Geschichte des Saarpfalz-Kreises Was Herzog Christian IV. im Kreis bewegte

Er war einer der schillerndsten Landesherren in der Riege Zweibrücker Regenten. Am 16. September wäre er 300 Jahre alt geworden. Sein Wirken war einprägsam und hallt nach.

 Herzog Christian IV. (1722-1775) auf einem Gemälde von Johann Christian Mannlich im Römermuseum Schwarzenacker.

Herzog Christian IV. (1722-1775) auf einem Gemälde von Johann Christian Mannlich im Römermuseum Schwarzenacker.

Foto: Martin Baus

Auf der einen Seite stellte er den aufgeklärten Herrscher fast wie aus dem Bilderbuch dar, der sich nicht mehr von Gottes Gnaden in sein Amt versetzt sah. Dem Allgemeinwohl verpflichtet, war er seinem Selbstverständnis nach vielmehr Repräsentant eines Staates, der nach den Prinzipien der Vernunft zu funktionieren hatte. Auf der anderen Seite war er dennoch absolutistischen Neigungen nicht ganz und gar abhold, Neigungen, die beispielsweise in prachtvoller Hofhaltung, heilloser Verschuldung, uferloser Jagdleidenschaft oder sogar obskuren alchemistischen Experimenten ihren Ausdruck fanden. Die Rede ist von Christian IV., der für das Pfalz-Zweibrücker Land 40 Jahre lang als Herzog amtierte und der sicherlich einer der illustresten Landesherrn in der langen Reihe der Zweibrücker Regenten war. Seine Regierungszeit war für die Region eine Ära des Friedens, des wachsenden Wohlstandes, der kulturellen Entfaltung und der administrativen Reformen, wobei vor allem die besondere Affinität zu Frankreich das Handeln Christians IV. bestimmte. Am 16. September jährt sich der Geburtstag des Regenten, der auch für die Saarpfalz und speziell für die Entwicklung von Homburg eine wichtige Rolle spielte, zum 300. Mal. Das Zweibrücker Stadtmuseum wird aus diesem Anlass eine Ausstellung präsentieren, die auch seine besondere Bedeutung auf die saarpfälzische Region reflektiert.

