Homburg Kein leichter Abschied von der Mathe-AG

Homburg · Martin Fuchs, Mathematik-Lehrer am Johanneum, geht in Rente. Er leitete über 16 Jahre eine der erfolgreichsten Mathe-Gruppen im Saarland und stellte immer wieder Teilnehmer fürs Bundesfinale. Ein bisschen Sentimentalität ist dabei.

 Lang ist’s her: Hier die erste Mathe-AG aus dem Jahr 2003. Links neben Lehrer Martin Fuchs sitzt Michael Hartz, der in Kanada in Mathe promoviert hat und jetzt eine Laufbahn als Mathe-Professor in den USA beginnt - und aus dem Bliesgau stammt. Der Schüler im roten Pullover, der vor Martin Fuchs sitzt, ist Andreas Teucke, der heute am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken tätig ist. Das Mädchen mit den halblangen Haaren ganz links, Swenja Herges, ist ihren damaligen Plänen treu geblieben und hat Jura studiert. Sie arbeitet am Landgericht in Aachen. Neben ihr sitzt Tra Mi Nguyen, die Ärztin geworden ist.

Lang ist’s her: Hier die erste Mathe-AG aus dem Jahr 2003. Links neben Lehrer Martin Fuchs sitzt Michael Hartz, der in Kanada in Mathe promoviert hat und jetzt eine Laufbahn als Mathe-Professor in den USA beginnt - und aus dem Bliesgau stammt. Der Schüler im roten Pullover, der vor Martin Fuchs sitzt, ist Andreas Teucke, der heute am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken tätig ist. Das Mädchen mit den halblangen Haaren ganz links, Swenja Herges, ist ihren damaligen Plänen treu geblieben und hat Jura studiert. Sie arbeitet am Landgericht in Aachen. Neben ihr sitzt Tra Mi Nguyen, die Ärztin geworden ist.

Foto: Bernhard Reichhart

Die Erinnerung sei das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden könne, lautet ein weiser Spruch.  Doch so paradiesisch ist Erinnerung nun auch wieder nicht - vor allem nicht an die Schule. Der Mathe-Stoff, den man nicht begriffen hat, dürfte für so manche Erwachsene keine schöne Erinnerung sein, genausowenig die Bemerkung der Deutschlehrerin am Rand des vorwiegend rot leuchtenden Diktats.

Aber es gibt auch das Gegenteil.  Stunden voller Konzentration, Kameradschaft, gegenseitiger Hilfe - unter der Anleitung eines Lehrers, der genausoviel Freude an der Sache hat wie seine Schüler. Dann wird Schule zum Idealfall, und die Erinnerung an einen tollen Lehrer bleibt ein Leben lang. Auch das gibt es.

Zum Beispiel bei der Mathe-AG am Gymnasium Johanneum in Homburg, die der Mathematiklehrer Martin Fuchs 2002 ins Leben gerufen hat, „wegen einer Schülerin, die damals ins Bundesfinale der Mathematikolympiade kam.“ Da habe er sich gedacht: „Das kann man doch ausbauen. Warum nicht eine lockere Mathe-Arbeitsgruppe gründen und für diese Olympiade trainieren?“, erzählt Martin Fuchs. Und so bildete er die erste AG, deren Teilnehmer schon ein Jahr später den ersten Platz beim Saarlandfinale belegten - und 2004 schließlich mit Simon Heinzel, Andreas Teucke und Michael Hartz ins Bundesfinale kamen.

Die drei Schüler von damals sind heute Mathematiker beziehungsweise Informatiker. Michael Hartz, ein stets gut gelaunter, rothaariger  Bliesgauer Bub, balancierte im Sommer 2005 anlässlich seiner erfolgreichen Bundesfinal-Teilnahme ein Kuchenblech mit „Kerschekuche“ von der Oma in den Klassenraum der Mathe-AG und schnitt geometrisch einwandfreie Teile daraus, die er größzügig verteilte.

Michael Hartz  ist inzwischen ein promovierter Mathematiker mit einem  Ph.D Grad der University of Waterloo in Kanada und ist auf dem Weg zum Mathe-Professor in den USA. „An ihn erinnere ich mich natürlich“, lacht Lehrer Martin Fuchs, „aber auch an all die anderen, die im Laufe der Jahre meine Mathe-AG besucht haben.“

Oftmals waren es Geschwister, im Fall der 15-jährigen Julia Langenstein sogar eine Familiengeschichte, denn nicht nur ihre Schwester Sarah ist in der Mathe-AG, auch ihr Vater Albert hatte schon bei Martin Fuchs die Grundzüge der Mathematik gelernt, „aber da gab es noch keine Mathe-AG“, erklärt Julia. Ihr Lieblingsfach ist Mathe, eine Antwort, die auch schon die große Schwester Sarah gab, die 2015 nach Cottbus zur Matheolympiade gereist war.

