Nur online lernen geht auf Dauer nicht Medizinstudium aus der kalten Küche

Homburg · Keine Begrüßung, keine Promotionsfeier, keine fröhliche Atmosphäre auf dem Campus der Medizinischen Fakultät. Wir sprachen mit dem Dekan, Professor Michael Menger, was im Corona-Jahr verloren gegangen ist.

 Ein Medizin-Studium ohne menschlichen Kontakt ist schwierig zu gestalten. Natürlich kann man zu Hause am Computer lernen, aber die Erfahrungen im Umgang mit den Patienten fehlen am Ende doch. 

Ein Medizin-Studium ohne menschlichen Kontakt ist schwierig zu gestalten. Natürlich kann man zu Hause am Computer lernen, aber die Erfahrungen im Umgang mit den Patienten fehlen am Ende doch. 

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Fast ein Jahr lang nur am Computer lernen, kein richtiges Studentenleben – und vor allem kaum Kontakte. Wie erträgt man dies in einem Fach wie Medizin, das in erster Linie „mit Menschen zu tun hat“, wie es gerne formuliert wird. Denn in der Medizin spielt neben viel abstraktem Wissen auch die Erfahrung eine große Rolle - und die gewinnt  man eben nur im Umgang mit möglichst vielen Patienten.

Wir befragten dazu den Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes, Professor Michael Menger. „Tja, wie war’s? Fürchterlich war’s“, sagt er scherzhaft. Ganz so fürchterlich dann auch nicht, „aber schon sehr grenzwertig.“ Fachlich, betont Menger, sei nicht all zu viel verloren gegangen, „jedenfalls nicht so sehr im klinischen Bereich“. Die Studenten und Studentinnen, die bereits im Patientenkontakt eingesetzt werden, „die wurden mit der Ausstattung und der Impfpriorisierung so behandelt wie unsere Assistenzärzte. Also diejenigen, die an die Patienten ran müssen, die konnten das auch die meiste Zeit. Wir haben alles getan, um dies möglich zu machen.“

In der Vorklinik, also in den ersten Jahren bis zum Physikum, sah es schon anders aus, „da sind leider sehr viele  Präsenz-Veranstaltungen ausgefallen.“ Bei den Vorlesungen und bei „Bücherwissen“ sie dies zwar nicht so tragisch gewesen, vieles sei über „Teams“ gelaufen, „aber die wichtigen Laborpraktika, die konnten nicht so stattfinden, wie das normalerweise üblich ist.“

Zum Herbst,  so hoffte der Dekan, könne man dann aber „mehr und mehr wieder zu den Präsenszveranstaltungen zurückkehren.“ Das sei auch wichtig für die Atmosphäre auf dem Campus des Universitätsklinikums, „es war schon trist in diesem Frühjahr, die Dymanik fehlte, die jungen Leute waren nicht da, man merkte nicht mehr, dass wir ein lebendiger Campus sind mit einer Mischung aus jungen und älteren Menschen aus allen Bereichen.“

Was vor allem fehle, sei das Gemeinschaftsgefühl der Erstsemster, also derjenigen, die im vergangenen Herbst mit dem Medizin-Studium angefangen haben. „Die konnten wir weder richtig begrüßen noch hatten die selbst viele  Gelegenheiten, sich mal untereinander kennzulernen. Das ist natürlich schade, vor allem in so einem überschaubaren Rahmen wie in Homburg. Da kennt normalerweise jeder jeden innerhalb eines Jahrgangs. Das macht ja auch den Reiz eines kleinen Standortes aus.“

Sogar Eltern hätten angerufen, die sich Sorgen machten, „es gab tatsächlich keine Begrüßungs-Veranstaltung, die für den Rest des Lebens in Erinnerung bleibt. Dabei finde ich das sehr wichtig.“ Das sagt Professor Menger heute, der selbst immer ein bisschen mit seiner eigenen Studienzeit kokettiert, an deren Beginn und Ende nur ein langweiliges Sekretariat, eine anonyme Mitarbeiterin  und ein gleichgültig überreichtes Formular standen.

Heute ist er ein vehementer Verfechter des Gegenteils: „Junge Leute brauchen Identität. sie wollen für die jahrelange Plackerei, oder die vielen Nächte, die sie mit Lernen oder mit Arbeit in der Klinik verbracht haben, auch mal eine Würdigung haben. Da sind unsere Examens- und Promotionsfeiern ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg ins Berufsleben.“

Sobald es möglich sei, wolle er diese Tradition wieder aufnehmen, so Menger. Er überlegt derzeit auch, ob es nicht auch möglich wäre, für die die Erstsemster vom Herbst 2020 eine eigene Veranstaltung zu organisieren, „denn die sind bedauerlicherweise nie richtig bei uns angekommen. Ich denke, da kann man noch was machen.“

Hatte die Pandemie auch Chancen gebracht? „Ja, was die Organisation und die Digitalisierung angeht,“ sagt Professor Menger, „wir werden künftig mit Sicherheit mehr Online-Veranstaltungen anbieten. Wir sind dabei, die Hörsäle entsprechend auszustatten. Man muss nicht immer präsent sein, sondern kann auch mal von zu Hause aus einer wichtigen Veranstaltung folgen.“

 Die letzte Promotionsfeier am Uniklinikum in Homburg fand im Dezember 2019 statt. Dann kam Corona. Professor Menger (mit Hut in der Hand) will diese Tradition, so bald es möglich sein wird,  wieder aufnehmen.

Die letzte Promotionsfeier am Uniklinikum in Homburg fand im Dezember 2019 statt. Dann kam Corona. Professor Menger (mit Hut in der Hand) will diese Tradition, so bald es möglich sein wird,  wieder aufnehmen.

Foto: Christine Maack

Es werde künftig sicher eine verstärkte Mischung aus Präsenz- und Digital-Teilnahmen geben. Aber es sei auch deutlich geworden, „wie wichtig ein geregeltes Studium ist, die Konakte und die Gespräche mit den Professoren, den Kollegen und den Patienten.“ Online sei eine hilfreiche Zusatzfunktion, „aber sie kann in der Medizin nie den menschlichen Kontakt ersetzen.“

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