Vom Warten und der Ungewissheit

Homburg · Auf engstem Raum in überfüllten Booten fliehen die Menschen nach Europa. Gerade erst ist ein solches Boot gekentert, hunderte Tote werden beklagt. Die EU ringt um Lösungen. Die große Politik ist aber auch ganz nah: In Homburg, Bexbach und Kirkel leben viele Flüchtlinge, die Schreckliches erlebt haben. Ein Eritreer erzählt.

 Warten heißt es für die beiden jungen Männer aus Eritrea, die hier in ihrer Homburger Wohnung sitzen. Auch sie haben eine gefährliche Flucht aus ihrem Land hinter sich. Menschen aus dem afrikanischen Land Eritrea bilden neben den Syrern die zweite große Flüchtlingsgruppe. Foto: Stumm/SZ-Redaktion

Warten heißt es für die beiden jungen Männer aus Eritrea, die hier in ihrer Homburger Wohnung sitzen. Auch sie haben eine gefährliche Flucht aus ihrem Land hinter sich. Menschen aus dem afrikanischen Land Eritrea bilden neben den Syrern die zweite große Flüchtlingsgruppe. Foto: Stumm/SZ-Redaktion

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 Jürgen Grötschel und Eva Meyer berichteten in der Homburger Redaktion von der Situation der Flüchtlinge, die in Bexbach leben, und auch davon, wie ihnen geholfen wird. Foto: Stumm/SZ-Redaktion

Jürgen Grötschel und Eva Meyer berichteten in der Homburger Redaktion von der Situation der Flüchtlinge, die in Bexbach leben, und auch davon, wie ihnen geholfen wird. Foto: Stumm/SZ-Redaktion

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Abiel und Fenan (Namen von der Redaktion geändert) sitzen auf einer Eckbank in ihrer Homburger Wohnung. Klein ist sie, aber sauber und mit dem ausgestattet, was man so braucht: Küche, Bad, Schlafzimmer, Bank, Sofa, Tisch, aber auch Putzzeug, ein bisschen Geschirr und ein Fernseher. Für die Grundausstattung hat die Stadt gesorgt, manches stammt von der Homburger Tafel, anderes haben Privatleute gespendet, die sich zusammengetan haben, um Flüchtlingen kleine Wünsche zu erfüllen, die das tägliche Leben erleichtern, wie ein Fahrrad oder ein Wasserkocher.

Seit etwa neun Monaten ist Abiel inzwischen in Deutschland, seit sieben Monaten in Homburg . Wie es mit ihm weitergeht, das weiß er nicht - sein Verfahren läuft. Natürlich hat er Angst, muss mit dieser Ungewissheit leben - doch ihm bleibt nur zu warten und zu hoffen. Vier Männer leben in der Wohnung in einem Homburger Stadtteil, jeweils zwei teilen sich ein Schlafzimmer, alle kommen aus Eritrea , sind fast alle gleichzeitig hier gelandet. Wer sie so zwischen Teppich und Couchtisch sieht, der kann sich kaum vorstellen, was sie auf sich genommen haben, um hierher zu gelangen. Abiel hat Kaffee gemacht, langsam beginnt er zu erzählen, freundlich ist er, aber auch vorsichtig. In seiner Heimat hat er an einer Wirtschafts-Universität studiert, dann floh er vor dem Militär, dem Militärdienst. Zunächst zu Fuß in den Sudan , dann weiter im Auto nach Libyen. Ohne Geld läuft da gar nichts, das wird schnell klar - und es geht um beachtliche Summen. In Libyen hieß es dann für ihn erst einmal warten, von einem Schleuser in ein Haus eingepfercht mit anderen Flüchtlingen. Eingesperrt seien sie gewesen, "bis man zahlt", sagt Abiel - er habe zum Glück Geld gehabt. Für andere habe es da schlecht ausgesehen, von Bestrafungen berichtet er, von Schlägen, um Angst einzujagen, aber auch von der Möglichkeit, Gartenarbeit zu verrichten. Selbst das ist eine gefährliche Sache: "Wenn Du etwas falsch machst, dann stirbst Du." Für Abiel ging die Reise weiter: auf einem überfüllten Boot nach Italien und von dort schließlich nach Deutschland. 8000 Dollar, umgerechnet etwa 7400 Euro, habe er für seine Flucht bezahlt, sagt er: "Ohne die Hilfe von Brüdern und Freunden, kannst Du das gar nicht schaffen." Manche verkauften ihr Haus oder ihr Auto, um an Geld zu kommen. Äußerlich wirkt Abiel ruhig und entschlossen. Er hat sich ein Leben in Homburg eingerichtet: Er hilft bei der Tafel, auch weil er hier sein Deutsch erproben kann, und er besucht verschiedene Sprachkurse . Mit seiner Familie hat er manchmal Kontakt, einige von ihnen seien im Sudan .