Und nun geht Martin Fuchs in Pension und zieht sich zurück in seinen Heimatort Urexweiler.  Was er sich vorstellen könnte: „Wenn das Bundesfinale der Mathematik-Olympiade ins Saarland kommen sollte, helfe ich gerne bei der Ausrichtung.“ Das sei es aber schon.

Natürlich wird die Mathe-AG weiterbestehen, die junge Kollegin Anna Bernard steht schon bereit, sie stammt aus Losheim, hat in Heidelberg studiert und unterrichtet seit 2015 am Johanneum Mathematik  und Chemie. Bisher hat sie die jüngeren Mathe-AG-Teilnehmer unter ihren Fittichen gehabt, „nun werden es alle Altersstufen sein.“

Ein ziemlicher Spagat, „der aber auch seine Reize hat“, wie Fuchs einräumt. Er erinnert sich gerne daran, dass mal ein Schüler aus der sechsten Klasse einem Mitschüler aus der siebten Klasse seinen Lösungsweg erklärt hat. Überhaupt seien die Problemlösungsstrategien in der Mathe-AG immer das Spannendste am Beruf gewesen: „Es gibt mehrere Wege, zu einer Lösung zu kommen. Über die reine Mathematik, durch Ausprobieren und praktische Ansätze.“  Es habe ihm immer Spaß gemacht, den Gedanken der Schülerinnen und Schüler zu folgen, betont Martin Fuchs: „Die Jüngeren  knobelten an einer Lösung über Umwege, die Älteren griffen dann doch eher auf ihr mathematisches Handwerkszeug zurück.“

Die Teilnahme an der einmal wöchentlich stattfindenden Mathe-AG ist freiwillig und steht allen Kindern und Jugendlichen offen. Wer einmal Spaß daran gefunden hat, kommt für den Rest seiner Schulzeit, „wir haben sehr wenig Schüler, die abspringen“, sagt Fuchs. Die Anzahl schwankt zwischen 16 und 20 jungen Leuten. Hat sich viel verändert seit 2002? „Nein, nicht in der Mathe-AG“, betont Martin Fuchs, „die Schülerinnen und Schüler bringen nach wie vor ihren Enthusiasmus mit, sie tüfteln an Lösungen, überlegen sich  neue Wege und verstehen sich untereinander.“

 So viele Schülerinnen und Schüler wie 2015 hatte Martin Fuchs (rechts) noch nie zu einer Mathe-Olympiade geschickt: Eduard Braun, Anna-Maria Maurer, Céline Sandmaier, Clara Schug und Sarah Langenstein (v.l.). Die fünf jungen Leute vom Homburger Gymnasium Johanneum wurden in der Mathe-AG  auf die Mathe-Olympiade vorbereitet.

So viele Schülerinnen und Schüler wie 2015 hatte Martin Fuchs (rechts) noch nie zu einer Mathe-Olympiade geschickt: Eduard Braun, Anna-Maria Maurer, Céline Sandmaier, Clara Schug und Sarah Langenstein (v.l.). Die fünf jungen Leute vom Homburger Gymnasium Johanneum wurden in der Mathe-AG  auf die Mathe-Olympiade vorbereitet.

Foto: Christine Maack

Somit ist „sein Mathe-Baby“, das er 2002 aus der Taufe gehoben hat, immun geblieben gegenüber der Banalisierung der Bildungslandschaft und auch gegenüber dem Hü und Hott in der Politik. Was diese Gruppe von Anfang an ausgezeichnet hat, sind die Ideale  der Aufklärung: Fragen stellen, Dingen auf den Grund gehen, Lösungswege finden, sich durch Berge von Unwissen durchkämpfen, bis am Ende die Erkenntnis winkt. Ein Ort des freigeistigen mathematischen Experimentierens soll die Mathe-AG bleiben.  Martin Fuchs hat kein Problem damit, sich vom Lehrer-Beruf zu verabschieden, „aber bei meiner Mathe-AG werde ich wohl doch noch nasse Augen bekommen.“

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