Uniklinikum Viel Arbeit für wenig Anerkennung

Homburg · Viele künftige Ärztinnen und Ärzte fühlen sich im Praktischen Jahr ausgebeutet, weil sie Lücken füllen. Das UKS will sie besser bezahlen.

 Medizinstudenten im Praktischen Jahr haben die Nase voll: Sie verdienen bisher wenig bis gar nichts bei einer Fünf-Tage Woche, bekommen im ganzen Jahr nur 30 Tage frei, in denen auch Krankheitstage enthalten sind und werden oft als Lückenfüller bei Personalmangel eingesetzt.

Medizinstudenten im Praktischen Jahr haben die Nase voll: Sie verdienen bisher wenig bis gar nichts bei einer Fünf-Tage Woche, bekommen im ganzen Jahr nur 30 Tage frei, in denen auch Krankheitstage enthalten sind und werden oft als Lückenfüller bei Personalmangel eingesetzt.

Foto: picture alliance / dpa/Daniel Bockwoldt

Sich einmal im Leben ausbeuten lassen – ist das nicht auch mal eine heilsame Erfahrung? Eher nicht, finden die Medizinstudenten deutschlandweit, wobei sie weniger die finanzielle Ausbeutung kritisieren, als vielmehr die Ausbeutung der Arbeitskraft ohne Mehrwert. Wobei der Mehrwert darin besteht, dass man im Praktischen Jahr, PJ genannt, etwas lernen und nicht als Lückenfüller bei Personalmangel herangezogen werden möchte. „Diese Zeit ist die letzte Möglichkeit, noch als Student möglichst viel praktische Erfahrung zu sammeln, bevor man auf die Menschheit losgelassen wird“, betont der Medizinstudent Kai Hunsicker, „und das geschieht nun mal nicht immer zu unserer Zufriedenheit.“

Das Praktische Jahr (PJ) ist das sechste und letzte Jahr des Medizinstudiums. Mit dem 2. Staatsexamen in der Tasche, „sollen die Studierenden die während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und erweitern. Sie sollen lernen, sie auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden. Zu diesem Zweck sollen sie entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen. Die Studierenden dürfen nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden, die ihre Ausbildung nicht fördern.“ So heißt es offiziell. Aber die Erfahrungen der Studenten sind andere, „und deshalb haben wir eine Petition gestartet, mit der wir auf die Missstände hinweisen wollen“, so Hunsicker. Über 45 000 Unterschriften sind bundesweit zusammengekommen.

Ärgerlich sei, dass man im PJ oft Tätigkeiten machen müsse, die „einen in der Ausbildung nicht wirklich voranbringen“: Formulare ausfüllen, Blut abnehmen, alleine auf einer Station sein, fehlendes Personal ersetzen. „Das hat nichts mit einer praktischen Ausbildung zu tun“, so Hunsicker, „doch wir sind noch Studierende und befinden uns in den letzten Zügen unserer Ausbildung, da müssen wir auf Unterricht bestehen.“ Die Folge davon sei, dass viele Studenten abwanderten, um in der Schweiz oder Skandinavien ihr praktisches Jahr mit einer anschließend winkenden Festanstellung zu absolvieren.

Noch andere Bedingungen im Praktischen Jahr ärgern die künftigen Ärztinnen und Ärzte: So sieht die Approbationsordnung vor, dass nur 30 Fehltage innerhalb des PJ erlaubt sind, egal ob Urlaub, Krankheit oder sonstiges. „Das ist besonders ärgerlich, denn es wird nicht zwischen Urlaub und Krankheit unterschieden. Wer drei Wochen krank ist, hat danach kaum noch Urlaub“, so Hunsicker. Wobei mit Urlaub kein Strandaufenthalt gemeint ist, sondern Zeit, die man mit Lernen verbringen will, „denn keiner von uns fährt weg, der so genannte Urlaub wird genutzt, um sich auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten“.

Dann ist da noch das heikle Thema Aufwandsentschädigung. An renommierten Krankenhäusern wie an der Charité in Berlin oder an der LMU in München gibt es gar kein Geld, „da soll man froh sein, dass man bei der Bewerberflut überhaupt einen Platz hat“, vermutet Stefan Königsbüscher von der Fachschaft am UKS, „am Uniklinikum in Homburg werden immerhin 800 Euro im Jahr bezahlt, sofern man alle drei Abschnitte dort absolviert.“ Die Lehrkrankenhäuser in Neunkirchen und Sulzbach sowie diejenigen, die in privater Hand sind, liegen mit der PJ-Bezahlung deutlich über der des Uniklinikums, was daran liegt, dass man sich den dringend benötigten ärztlichen Nachwuchs nach dem Ende der Ausbildung gerne sichern möchte.

Die Fachschaften haben in ihrer Petition deshalb eine flächendeckende Aufwandsentschädigung gefordert: „Deutscher Ärztetag, Marburger Bund und Hartmannbund wünschen sich eine einheitliche Summe in Höhe des BAföG-Höchstsatzes netto und zusätzlich den Krankenkassenbeitrag für alle über 25-Jährigen“, erklärt Königsbüscher.

Was die Bezahlung angehe, so sei das Uniklinikum in Homburg gesprächsbereit, „im Moment stehen 500 Euro im Monat in der Diskussion“, so Königsbüscher, „aber die sind noch nicht genehmigt“. Auch bei der Betreuung während des PJ stehe Homburg keineswegs so in der Kritik wie manche andere Krankenhäuser, „denn unsere Professoren bemühen sich sehr, dass wir was lernen und gute Ärzte und Ärztinnen werden“, betont Hunsicker. Aber dennoch fehle auch am Uniklinikum Personal, was in der Vergangenheit dazu geführt habe, ganze Abteilungen schließen zu müssen, wenn sich die Krankheitsfälle häuften. Dann wird natürlich nach den PJ-lern gerufen, und der Kreis schließt sich wieder zum „Lückenfüller“. Hunsickers Sorge betrifft nicht nur einzelne Krankenhäuser, sondern das ganze Land: „Das Medizinstudium ist sehr teuer. Es ist ein Verlust, wenn in Deutschland ausgebildete Mediziner scharenweise ins Ausland gehen, weil bei uns die Bedingungen immer schlimmer werden.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort