„Mein Vater war einige Monate in Homburg“

Homburg · Homburg. Bei der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November in der protestantischen Stadtkirche Homburg ist Erika Rosenberg Gastrednerin. Angela Krebs und Madeleine Engel, beide Schülerinnen des Saarpfalz-Gymnasiums, stellten ihr Fragen.

 Angela Krebs und Madeleine Engel zeigen zwei Bücher von Erika Rosenberg über Emilie und Oskar Schindler in der Bibliothek des Saarpfalz-Gymnasiums. Fotos: Eberhard Jung/Saarpfalz-Gymnasium

Angela Krebs und Madeleine Engel zeigen zwei Bücher von Erika Rosenberg über Emilie und Oskar Schindler in der Bibliothek des Saarpfalz-Gymnasiums. Fotos: Eberhard Jung/Saarpfalz-Gymnasium

Welche Themen werden Sie am 9./10. November in Homburg hauptsächlich ansprechen?

Erika Rosenberg: Hauptsächlich, was überhaupt der 9. November in der Geschichte Europas bedeutet. Es war der Beginn des systematischen Völkermords. Auf der Wannseekonferenz wurde dann die Ausrottung aller Juden in Europa beschlossen.

Welche Bedeutung hat für Sie die Reichspogromnacht ?

Erika Rosenberg: Für mich bedeutet die Reichspogromnacht die schändliche Entgleisung einer Diktatur , da die Demokratie, die Freiheit und die Menschenrechte, vollends zunichte gemacht wurden.

Wie beurteilen Sie die intensive Auseinandersetzung mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur in der heutigen Bundesrepublik?

Erika Rosenberg: Ein Land, das sich mit der Geschichte nicht auseinandersetzt, wiederholt immer wieder alte historische Fehler. Deutschland hat sich kritisch seiner Vergangenheit gestellt und viel daraus gelernt.

Welche Assoziationen haben Sie zum Thema "Heimatverlust und Exil", das zurzeit im saarländischen Abiturlehrplan steht?

Erika Rosenberg: Es ist wirklich ein sehr komisches Gefühl, nicht zu wissen, wohin man zugehört. Ich habe dieses Gefühl immer noch, denn ich selbst bin rastlos und hin- und hergerissen. Ich habe immer noch nicht Wurzeln schlagen können, weder hier in Deutschland noch in Argentinien. Vielleicht war es die Schuld meiner Eltern, die mich nicht so erzogen haben, die mich als Tochter von Verfolgten erzogen haben. Das erinnert mich an ein Gedicht von Bertolt Brecht : Wenn man fern der Heimat ist, soll man nie ein Bild an die Wand hängen, sich auf den Stuhlrand setzen, ohne es sich gemütlich zu machen, denn man könnte jederzeit schnell wieder gehen müssen. Wenn man mich fragt, ob ich mich als eine Migrantin fühle, antworte ich sofort: Ich bin eine Art Weltbürgerin, denn ich fühle mich überall und nirgendwo zuhause. Ich pendle zwischen den Welten, mal auf der Nordhalbkugel, mal im Süden. Alle Himmelsrichtungen sind mir willkommen und überall fühle ich mich wohl. Ich glaube, es ist nicht der geographische Raum, der einem Menschen innere Freude gibt, sondern ich lebe, egal, wo ich bin, mit Freude und bin sehr dankbar für das, was ich habe und mache.

Welche Bedeutung hat der Aufenthalt in Homburg für Sie?

Erika Rosenberg: Als mein Vater auf der Flucht vor den Nazis war, machte er einige Monate in Homburg Station. Homburg bedeutet für mich ein bisschen die Geschichte meines Vaters.

Wie oft sind Sie in Deutschland und welche Bedeutung haben diese Aufenthalte für Sie?

Erika Rosenberg: Ich bin sehr oft in Deutschland und fühle mich hier auch richtig wohl, aber wahrscheinlich liegt mein Talent darin, dass ich mich überall wohlfühle. Ich habe eine große Anpassungsfähigkeit und plädiere für die Kultur der Begegnung.

Wie beurteilen Sie die aktuelle deutsche Politik im Umgang mit den Flüchtlingsströmen?

Erika Rosenberg: Da ich in Deutschland nicht lebe, kann ich mir nicht erlauben, die aktuelle deutsche Politik im Umgang mit den Flüchtlingsströmen zu beurteilen. Ich kann aber sagen, der Umgang in Deutschland mit den Flüchtlingen zeigt Menschenwürde und große Solidarität und sollte als Vorbild für andere Länder der Welt dienen.

Angela Krebs und Madeleine Engel (Klasse 9c des Saarpfalz-Gymnasiums)

 Tobias Hoffmann aus der Klasse 7a des Saarpfalz-Gymnasiums malt eine brennende Synagoge in der Reichspogromnacht 1938.

Tobias Hoffmann aus der Klasse 7a des Saarpfalz-Gymnasiums malt eine brennende Synagoge in der Reichspogromnacht 1938.

Zum Thema:

Zur PersonErika Rosenberg wurde 1951 als Tochter deutscher Juden in Buenos Aires (Argentinien) geboren. Ihre Mutter war Ärztin, ihr Vater Rechtsanwalt in Berlin. Beide sahen sich noch vor der Reichspogromnacht 1938 aus religiösen und politischen Gründen gezwungen, aus ihrer Heimat nach Südamerika zu fliehen. Auf seiner Flucht war ihr Vater Benno Band kurze Zeit auch im Saarland, unter anderem in Homburg. Erika Rosenberg studierte Pädagogik, Journalismus und Geschichte in Argentinien, Deutschland und England. Sie ist immer noch journalistisch tätig, im Internet sehr präsent und Autorin mehrerer Bücher. Als enge Vertraute von Emilie Schindler, der Witwe von Oskar Schindler , hat sie unter anderem Biografien über beide geschrieben. Sie arbeitet zudem als Übersetzerin, Dolmetscherin und Dozentin im argentinischen Auswärtigen Amt, wo sie zukünftige Diplomaten ausbildet. Mit ihrem Ehemann lebt sie stets ein halbes Jahr in Buenos Aires, den Rest des Jahres hält sie sich mit Vortragsreisen in Europa auf. In Homburg war sie bereits mehrfach zu Gast. Seit vielen Jahren steht sie in engem Kontakt zur AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums. red

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