Und trotz der Ungewissheit, in der er lebt: Andere Lösungen als Flucht kamen für ihn niemals in Frage. "Sonst ist das Leben verloren."

Manchmal sind es neben den großen Anliegen wie Sicherheit und einem Dach über dem Kopf die kleinen Dinge, die helfen können: zu wissen, wo man einkaufen oder Sport treiben kann. Jemand, der einem zeigt, an welche Behörden man sich bei welchen Anliegen wenden muss. Auch in Bexbach sind seit Beginn der großen Flüchtlingswelle Menschen aus Syrien und Eritrea angekommen. Im Moment leben über 40 Flüchtlinge in sieben Häusern, bewusst im Stadtgebiet verteilt. Allerdings waren sehr viel mehr in Bexbach , einige seien bereits wieder verzogen. Davon berichten Eva Meyer und Jürgen Grötschel bei ihrem Besuch in der Homburger Redaktion. Doppelbelegungen will sie unbedingt vermeiden, "ich weiß aber nicht, ob das auf Dauer geht", sagt Eva Meyer. Sie ist eigentlich Bexbachs Jugendpflegerin. Doch jetzt widme sie zwei Drittel ihrer Zeit den Asylbewerbern. Grötschel, viele Jahre Leiter des Caritaszentrums Saarpfalz, ist in Altersteilzeit. Doch als er vor Weihnachten gelesen hat, dass die Stadt Bexbach Menschen sucht, die sich um die Flüchtlinge kümmern, wollte er spontan ehrenamtlich helfen. Die Stadt habe ihm eine Stelle angeboten, gerade so viel, wie er dazu verdiene dürfe. "Es macht mir Spaß", sagt er. Seine Aufgabe ist es, bei den Menschen, die in Bexbach ankommen, vorbeizugehen, aufzunehmen, welche Themen anstehen. Er fragt sie etwa, welche Schulabschlüsse sie haben, was sie gearbeitet haben und nach ihren Hobbys. Sie seien in der Regel "gut ausgebildet, haben eine gute Schuldbildung", sagt er. Zudem kümmert sich Grötschel um Wohnungen, wenn die Flüchtlinge bereits einen Aufenthaltstitel haben, Mietverträge abschließen können - einfach ist das nicht. Hintergrund ist oft der Nachzug der Familie, die häufig in an die Heimat angrenzenden Ländern in Flüchtlingslagern lebe. Es sind nur wenige Fragen, die für die Menschen im Fokus stehen, berichten sie: Wann kann ich meine Familie nachholen, wie bekomme ich Wohnraum für mich und meine Familie? Wann kann ich anfangen zu arbeiten?

Grötschel hat weitere Pläne. Für diejenigen, denen der Aufenthaltstitel noch fehlt, will er ein Beschäftigungsprojekt auf die Beine stellen, eventuell eine Fahrradwerkstatt ist eine Idee. So könnten sich die Flüchtlinge ehrenamtlich betätigen. Das mit den Fahrrädern hat einen weiteren Hintergrund: Es erlaubt den Menschen schnell und vor allem ohne zu bezahlen von A nach B zu kommen. In Bexbach müssten von der Struktur her weite Wege zurückgelegt werden.

Die Hilfe zieht in Bexbach weitere Kreise. Acht Frauen und Männer engagieren sich ehrenamtlich und investierten viel Zeit. Drei Männer bieten Sprachkurse an, die anderen unterstützen überall dort, wo es nötig ist. Zweimal pro Monat treffen sich die Ehrenamtler, um sich auszutauschen. Auch die Vereine ziehen mit, nehmen etwa Asylbewerber beim Training auf. Auch wenn das System in Bexbach funktioniert, auf Dauer müsse man sich personell Gedanken machen. Die Menschen, die ehrenamtlich arbeiteten, "geben sich redliche Mühe, aber es gibt Grenzen", macht Eva Meyer deutlich.

Wer als Ehrenamtler arbeiten möchte - man sollte möglichst etwas Englisch sprechen - , oder wer Fahrräder spenden möchte, wendet sich an Eva Meyer, Tel. (0 68 26) 52 91 11.

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