„Zu wissen seye hiermit: Demnach zwischen dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Christian den Vierten, Pfalz Graffen bey Rhein, Herzogen in Bayern .... „, beginnt der offizielle Text des Abkommens, das für die Stadt Homburg und ihre Umgebung von einschneidender Bedeutung sein sollte. Vertragspartner des Zweibrücker Herzogs Christian IV. war Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken. Beide Landesväter verbanden mit dem Pakt die Zielsetzung, ihre Ländereien zu arrondieren und Splitterbesitz abzustoßen. Sie folgten mit diesem Schritt ganz der Mode ihrer Zeit. Denn zumeist stellten die Herrschaften keine zusammenhängenden Gebiete, Vielmehr bestanden sie bisweilen aus weit verstreuten, nicht selten winzig kleinen Arealen. Dass Wilhelm Heinrich nicht allein als „Fürst zu Nassau‟, sondern zudem als „Graf zu Saarbrücken und Saarwerden, Herr zu Lahr, Wißbaden und Idstein‟ auftrat, verdeutlicht dies ebenso wie die Zusätze, die Christian IV. mit in seinem Titel trug: „Graf zu Veldentz, Sponheim und Rappoldstein, Herr zu Hoheneck“. Die Liste ihrer Besitztümer wäre indes noch weit länger ausgefallen, was beide Regenten mit dem ausdrücklichen Zusatz „p.p.‟ abkürzten. Diese Strukturen so zu verändern, dass eine für die damaligen Zeiten modernere und effektivere Regierung und Verwaltung gewährleistet werden konnte, war die Absicht, die hinter ihren Verhandlungen im Jahr 1755 steckte. So wurden gemeinsame Herrschaften aufgelöst und kleine, von anderen Herrschaftsbereichen quasi eingeschlossene Landesteile abgestoßen. Insgesamt wurde eine Vielzahl von Vereinbarungen getroffen, die für die betroffenen Untertanen tiefgreifende Auswirkungen hatten. So kam das bisherige Amt Homburg mit Ausnahme von Oberbexbach und Mittelbexbach nunmehr in Zweibrücker Besitz. Nassau-Saarbrücken trat seinen Anteil von „fünf Neunteln‟ an Homburg, Beeden, Altstadt, Schwarzenbach und Kirrberg mit samt seiner abgabepflichtigen Untertanen ebenso an Christian IV. ab wie seine „zwei Drittel am großen Frucht- und den kleinen Lämmer-Zehnten in Schönenberg, Queidersbach, Linden, Hermersberg, Stroweiler, Holzlingen nebst der lutherischen Pfarrei zu Kirchenarnbach‟. Es ging also nicht zuletzt auch um die Rationalisierung der Steuer- und Gebührenerhebung. Zweibrücken übergab Saarbrücken im Gegenzug die Dörfer Bliesransbach und Niederbexbach sowie den Frankenholzer Hof – der Fürst von Nassau-Saarbrücken hatte sich mit dieser Regelung die Oberhoheit über den Höcherberg und dessen Kohlevorkommen gesichert. Komplettiert wurde die Gebietsreform aus Zweibrücker Sicht auch dadurch, dass Nassau-Weilburg seine Anteile von vier Neunteln am Amt Homburg, an Altstadt, Kirrberg, Beeden und Schwarzenbach ebenfalls abtrat – im Gegenzug übereignete Zweibrücken die in der Nähe der Weilburgischen Herrschaft Kirchheim liegenden Orte Alsenz, Niederhausen und Winterborn. Apropos Altstadt: Der für Zweibrücken bis dahin so einträgliche Grenzübergang an der imposanten Neunbogenbrücke über die Blies in Limbach wurde damit aufgehoben – womit auch die viele Jahrhunderte lange Zugehörigkeit der beiden gegenüberliegenden Ortschaften zu unterschiedlichen Staaten vorbei war.

Wirksam wurde der nunmehr als „Homburger Austausch‟ bezeichnete Kontrakt am 8. Dezember 1755, für Zweibrücken unterzeichnete Minister Hans Asmus von Esebeck, für Saarbrücken Georg Wilhelm von Maldiß (1705-1760), jener Jägermeister, der als das wilde Schreckgespenst Maldix bis heute in saarländischen Sagen herumgeistert. Zahlreiche Grenzsteine, als Quader aus Buntsandstein gehauen, sind mit der eingehauenen Jahreszahl 1756 und den Hoheitszeichen der beiden Ländchen Zeugen dieser neuen territorialen Einteilung. Für die betroffenen Orte hatte die Übereinkunft teilweise nachhaltige Konsequenzen; insbesondere für Homburg, das bis dahin ein eher kümmerliches Dasein geführt hatte, erfuhr von Zweibrücken nun gründlich Entwicklungshilfe.

Vor allen Dingen die Einrichtung eines Waisenhauses, das Christian IV. eigentlich schon für Zweibrücken geplant hatte, sollte dem bis dahin unbedeutenden Flecken als erstes Projekt ungeheuren Auftrieb geben. Es entstand in jenem Gebäude, aus dem später die Hohenburgschule wurde. Das geschichtsträchtige Gebäude war in der Reunionszeit vor 1700 vom französischen Militär als Spital errichtet worden.

