Projekt im Europäischen Kulturpark Reinheim Wandmalereifragmente werden virtuell rekonstruiert

 Homburg/Reinheim · Im Rahmen des Projekts „DigiGlue“ ist die Installation eines Scanners im Europäischen Kulturpark für September geplant.

 Dr. Constanze Höpken, Nicole Kasparek und Michael Ecker bei Testaufnahmen am DigiGlue-Scanner (v. l.).

Dr. Constanze Höpken, Nicole Kasparek und Michael Ecker bei Testaufnahmen am DigiGlue-Scanner (v. l.).

Foto: MusterFabrik, Berlin

Im Dezember 2019 wurde der Öffentlichkeit im Europäischen Kulturpark in Reinheim ein neues Kooperations- und Forschungsprojekt des Landesdenkmalamtes mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) und der MusterFabrik Berlin vorgestellt. Unter dem Namen „DigiGlue“ haben die Institutionen in den vergangenen eineinhalb Jahren ein IT-basiertes Assistenzsystem für die Digitalisierung und virtuelle Rekonstruktion von Wandmalereifragmenten entwickelt. Anstoß für das Projekt gab die Bergung großer Mengen von römischem, fragmentiertem Wandputz aus dem Bereich des Europäischen Kulturparks Bliesbruck-Reinheim. Dessen wissenschaftliche und restauratorische Bearbeitung sollte durch die geplante Entwicklung eines passenden Scanners erleichtert werden. „Neuartige Digitalisierungstechniken auf Grundlage neuronaler Netze ermöglichen es, in den römischen Wandbemalungen auch kleinste Bilddetails sichtbar zu machen“, erklärt Dr.-Ing. Bertram Nickolay vom Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin.

Die gemeinsame Entwicklungsarbeit konnte auch während der Corona-Pandemie ohne größere Verzögerungen weitergeführt werden. Der Scanner wurde mit dem Landesdenkmalamt und dem Europäischen Kulturpark geplant und von den Ingenieuren der Musterfabrik umgesetzt.

Die Steuerung der empfindlichen Kamera- und Scantechnik im Apparat lag in der Verantwortung des IPK, während die dazugehörigen Computerprogramme von den IT-Spezialisten der Musterfabrik geschrieben wurden.

Die von der MusterFabrik Berlin entwickelte Methodik zur 2,5-D-Digitalisierung und Reposition von Kulturgutfragmenten unterscheidet sich von der gebräuchlichen Herangehensweise in 3-D. Eine zeitintensive 3-D-Erfassung und Merkmalsextraktion der Objekte ist nicht erforderlich. Bei diesem Ansatz werden die Vorteile von 2-D- und 3-D-Verfahren effizient miteinander vereint, indem nur die aussagekräftigsten Merkmale „aus beiden Welten“ verarbeitet werden. Dabei werden alle Informationen der 2-D-Aufnahmen um die für eine Weiterverarbeitung relevanten Tiefeninformationen angereichert, was mit dem Ausdruck 0,5-D angezeigt wird.

Im Juli nun konnten sich die beteiligten Mitarbeiterinnen des Landesdenkmalamtes, Dr. Constanze Höpken und Nicole Kasparek, sowie Michael Ecker vom Europäischen Kulturpark Bliebrück-Reinheim in Berlin das Ergebnis der Arbeiten ansehen und erste Tests mit dem Gerät durchführen. Der digitale Scanner erfasst gleichzeitig die bemalte Vorderseite und die Rückseite der fragilen Wandmalereifragmente und erstellt dabei parallel eine Höhenkarte. Er arbeitet damit im 2,5 D-Bereich, was zum einen Speicherkapazität im Rechner spart und zum anderen später beim virtuellen Zusammensetzen der Fragmente am Bildschirm hilft, da sowohl die Konturen der Bemalung als auch die der Mörtelrückseite angezeigt werden. In einer Datenbank sind die Informationen zu jedem Fragment hinterlegt. Die Digitalaufnahmen der Fragmente werden mitsamt ihren Informationen in der sogenannten Repositionierungseinheit gespeichert und bieten die Grundlage für die Rekonstruktion. Die gescannten Fragmente können nach Kriterien sortiert, gedreht und aneinandergefügt werden, so dass am Bildschirm die ehemalige Wanddekoration der römischen Villa langsam wiederersteht.

Im September soll die neu entwickelte Technik in Reinheim installiert werden. Im Europäischen Kulturpark können die Besucher dann live am Bildschirm mitverfolgen, wie das hochempfindliche Kulturgut für die Nachwelt digitalisiert und materialschonend virtuell rekonstruiert wird.Das Projekt biete Perspektiven, die Landesarchäologie stärker mit einem innovativen System überregional zu vernetzen, sagt Dr. Georg Breitner, Leiter des Landesdenkmalamtes. „Daher sind wir sehr dankbar für die wichtigen finanziellen Zuwendungen, ohne die ein solches Projekt sicher nicht zu stemmen wäre.“

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