstaltung beginnt am Freitag, 9. November, um 16 Uhr in der protestantischen Stadtkirche in Homburg. Als Gastredner spricht Pfarrer Heintz, der Alex Deutsch vor vielen Jahren davon überzeugen konnte, seine wichtige Arbeit als Zeitzeuge aufzunehmen. Schülerinnen und Schüler der AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums gestalten die Veranstaltung mit Gedichten und Texten mit. Die musikalische Begleitung übernimmt der A-Cappella-Chor von Sing' n Swing.

Nach dem Veranstaltungsteil in der Stadtkirche gehen die Besucher Gedenken gemeinsam zur Ruine der ehemaligen Synagoge in der Klosterstraße. red

Von der ehemaligen Synagoge aus bietet Hans-Joseph Britz für die Abteilung Denkmalpflege der Stadt im Anschluzss an die Gedenkveranstaltung eine Führung durch das jüdische Homburg an.

Auf einen Blick

1950 wurde in Saarbrücken der Prozess über die Zerstörung der Homburger Synagoge geführt. Eine Klärung war nicht möglich, denn, wie der Richter betonte, habe er "noch selten Angeklagte erlebt, die so zusammenhielten und Zeugen, die so wenig auszusagen wagten". Die Zeugen waren die Oppenheimers, die in dem Eckhaus Klosterstraße/Saarbrücker Straße wohnten und genau gesehen hatten, was an der Synogoge passiert war. Familie Oppenheimer wurden bald nach der Pogromnacht nach Auschwitz deportiert und überlebte dort die Hölle. Die Überlebenden hatten, ebensowenig wie viele andere Juden, kein Interesse daran, die Täter anzuzeigen. In Auschwitz überlebte man nur, wenn man den Mund hielt. Die Angst vor Vergeltung saß zu tief. maa

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