Die Einweihung des Waisenhauses fand wenige Jahre nach dem Gebietstausch statt. Eine Textilmanufaktur war der Einrichtung angegliedert, in welcher der berühmte Homburger „Schamass“ (Siamois) hergestellt wurde. „Wir haben seit angetretener unsrer landesfürstlichen Regierung mehrmalen mit Bewegung wahrgenommen, daß noch keine öffentliche Anstalt zur Versorgung und Erziehung unsrer getreuen Unterthanen nachgelassener armer und von menschlicher Hilfe entblößter Kinder vorliege und daher schon vor Jahren auf die Errichtung eines Waisenhauses den landesväterlichen Bedacht genommen“, hieß es in der von Christian IV. unterzeichneten Stiftungsurkunde. Bis zu 100 Kinder ab einem Alter von acht Jahren konnten darin Aufnahme finden. Ihre Unterbringung war auch mit dem Ziel verbunden, sie zur Arbeit zu erziehen. Dem Waisenhaus angegliedert war ein Zuchthaus für weibliche Sträflinge und für Landstreicher („Vaganten“). Auch diese mussten in der Textilherstellung arbeiten. Weithin beliebt waren die leuchtenden Farben der Stoffe, die der aus Pappenheim in Franken zugewanderte Schönfärber Ottmann mit geschnitzten Holzstöcken eindrucken ließ. Die Produktion wurde aufgrund der großen Abnahme ständig erweitert, neben den Zöglingen des Waisenhauses und den Gefangenen waren in der Manufaktur bis zu 100 erwachsene Arbeitskräfte in der Textilherstellung in Lohn und Arbeit.

Überhaupt war dem Herzog sehr daran gelegen, durch aktive Wirtschaftsförderung in Manier des Merkantilismus die soziale Situation seiner Untertanen zu verbessern. Eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verbesserung der sozialen Verhältnisse spielte dabei eben die Gründung von Manufakturen – frühen, noch nicht mechanisierten Fabriken. Die Porzellanmanufaktur, die er 1767 im Schlösschen Gutenbrunnen bei Wörschweiler einrichten ließ, ist neben dem Waisenhaus ein weiteres Beispiel für diese Aktivitäten im Bereich der heutigen Saarpfalz. Aufgrund der nur kurzzeitigen Herstellungszeit ist das Zweibrücker Porzellan heutzutage sehr selten, sehr begehrt, deswegen sehr wertvoll und immens teuer. Ein Drittel der weltweit bekannten 230 Teile befindet sich aktuell im Zweibrücker Stadtmuseum. Diese Porzellanproduktion ist freilich auch eng verbunden mit Johann Michael Stahl, einer dubiosen Figur, die dem Herzog nicht nur das begehrte filigrane Geschirr lieferte, sondern ihn auch um unermessliche Geldmengen prellte. Christian IV. war ein großer Anhänger der Alchemie und ging als solcher Stahl gehörig auf dem Leim, weil dieser sich „im Besitz außergewöhnlicher alchimistischer Geheimnisse, jener adeptischen Kenntnisse, aus schlechtem Erz Edelmetall, aus Edelmetall aber Gold herzustellen zu vermögen“ um eine Anstellung bemühte. Natürlich wurde es nichts aus den „unermesslich sich ergießenden Goldfluten“, die Versuche des Abenteurers, Aufschneiders und Alchemisten füllten indes gehörig dessen eigene Taschen, auf Staatskosten natürlich.

Besonderes Augenmerk richtete Christian IV. auf die Modernisierung der Landwirtschaft. Durch die Gründung von Höfen außerhalb von Ortschaften trug er zur Erschließung von bisher nur schwer erreichbarem Ackerland bei. Die neuen Hofstellen wurden häufig Mennoniten anvertraut; die Glaubensgemeinschaft der „Wiedertäufer“, die sich ohnehin durch enorme Reformfreude auszeichnete, erwies sich als Glücksgriff. Bis heute bewirtschaften deren Nachfahren noch einige dieser frühen „Aussiedlerhöfe‟. Die Gründung des Landgestütes in Zweibrücken 1755 auf Initiative des Herzogs war der Beginn einer überaus erfolgreichen Pferdezucht, die mit der Kreation eines erfolgreichen Vielzweckpferdes, des „Zweibrückers“, vor allem auch der Landwirtschaft zugutekam. In diesem Zusammenhang zu nennen ist auch der Eichelscheiderhof, der früher zu Jägersburg gehörte: Diese hufeisenförmige Anlage, die vornehmlich der Pferdezucht und -haltung diente, entstand zwischen 1752 und 1757 im Zusammenhang mit dem Bau des Jagdschlosses Jägersburg ebenfalls durch Christian IV. Von diesem Schloss sind heute nur noch wenige Nebengebäude und -einrichtungen erhalten – etwa „Hundsschwemme‟ etwa. 1773 entstand durch die von dem Regenten initiierte Körverordnung die robuste Rasse des Glanrindes, die bald große Verbreitung finden sollte und vielfach eingesetzt werden konnte – als Arbeitstier wie auch für die Milch- und Fleischproduktion.

