Debatte über Zukunft der Kirche Eine Institution am Scheideweg

Bruchhof · Die Kolpingfamilie Bruchhof-Sanddorn debattierte die Frage: „Wozu noch Kirche?“ Zu hören gab es spannende Argumente.

 An den Anblick leere Bänke ist man in der Kirche gewöhnt.

An den Anblick leere Bänke ist man in der Kirche gewöhnt.

Foto: dpa/Oliver_Berg

Eine Auseinandersetzung besonderer Art gelang den Teilnehmern des monatlichen Kolping-Forums der Kolpingfamilie Bruchhof-Sanddorf in großer Runde: Zum Thema „Wozu noch Kirche?“ waren Dialogpartner geladen mit unterschiedlichen Positionen, angesichts der Missbrauchsskandale, der steigenden Zahl von Kirchenaustritten und immer leerer werdender Kirchen.

Alfred Lenz vom Vorstand des Diözesan-Katholikenrates Speyer berichtete von Gesprächen mit Bischof und Priestern, dass viele nicht zuhören, nicht hinhören können oder wollen, dass Vieles, was die Menschen in der Kirche bewegt, „nicht bei ihnen ankommt. Sie leben in ihrer eigenen Welt“. Seiner Meinung nach sollen Christen ihre Meinung mutig vertreten, kritisch sein gegenüber vorgegebenen Regularien, Traditionen und Verhaltensmustern bei Klerus und der Institution Kirche. Rebellierende, kritische Christen rütteln am Machtgefüge der Kirche und sollten deshalb offen bleiben für ein respektvolles Miteinander, da nur im Dialog „die Wahrheit gefunden wird“ und eine Neuorientierung beziehungsweise Weiterentwicklung möglich ist. Viele wünschen sich ein Zurück zu einer Kirche nach dem Vorbild und Leben Jesu. Er unterstützt die Aktion „Maria 2.0“, den Widerstand katholischer Frauen gegen verkrustete Meinungen, für mehr Gleichberechtigung der Frauen, Offenheit und Demokratie innerhalb der katholischen Kirche.

Mechthild Wagner, KFD-Vorsitzende in St. Eligius in Saarbrücken-Burbach, ehemalige Pfarrsekretärin, Mitorganisatorin der Aktion „Maria 2.0“, engagiert sich für den Zugang von Frauen zu den Weihesakramenten, für eine geschlechtergerechte Kirche und Welt, für Aufhebung des Pflichtzölibats, für die Ausrichtung der Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen, für Kinderschutz und gegen Missbrauch in der Kirche. Sie plädiert für mehr Demokratie und Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche und sieht die Institution Kirche kritisch. Sie wird einerseits weitgehend von Frauen auf sozialer, caritativer, organisatorischer Ebene mitgetragen, was sich laut Kolpingfamilie in Aktivitäten zeige, wie Besuchsdiensten bei Älteren, Alleinstehenden, Krankenkommunion, Organisation von Kaffee- und Spiele-Nachmittagen, Sing- und Bastelkreisen oder Fahrten.  Andererseits hätten Frauen kaum Rechte in der Kirche, die ohne sie auf lange Zeit nicht existenzfähig wäre.

Fabian Braun, Maschinenbau-Student, heute überzeugter Atheist, aus der Kirche ausgetreten, sehe die Institution Kirche kritisch und nicht mehr als zeitgemäß. Die Kirche mit ihren Regeln und ihrer veralteten Tradition erscheine langweilig, „in der Zeit stehengeblieben“, nicht mehr bei den Problemen und Sorgen der Menschen. Bei dem heutigen Weltgeschehen gebe sie wenig Orientierungshilfe. Die Kirche, die Moral predige, erscheine unglaubwürdig in Anbetracht von Pflichtzölibat, Sexuallehre und Missbrauchsfällen, die zum Teil vertuscht, geduldet, nicht an weltlichen Gerichten geahndet würden und deren Aufarbeitung mühselig und langsam geschehe. Die Natur-(Wissenschaften) kämen oft zu kurz oder würden nicht beachtet bei der Auslegung der Bibel, die oft nicht zeitgemäß interpretiert werde.

Mit den Besuchern dieses Forums entstand eine rege Diskussion, sowohl untereinander als auch mit den Dialogpartnern. Die Sorge um den Fortbestand der Kirche mit den vielen Kirchenaustritten und dem zunehmenden Priestermangel bewegt laut Mitteilung alle.

Viele sähen keine Zukunft für die Kirche in ihrer heutigen Form. Jeder Einzelne werde zukünftig noch mehr gefordert sein, als Glaubensgemeinschaft für die Menschen da zu sein. Sozusagen als „Seelsorger“:  da wo man gebraucht wird, Nächstenliebe zu leben. Dazu gehöre, Glauben miteinander teilen, zuhören, versuchen die Nöte anderer zu verstehen, trösten, Hilfe anbieten, kirchliche Dienste zu übernehmen und auszuführen (Beerdigungen, Gottesdienst feiern).

Die Kirche müsse wieder lernen, den Menschen eine „Heimat“ zu geben, Gemeinschaft ohne Vorurteile leben, über den „Tellerrand schauen“, den Menschen mehr Eigenverantwortung zutrauen. Moral als etwas akzeptieren, was auch an einen bestimmten Kulturkreis gebunden ist.

Es brauche mehr Offenheit und Wissen in der Kirche, aber auch den sorgsamen und respektvollen Umgang damit. Die Erneuerung der Kirche bedürfe einer Erneuerung im Geiste und Denken.

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