NS-Zeit Missklänge aus dem Kirchturm

Homburg · Vom schwierigen Umgang der protestantischen Kirchengemeinden in der Region mit ihrer NS-Vergangenheit. Beeden ist nur ein Beispiel für viele. Kirchenglocken aus der Nazi-Zeit rufen Gläubige weiter in die Gotteshäuser.

 Bundesweit sorgte der Streit um  eine Bronzeglocke mit Hakenkreuz und dem Spruch „Alles für‘s Vaterland Adolf Hitler“ im pfälzischen Ort Herxheim am Berg für großes Aufsehen. Die Glocke blieb hängen.

Bundesweit sorgte der Streit um  eine Bronzeglocke mit Hakenkreuz und dem Spruch „Alles für‘s Vaterland Adolf Hitler“ im pfälzischen Ort Herxheim am Berg für großes Aufsehen. Die Glocke blieb hängen.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Die mit einer umstrittenen Inschrift aus der Zeit des Nationalsozialismus versehene Glocke im Turm der protestantischen Friedenskirche in Beeden bleibt hängen. Das Presbyterium mit Pfarrerin Julia Caster an der Spitze habe diesen Beschluss nach eingehenden Beratungen einstimmig gefasst, teilte die Gemeinde mit.

Seit Wochen und Monaten gibt es in ganz Deutschland teilweise heftigen Auseinandersetzungen bei den Protestanten über Glocken aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die Evangelische Kirche in der Pfalz hat nach einer Suche fünf Glocken aus der NS-Zeit mit teils problematischen Inschriften gefunden. Das sagte Oberkirchenrat Michael Gärtner in Speyer. Weil Menschen unterschiedlich darauf reagierten und manche sie für unerträglich hielten, sei es aus Sicht des Landeskirchenrates das Klügste, die Glocken abzunehmen und an einem Ort auszustellen, der möglichst nichts mit der Gemeinde zu tun haben solle. Die Landeskirche, zu der auch der Saarpfalz-Kreis gehört und die mit der Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte begonnen hat, hatte eine Sachverständige mit der Suche beauftragt, nachdem eine Glocke mit NS-Inschrift im pfälzischen Herxheim am Berg über die Landesgrenzen hinaus für Diskussionen gesorgt hatte (wir berichteten). Der im Jahr 1934 dort installierte Klangkörper trägt ein Hakenkreuz und die Inschrift „Alles fuer’s Vaterland Adolf Hitler“. „Glocken mit NS-relevanten Texten hängen auch im südpfälzischen Essingen, in Mehlingen bei Kaiserslautern, im saarländischen Homburg-Beeden sowie in Pirmasens-Winzeln“, so die in Speyer ansässige Landeskirche auf Anfrage. In den Inschriften finden sich unter anderem die Worte Drittes Reich, Saarbefreiung 1935 und nationale Erhebung 1933. In Esslingen bei Landau steht in einer gemeinsamen Kapelle von evangelischer und katholischer Kirche auf einer Glocke von 1936: „Als Adolf Hitler Schwert und Freiheit gab dem Deutschen Land, goss uns der Meister Pfeiffer, Kaiserslautern.“

Die protestantische Kirchengemeinde Beeden, die nach einer Strukturreform im Kirchenbezirk Homburg mit Schwarzenbach, Wörschweiler und Schwarzenacker zusammengelegt wurde, begründete ihre Entscheidung: Die drei 1935 gegossenen Glocken der Friedenskirche tragen die Aufschrift „Friede“, „Freude“ und „Freiheit“. Im historischen Kontext betrachtet, bringt diese Trias die Hoffnung der damaligen saarländischen Bevölkerung zum Ausdruck, die mit dem Ergebnis der unter Aufsicht des Völkerbundes erfolgten Volksabstimmung verbunden war (90,5 Prozent votierten für die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich, 0,4 Prozent für die Zugehörigkeit zu Frankreich, 8,9 Prozent für den Status Quo, Mandatsgebiet des Völkerbundes) und die als „Befreiung“ angesehen wurde. Während die Glocken mit der Aufschrift „Friede“ und „Freude“ keinen weiteren Zusatz in der Beschriftung aufweisen, ist die Glocke „Freiheit“ mit dem Bibelvers aus Galater 5 und mit dem Zusatz „Gegossen im Jahr der Saarbefreiung 1935“ versehen worden. Eine Namenswidmung oder ein nationalsozialistisches Symbol befindet sich nicht auf der Glocke.

Die Verantwortlichen der Kirchengemeinde Beeden haben sich bereits in der Vergangenheit mit ihrem damaligen und heute im Ruhestand befindlichen Pfarrer Winfried Anslinger kritisch mit der Geschichte ihrer Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt (wir berichteten). Um dies nach außen klar und deutlich auszudrücken, wurde dem Kirchengebäude bereits im Jahr 2012 der Name „Friedenskirche“ gegeben und die Gemeinde „Friedenskirchengemeinde“ genannt.

Die von der Glockenaffäre am meisten betroffenen Landeskirchen der Pfalz und in Hannover sollten dem inakzeptablen Geschehen vor Ort nicht allzu lange tatenlos zuschauen. Bilder und Symbole der Nazis hielten Einzug in Kirchen, Gemeindehäuser, durchdrangen die Predigten und Kirchenblätter. Das Hakenkreuz war allgegenwärtig: auf Fahnen, fest in Stein gemeißelt an Kirchengebäuden, hart in Metall geprägt auf Kirchenglocken, heißt es bei der Evangeischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. Und die „Hitler-Glocken“ von heute gehen auch die EKD, die im vergangenen Jahr einen Abfrage über NS-Glocken in allen 20 Landeskirchen durchführte, etwas an, angesichts vielfach beteuerter Bekenntnisse zu einer protestantischen „Lerngeschichte“ während der 500-Jahr-Feiern der Reformation.

Ein beträchtlicher Imageschaden sei bereits entstanden, und größerer Schaden könne noch folgen. Von den zuständigen Kirchenbehörden ist Bereitschaft signalisiert worden, die „kontaminierten Glocken“ aus dem Betrieb zu nehmen und durch neue zu ersetzen. Das sei wohl das Minimum und müsste unverzüglich geschehen, heißt es bei der EKD. Und mehr Aufmerksamkeit verdiene dann vor allem die kirchliche Aufarbeitung vor Ort. Wie die aktuellen Vorgänge zeigen, liegt sie 70 Jahre nach der Katastrophe des Nationalsozialismus häufig noch im Argen.

 In der Friedenskirche in Beeden bleiben die Glocken aus der NS-Zeit hängen. So der jetzt verfasste  Beschluss des Presbyteriums.

In der Friedenskirche in Beeden bleiben die Glocken aus der NS-Zeit hängen. So der jetzt verfasste  Beschluss des Presbyteriums.

Foto: Winfried anslinger

Die Beeder Pfarrerin Julia Caster teilte im Namen der Kirchengemeinde abschließend mit: „Die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist damit selbstverständlich nicht beendet.“

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