Mehr als nur eine Fahrradwerkstatt

Erbach · In der Berliner Straße in Erbach werden nicht nur Fahrräder repariert. Hier läuft Integration von Flüchtlingen im besten Sinne.

 In der Fahrradwerkstatt arbeiten Flüchtlinge unter Anleitung und gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern die Räder fachmännisch für den Betrieb auf der Straße vor. Foto: Bill Titze

In der Fahrradwerkstatt arbeiten Flüchtlinge unter Anleitung und gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern die Räder fachmännisch für den Betrieb auf der Straße vor. Foto: Bill Titze

Foto: Bill Titze

Über die Integration von Menschen aus anderen Kulturen wird in den vergangenen Wochen und Monaten verstärkt in Talkshows, Diskussionsrunden und auch an Stammtischen heiß diskutiert. Dass diese Debatte nicht nur in theoretischen Erörterungen stecken bleibt, sondern sich auch in der Praxis niederschlägt, dafür sorgen Initiativen wie die Fahrradwerkstatt im Stadtteil Erbach, die unter Mithilfe von Flüchtlingen Fahrräder repariert, um sie schließlich an Bedürftige in Homburg auszugeben.

Neben den Flüchtlingen engagieren sich Mitglieder des Vereins "Radlerfreunde Homburg" ehrenamtlich, "um die Leute mobil zu machen", wie Karl Manderscheid, einer der Helfer, erklärt. Die Idee für die Tätigkeit kam den Radlerfreunden jedoch nicht selbst. "Die Anregung dazu kam von der Stadt. Da wir den Menschen helfen wollten und wir Freude am Reparieren von Fahrrädern haben, waren für die Zusage keine Überredungskünste notwendig," erzählt Manderscheid. "Allein das Lachen der Kinder, wenn sie ein Fahrrad bekommen, bestärkt uns immer wieder in unserer Arbeit."

Insgesamt helfen regelmäßig zehn Menschen, darunter drei Flüchtlinge, dabei mit, Räder wieder fahrtauglich zu machen. Laut Helfer Manfred Höchst "werden alle möglichen Arten von Fahrrädern abgegeben. Neben Herren- und Damenrädern werden auch Kinderräder vorbeigebracht. Darunter sind durchaus auch höherwertige Exemplare". Die meisten Räder seien noch gut in Schluss. Es gebe jedoch auch welche, die so kaputt seien, "dass wir sie auseinanderbauen und die Teile für die Reparatur anderer Räder benutzen." Dass der größte Teil der Fahrräder Spenden sind, macht die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung deutlich. Neben den Spenden aus der Bevölkerung seien die wichtigsten Unterstützer die Firma Michelin in Homburg, die Stadt und der Verein "Homburger wollen helfen". "Ohne diese Spender wäre das Engagement in dieser Form nicht denkbar", freut sich Manderscheid über die Hilfsbereitschaft. "Vor allem die Michelin unterstützt uns, abgesehen vom Finanziellen, mit der Bereitstellung von zwei großen Lagerräumen und Ersatzteilen."

Die Arbeit mit den Flüchtlingen funktioniere mit der Zeit immer besser. "Vor allem am Anfang hatte man schon Sprachprobleme. Da hat man sich dann eben mit Händen und Füßen verständigt", sagt Manderscheid. "Aber mittlerweile ist die Sprache kein so großes Problem mehr, weil die Flüchtlinge genügend Deutsch sprechen."

Außerdem hätten die Menschen Probleme mit den hiesigen Regeln im Straßenverkehr. "Deswegen bieten wir neben theoretischen auch mehrere praktische Fahrradkurse im Jahr an."

Repariert wird im Zusammenspiel mit den Flüchtlingen. "Nachdem wir ihnen einige Arbeitsschritte erklärt haben, machen sie die kleineren Reparaturen selbstständig. Für größere Arbeiten sind dann die Experten zuständig. Wir konnten auch schon einen der Flüchtlinge auf einen Arbeitsplatz vermitteln." Dass die Kontakte nicht nur auf die Fahrradwerkstatt beschränkt sind, sondern sich auch schon Freundschaften zwischen Flüchtlingen und Radlerfreunden entwickelt haben, unterstreicht die Wichtigkeit solcher Initiativen, durch die nicht nur die berufliche, sondern auch die gesellschaftliche Integration erleichtert wird. Manderscheid betont jedoch auch, dass die Hilfe keineswegs nur Flüchtlingen zugute komme.

"Jeder kann ein Rad bekommen, sofern er seine Bedürftigkeit durch eine Bescheinigung der Stadt nachweisen kann." Dieses Angebot werde in letzter Zeit auch verstärkt wahrgenommen. Das Engagement selbst ist dabei nicht nur auf Radlerfreunde und Flüchtlinge begrenzt, Helfer seien immer willkommen. Helfen könne man aber auch durch Spenden. "Momentan können wir Kinderräder besonders gut gebrauchen."

Mit der Reparatur und Weitergabe dieser Räder kann dann schließlich wieder ein ganz praktischer Teil zur Integration beigetragen werden.

Zum Thema:

In der Fahrradwerkstatt in der Berliner Straße im Stadtteil Erbach besteht aktuell Bedarf an Kinderrädern. Abgeben kann man sie montags und dienstags von 10 bis 13 Uhr und mittwochs von 14 bis 18 Uhr. Erwachsenenräder werden kurzzeitig nicht angenommen, da die Lagerfläche ausgeschöpft ist.

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