 Zahlreiche Grenzsteine in der Region erinnern noch an den „Homburger Austausch“ anno 1756. Durch die neue Zugehörigkeit zu Pfalz-Zweibrücken erhielt die Stadt zahlreiche Impulse für ihre weitere Entwicklung.

Zahlreiche Grenzsteine in der Region erinnern noch an den „Homburger Austausch“ anno 1756. Durch die neue Zugehörigkeit zu Pfalz-Zweibrücken erhielt die Stadt zahlreiche Impulse für ihre weitere Entwicklung.

Foto: Martin Baus
 In Jägersburg ließ der Zweibrücker Herzog ein prächtiges Schloss errichten – hier in der Ansicht auf einer alten Postkarte. Die Wälder ringsum waren ein beliebtes Jagdrevier von Christian IV.

In Jägersburg ließ der Zweibrücker Herzog ein prächtiges Schloss errichten – hier in der Ansicht auf einer alten Postkarte. Die Wälder ringsum waren ein beliebtes Jagdrevier von Christian IV.

Foto: Sammlung Emser / Langner / Schwenk
 Die Hundsschwemme im Jägersburger Wald ist eines der letzten sichtbaren Überbleibsel der Jagdleidenschaft von Christian IV. In dem Becken konnten sich die zahllosen Jagdhunde des Herzogs abkühlen.

Die Hundsschwemme im Jägersburger Wald ist eines der letzten sichtbaren Überbleibsel der Jagdleidenschaft von Christian IV. In dem Becken konnten sich die zahllosen Jagdhunde des Herzogs abkühlen.

Foto: Martin Baus
 Auf Schloss Gutenbrunnen in einem Seitental des Kirkeler Waldes bei Wörschweiler ließ Christian IV. das heute so begehrte Zweibrücker Porzellan herstellen. Er ging dabei auch dem dubiosen Alchimisten Stahl auf den Leim.

Auf Schloss Gutenbrunnen in einem Seitental des Kirkeler Waldes bei Wörschweiler ließ Christian IV. das heute so begehrte Zweibrücker Porzellan herstellen. Er ging dabei auch dem dubiosen Alchimisten Stahl auf den Leim.

Foto: Martin Baus

Von Geheimnissen umwoben ist der plötzliche Tod des Herzogs am 5. November 1775 auf seinem anderen Jagdschloss Herschweiler-Pettersheim im Kuseler Land. Bis heute ist nicht geklärt, ob er an einem Jagdunfall, einer Lungenentzündung oder sogar einer Quecksilbervergiftung starb. Für sein Land begannen nun unruhigere Zeiten. Der Nachfolger auf dem Herzogsthron, Karl II. August trat nicht in die Fußstapfen seines aufgeklärten Onkels. Im Gegenteil zu diesem gebärdete er sich als absolutistischer Potentat wie aus dem Bilderbuch. Aber wohlgemerkt: Ohne den von Christian IV. vollzogenen Gebietstausch von 1755 wäre die von Karl II. August initiierte Errichtung von Schloss Karlsberg auf dem „Buchenberg“ über Sanddorf nie ein Thema geworden.

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