„Vor der Abifeier hatte ich Lampenfieber“

Homburg · Gegenüber dem Saarpfalz-Gymnasium wohnt Alfons Seiler, der von 1973 bis 1985 dort Schulleiter war. Er feierte am 12. November 2014 seinen 94. Geburtstag. Aus diesem Anlass besuchten ihn die Schülerinnen Giulia Di Franco und Esther Seitz zusammen mit ihrem Deutschlehrer Eberhard Jung und führten mit ihm ein Gespräch, von dem wir hier Auszüge abdrucken – ein ein Streifzug durch fast ein Jahrhundert Lebenserinnerungen.

 Die vier Schulleiter des Saarpfalz-Gymnasiums seit 1973, aufgenommen bei einer Feier zum 140-jährigen Jubiläum der Schule im Oktober 2013. Von links: Alfons Seiler (1973 - 1985), Dr. Klaus Zeßner (1985 - 1998), Dr. Jürgen Helwig (1998 - 2013) und Jürgen Mathieu (seit August 2013)

Die vier Schulleiter des Saarpfalz-Gymnasiums seit 1973, aufgenommen bei einer Feier zum 140-jährigen Jubiläum der Schule im Oktober 2013. Von links: Alfons Seiler (1973 - 1985), Dr. Klaus Zeßner (1985 - 1998), Dr. Jürgen Helwig (1998 - 2013) und Jürgen Mathieu (seit August 2013)

 Esther Seitz (links) und Giulia Di Franco aus der Klasse 8c entlocken dem früheren Schulleiter des Saarpfalz-Gymnasiums, dem 94-jährigen Alfons Seiler, Details aus seinem langen Leben. Fotos: SZ/Jung

Esther Seitz (links) und Giulia Di Franco aus der Klasse 8c entlocken dem früheren Schulleiter des Saarpfalz-Gymnasiums, dem 94-jährigen Alfons Seiler, Details aus seinem langen Leben. Fotos: SZ/Jung



Würden Sie heutzutage nochmal den Lehrerberuf wählen?

Seiler: 1939 habe ich Abitur gemacht und konnte wegen des Kriegs erst sieben Jahre später mit dem Studium beginnen. Da habe ich mich für das Lehramt an Gymnasien entschieden und meine Lieblingsfächer Erdkunde und Geschichte gewählt sowie Latein als Nebenfach, dort war der Mangel am größten. Unter den heutigen Bedingungen möchte ich auf keinen Fall mehr Lehrer sein. Wir hatten noch mehr Freiheiten und gingen um 13 Uhr aus der Schule raus. Allerdings waren bis zu 50 Schüler in einer Klasse und der Korrekturaufwand entsprechend hoch. Heutzutage ist man oft bis in den späten Nachmittag in der Schule und es klagen fast alle Lehrer über Stress, Bevormundung, Formalitäten, zu viele Konferenzen und Reibereien mit den Eltern.

Was ist die schönste, was die unangenehmste Erinnerung an Ihre gesamte Schulzeit?

Seiler: Es gab viel Schönes, aber 1973, mein erstes Jahr als Schulleiter, war für mich etwas ganz Besonderes. Vor allem die Abifeier habe ich in angenehmer Erinnerung. Die Redebeiträge und die musikalische Gestaltung waren gut gelungen und wir hatten über 100 Abiturienten. Unangenehm war immer der Ärger als Schulleiter mit Eltern und Behörden, aber auch mein Referendardienst war wegen der vielen Schikanen wenig erfreulich.

Welcher Schülertypus hat Sie am meisten beeindruckt?

Seiler: Ich mochte immer gern Schüler , die intelligent, fleißig und ehrlich sind. Kreative Querdenker und Überflieger neigten oft zur Überheblichkeit, besonders in der wilden Zeit der 68er.

Wie sind Sie mit Schulstress umgegangen?

Seiler: Schulstress gab es schon immer, ganz besonders als Schulleiter. Aber ich habe ihn nicht nach Hause getragen und die Familie damit belastet. Ich hatte tüchtige Kollegen, auf die man sich gut verlassen konnte, doch Ärger gibt es in jedem Beruf. Als Ausgleich habe ich viel Musik gehört, Theaterveranstaltungen besucht und mit dem Kollegium gekegelt. Einer meiner Vorgänger, Albert Rau, hat den Lehrerkegelclub gegründet, den es heute noch gibt. Wir sind noch zu viert, und vor ein paar Tagen habe ich wieder mitgemacht.

Hatten Sie in Ihrem Leben auch schon Schulangst?

Seiler: Als Schüler hatte ich einen Französischlehrer, der war ein arroganter Kerl, der einen fertig gemacht hat, wenn man Schwächen zeigte. Wir nannten ihn "de Franzos", und er hat mir sehr zugesetzt. Als Schulleiter hatte ich vor jeder Abifeier Lampenfieber.

Was empfehlen Sie Schülern im Umgang mit Schulstress?

Seiler: Eine Aussprache tut gut. Beruhigende Worte können viel bewirken, sind aber nur von kurzer Dauer. Vor mir brauchte niemand Angst zu haben.

Was empfanden Sie, als im Schuljahr 1972/73 die ersten Mädchen zum SPG kamen?

Seiler: Es waren ja zunächst nur etwa 15 Schülerinnen, und alle in der Schule waren neugierig, wie das mit ihnen funktioniert. Zuerst mussten wir natürlich eigene Toiletten für die Mädchen bauen, um die Rahmenbedingungen zu erfüllen. Ihr Einfluss war sehr positiv. Vorher gab es viele Rabauken, die Streiche ausheckten und auch vor Sachbeschädigungen nicht zurückschreckten, mit den Mädchen kehrte mehr Ruhe ein.

Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft?

Seiler: Ich werde sehr schnell müde, daher wünsche ich mir mehr Energie, geistige Spannkraft und weniger Beschwerden, die das Alter so mit sich bringt. Zurzeit ist die Weltlage sehr brisant, da hoffe ich auf Entspannung, bin aber skeptisch. Der Historiker Percy Ernst Schramm, der zu meiner Zeit einmal das Saarpfalz-Gymnasium besuchte, sagte damals: "Die Dummheit ist ein konstitutiver Faktor der Weltgeschichte."

Ist es für Sie gut auszuhalten, als Anwohner jeden Tag Ihre "alte Schule" zu sehen?

Seiler: Die Belästigung durch rücksichtslose Autofahrer ist schlimm, aber mit Schülern gibt es keine Probleme. Mit der Schule fühle ich mich noch verbunden, und der neue Leiter macht einen sehr guten Eindruck.

Giulia

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