Geschichte berührt - Geschichte berühren Julius Buch würde aus allen Wolken fallen

25 Jahre Weltkulturerbe Völklinger Hütte – eine spannende Vorgeschichte, Skandale, Ausstellungen und ein magischer Ort.

 Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte – hier ein Foto der Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“, die vom 6. Mai 2017 bis zum 8. April 2018 in der Gebläsehalle lief.   Foto: Oliver Dietze/Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte – hier ein Foto der Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“, die vom 6. Mai 2017 bis zum 8. April 2018 in der Gebläsehalle lief. Foto: Oliver Dietze/Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel

Vom Stahl-Moloch zum Weltkulturerbe: Mitte der 1960er Jahre, in ihrer Blütezeit, arbeiteten in der Völklinger Hütte 17 000 Menschen. Das hätte Julius Buch nie zu träumen gewagt. Der Kölner Hütteningenieur gründete 1873 in Völklingen ein Walzwerk, das nur sechs Jahre später wieder dicht machte. 1881 kaufte Carl Röchling das geschlossene Werk. Nur zwei Jahre später floss Eisen aus dem ersten Hochofen. 1890 waren die „Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke“ größter Hersteller von Eisenträgern in Deutschland. Doch nicht alles an der Werks-Geschichte ist rühmlich: Im zweiten Weltkrieg arbeiteten hier 14 000 Zwangsarbeiter.

All die Jahre, die das Werk in Betrieb war, wurde beständig aus- und umgebaut. Und da es mitten in der wachsenden Stadt Völklingen lag, machten die Ingenieure fast schon eine Kunst daraus, alles auf engem Raum zu errichten. Etwa den einmaligen „Schrägaufzug“ – ein Seilbahn-System, mit dessen Hilfe die Hochöfen beschickt wurden: Damit die sechs Hochöfen das weißglühende Roheisen in Bodennähe ausspucken konnten, mussten sie mit einem Gemenge aus Eisenerz, Koks, Schrott und Sinter gefüttert werden. Hunderttausende Tonnen Material waren so im Laufe der Jahrzehnte nach oben zur Gichtbühne und von dort zu den Hochöfen geschafft worden – bis zur Stahlkrise. Nach 1975 kam es zu verschiedene Fusionen, aus denen 1986 Saarstahl hervorging. Das Unternehmen betreibt noch heute ein modernes und meist erfolgreiches Stahlwerk. Die alte Hütte dagegen wurde 1986 stillgelegt, später unter Denkmalschutz gestellt – und schließlich, 1994, durch die Unesco als erste Anlage aus der großen Zeit der Hochindustrie zum Weltkulturerbe erklärt.

Heute kann man hier weitläufige Besichtigungstouren machen, die Gasgebläsehalle wurde zum Veranstaltungs- und Ausstellungsort, auch für kleinere Ausstellungen gibt es Bereiche. Unter den Ausstellungen gab es einige „dicke Dinger“, etwa „Leonardo da Vinci – Maschine Mensch“, die 2002/2003 Modelle von Erfindungen und Gedankenspielen des Renaissance-Giganten zeigte. Und bis April 2020 läuft noch „Pharaonengold“. Auf rund 60 Ausstellungen hat man es inzwischen gebracht, von „Playboy – Cartoon-Klassiker“ über „nackt – nu 1850 bis 1900“ oder „Urban Art“ bis „Buddha in Bangkok“.

Nicht immer ging alles geräuschlos über die Kulturerbe-Bühne. So schied zuletzt, nach 20 Jahren im Dienst, in denen es etwa vier Millionen Besucher gegeben hatte, Weltkulturerbe-Generaldirektor und Marketing-Stratege, Meinrad Maria Grewenig, aus dem Amt – nicht wirklich gern und nicht im guten Einvernehmen mit Kultusministerium und Aufsichtsrat, der ihn wegen Eigenmächtigkeiten gerügt hatte. Vor Grewenig hatte die damalige SPD-Landesregierung 1996 Messe-Manager Franz-Josef Zeithammer zur Vermarktung des Weltkulturerbes an die Saar geholt – der zwei Jahre später Schiffbruch erlitt und 2001 wegen Untreue auch zum Nachteil der Stiftung Industriekultur und des Landes verurteilt wurde. Verbunden mit einer Rüge an die Regierung, den Stiftungsvorstand nicht ausreichend kontrolliert zu haben. Bereits nach dem Aus für den Hüttenbetrieb war heftig über das weitere Vorgehen debattiert worden. Auch ein – extrem teurer – Abriss schien möglich.

 Ausstellung „Die Zwangsarbeiter“   Foto: Hans-Georg Merkel/Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Ausstellung „Die Zwangsarbeiter“ Foto: Hans-Georg Merkel/Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/ Hans-Georg Merkel
 Bild „Throwing Flowers“ in der Ausstellung „Banksy‘s Dismaland & Others – Fotografien von Barry Cawston“

Bild „Throwing Flowers“ in der Ausstellung „Banksy‘s Dismaland & Others – Fotografien von Barry Cawston“

Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel
 Bild „Rainbow Warriors“ von Psyckoze (links) in der Urban Art Ausstellung 

Bild „Rainbow Warriors“ von Psyckoze (links) in der Urban Art Ausstellung 

Foto: Oliver Dietze
 Foto aus der aktuellen Ausstellung „Pharaonengold – 3000 Jahre altägyptische Hochkultur“

Foto aus der aktuellen Ausstellung „Pharaonengold – 3000 Jahre altägyptische Hochkultur“

Foto: Oliver Dietze
 Meditation mit Mönchen während der Buddha-Ausstellung

Meditation mit Mönchen während der Buddha-Ausstellung

Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Karl Heinrich Veith
 Urban Art Ausstellung

Urban Art Ausstellung

Foto: Oliver Dietze

Was bleibt, ist jenseits von Ausstellungen, Skandalen und alten Debatten ein Ort, der auch für sich allein fast magisch wirkt. Das muss man nicht erklären, denn das merkt jeder, der einmal durch die alten Anlagen hinauf auf die Hochöfen spaziert.

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