Kolumne Eine Woche beim weißen Buschdoktor Am Ende der Welt wartet Dr. Hans Schales

Tschüss, Dudweiler. Auf geht’s nach Simbabwe. Dorthin, wo der Saarländer Hans Schales armen Menschen seit zwei Jahrzehnten Hoffnung auf ein besseres Leben gibt. Schon der Aufbruch in eine der ärmsten Regionen der Welt hat es in sich.

SZ-Redakteur Marcus Kalmes besucht in Simbabwe Arzt Dr. Hans Schales
Foto: SZ/Roby Lorenz

Oh leck!“ Wenn der Saarländer das sagt, meint er es positiv, negativ, erstaunt, emotional berührt, verängstigt, bewundernd. Je nach Situation halt. „Oh leck!“, habe ich gesagt, als ich um 15.22 Uhr in Dudweiler abgeholt wurde. Ich hatte meine Siebensachen in den Kofferraum geworfen, sprang ins Auto. Die Zeit war mir beim Packen des Koffers weggelaufen. Wie immer. Das muss mit, das nicht. Das aber, oder doch nicht?

„Oh leck!“ Bloß nicht den Zug um 15.46 Uhr verpassen. Fuß aufs Gaspedal, ab nach Saarbrücken. Auf dem Rücksitz surft mein kleiner vierbeiniger Engel sozusagen mit. Bella legt sich in jede Kurve.

Ausgerechnet jetzt in der Hektik setzt ein Gefühl ein zwischen Abenteuerlust und Respekt vor dem, was mich erwartet. Obwohl ich vor 15 Jahren schon einmal in Simbabwe beim Afrika-Projekt von Dr. Hans Schales war. In einem der ärmsten Länder der Welt, an dessen Grenze man besser nicht sagt, dass man als Journalist einreisen möchte. Egal. Es geht jetzt los. Sofern ich den Zug kriege.

„Oh leck!“ Als ich mich am Bahnhof schnell verabschiede, schaut mich Bella demonstrativ nicht an. Es interessiert sie nicht, dass ich zehn Stunden und 30 Minuten lang und 8699 Kilometer weit ans andere Ende der Welt nach Johannesburg fliege.

„Oh leck!“ Zug erwischt. Die Bahn kommt sogar pünktlich in Frankfurt an. Check-in, Sicherheitskontrolle – keine Warteschlangen. Es flutscht. Meine Sitzreihe 72 wird bald darauf aufgerufen. Ich darf ins Flugzeug einsteigen. In der Warteschlange vorm Schalter schauen plötzlich alle nach links. Ich drehe auch den Kopf. Links ist der Warteraum. Dort hängen Fernseher. Darin sind Bilder aus Moskau zu sehen.

„Oh leck!“ Ein Passagierflugzeug geht bei einer Notlandung in Flammen auf. So heißt es in ersten Meldungen. Ich bin sicherlich nicht der Einzige in der Schlange, bei dem das Kopfkino beginnt… Augen zu und rein in den Flieger. Der Airbus A340-600 der South African Airways ist halb leer. Cool – das Kopfkino geht ruck, zuck wieder weg, weicht Vorfreude auf einen entspannten Flug mit viel Platz für die Füße. „Oh leck!“ Entsetzen erfasst uns Passagiere im Heck. Nur Sekunden nach den Sicherheitshinweisen. Als das Flugzeug pünktlich um 20.40 Uhr Richtung Startbahn rollt, ertönt von weiter hinten plötzlich ein schrilles Alarmsignal. Alle schauen verängstigt um sich. Sofort ist das Kopfkino wieder da. Es gibt schnell Entwarnung. Ein Gerät in der Bordküche hat aufgemuckt… Okay. Also dann Abflug.

„Oh leck!“ Ich bin nach dem Stopp in Südafrika um 12.40 Uhr in Simbabwe angekommen. Den Zollbeamten habe ich bei der Einreise in Vic Falls nicht gesagt, dass ich Journalist bin, sondern Gast eines Hilfsprojekts. Hier im Norden des Landes bilden der Sambesi, Afrikas viertgrößter Fluss, und der 280 Kilometer lange Kariba-See, mit 5580 Quadratkilometern der fünftgrößte Stausee der Erde, die Grenze zu Sambia. Von Johannesburg aus hat mich das Flugzeug in knapp zwei Stunden an die beeindruckenden Viktoria-Fälle gebracht. Dort treffe ich den Mann, der der Grund für meine Reise ist:  Schales holt mich ab. „Oh leck!“ Es ist wunderschön hier… An den Viktoria-Fällen stürzt der Sambesi auf 1700 Metern Breite bis zu 108 Meter in die Tiefe.

Ein Übergang – schön und schrecklich zugleich. Denn hier endet für mich jener Teil der Welt, in dem Strom und Wasser immer fließen. In dem ich immer Essen und Getränke kaufen kann. Von hier aus geht es mit  Schales ins Innere des Landes, das „Afrikas Tyrann“, wie Simbabwes ehemaliges Staatsoberhaupt Robert Mugabe genannt wird, zu Grunde gerichtet hat. Mit dem Auto folgt dann noch eine Tagestour über 400 Kilometer auf Staubpisten und löchrigen Straßen.

 Marcus Kalmes am Johannesburger Flughafen neben einer Statue von Nelson Mandela.

Marcus Kalmes am Johannesburger Flughafen neben einer Statue von Nelson Mandela.

Foto: Marcus Kalmes

Dann bin ich nach 10 000 Kilometern und zwei Tagen dort, wo der Saarländer Hans Schales sein Afrika-Projekt aufgebaut hat.

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