Kein Jubel über eine G 9-Rückkehr

Homburg · Vorsichtig-kritisches Beäugen bis Ablehnung bei den Gymnasien, zum Teil Sorgen in der Gemeinschaftsschule: Der Vorstoß der SPD, Gymnasien die Wahl zu lassen, ob sie in acht (G 8) oder in neun Jahren (G 9) zum Abitur führen, wurde bei Homburger Schulleitern sehr zurückhaltend bewertet.

 Nach dem Start zu G8 im Saarland im Jahr 2001 war die Luft beim Turbo-Abi schnell raus. Es hagelte jede Menge Kritik. Auch Eltern setzten sich vehement für eine Rückkehr zu G 9 ein. Foto: dpa

Nach dem Start zu G8 im Saarland im Jahr 2001 war die Luft beim Turbo-Abi schnell raus. Es hagelte jede Menge Kritik. Auch Eltern setzten sich vehement für eine Rückkehr zu G 9 ein. Foto: dpa

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Kurz vor der Anmeldungsphase in den weiterführenden Schulen hat die SPD einen neuen Vorschlag zum umstrittenen Turbo-Abi in den Ring geworfen. Sie will nach der Landtagswahl am 26. März die Rückkehr zu G 9 ermöglichen. Schulen sollen darüber selbst entscheiden. Dies sorgt für jede Menge Diskussionen.

Bei den Leitern der Homburger Gymnasien stößt das zwar nicht auf Begeisterung, aber auch nicht überall auf strikte Ablehnung. Wolfram Peters, Schulleiter des Mannlich-Gymnasiums, steht dem Ganzen sehr kritisch gegenüber, auch wenn für ihn persönlich die beste Zeit im Unterricht diejenige war, als es G 9 und eine Oberstufe mit Leistungs- und Grundkursen gab.

Peters, der zugleich Sprecher der Vereinigung der Oberstudiendirektoren der Gymnasien im Saarland (VOS) ist, stellt klar, dass es noch keinen Verbandsbeschluss gebe, auch weil dieser Vorschlag aus heiterem Himmel gekommen sei. Einige seiner Kollegen sagten, gerade G 8 zeichne die Schulform Gymnasium aus. Sie seien also dafür, dass G 8 bleibt. Zwischen dezidiert G 8 und dezidiert G 9 seien die Meinungen einigermaßen breit gestreut.

Und wie sieht es für das Mannlich-Gymnasium selbst aus? Das wesentliche Problem an G 8, so Peters, sei die Art gewesen, wie es betrieben wurde: nicht gründlich organisiert, ohne ein geschlossenes Konzept vorab, es sei im Verlauf daran herumgedoktert worden.

Es gehe jetzt um den Prozess bei einer möglichen Umstellung auf G 9. Der könne Schwierigkeiten oder Gutes bringen. Zu beantwortende Fragen: Wie soll dieser gestaltet sein, wie soll ein Lehrplan angepasst werden, welches G 9 soll kommen? Es könne auch nicht jede Schule für sich beschließen. Das sei Sache der Landesverwaltung, die müsse schauen, welches Angebot man wo mache, einem Zufallsprinzip erteilt er eine Absage.

Deutlich ablehnende Worte findet Jürgen Mathieu, Schulleiter des Saarpfalz-Gymnasiums. Er halte die Diskussion weder für zielführend noch für sinnvoll. Statt die Struktur selbst zu verändern solle man lieber in der Struktur Veränderungen herbeiführen, Beispiele für ihn: sich um den Lehrplan kümmern, so dass mehr Freiräume entstehen, Fördermöglichkeiten ausweiten, besser personalisieren, kleinere Klassen ermöglichen.

Die beschränkten Mittel, die das Saarland habe, sollten in die Reform der Oberstufe und in Lehrplankürzungen in der Mittel- und Unterstufe gesteckt werden. G 8 und G 9 parallel an einer Schule "geht gar nicht". Wenn am Saarpfalz-Gymnasium G 9 käme, würde das zu einer "gigantischen Enge" führen. In dem Gebäude sei das im Moment nicht zu realisieren.

Helmut Seiwert, Schulleiter am Johanneum, ist der Meinung, dass Schüler, die fürs Gymnasium fähig sind, auch G 8 schaffen.

Es gebe eher Probleme am Nachmittag, da das Vereinsleben leide, Sport oder ein Instrument zu erlernen werde schwierig. Dass jede Schule für sich entscheide, ob sie G 8, G 9 oder beides anbietet, hält er für problematisch. Es wäre sinnvoller, "wenn es einheitlich geregelt wird".

Wenn man sich dafür entscheide, müsste es "sehr sorgfältig eingeführt werden" und nicht so wie es bei G 8 passiert sei. Grundsätzlich sieht er Vorteile in G 9 gegenüber G 8: Der Druck auf die Schüler werde geringer. Zumal das, was mit G 8 bezweckt worden sei, der frühere Einstieg ins Berufsleben, in der Breite nicht passiert sei.

Und wie sehen es die Gemeinschaftsschulen ? Sie nehme wahr, dass einige Schüler überfordert seien mit dem Takt von G 8, sagt Gabriele Schwartz, Leiterin der Galileoschule in Bexbach.

Den Schulstandort sehe sie auch bei einer Einführung von G 9 an Gymnasien nicht gefährdet. Es habe an ihrer Schule bereits eine Oberstufe gegeben, als das Abitur nach neun Jahren an Gymnasien noch üblich war. Es existiere ein gewachsenes System, das angenommen werde.

Sabine Bleyer, sie leitet die Sandrennbahnschule, hat den Eindruck, dass die Gemeinschaftsschule um eine gewisse Akzeptanz kämpfe. Sie sorge sich, dass diese Schulart als zweite Form zum Gymnasium bei einer G 9-Rückkehr gar nicht mehr wahrgenommen werde. Zumal sich laut einer Umfrage die Mehrheit der Eltern G 9 wünsche. "Wenn wir sehen, wie hoch unsere pädagogische Leistung ist", sei das "unfair".

Für Bleyer ist generell eine stabile Bildungspolitik für alle erfolgversprechend.

Zum Thema:

Hintergrund Im Saarland wird das G 8-Abitur seit dem Schuljahr 2001/2002 praktiziert. Eingeführt wurde es vom damaligen Kultusminister Jürgen Schreier (CDU ). Im Bereich der weiterführenden allgemein bildenden Schulen gilt seit dem Schuljahr 2012/2013 ein Zwei-Säulen-Modell. Es besteht aus Gemeinschaftsschule und grundständigem Gymnasium. Beide Schulformen ermöglichen alle Abschlüsse bis zur allgemeinen Hochschulreife, wobei das Abitur am Gymnasium nach zwölf Schulbesuchsjahren, an der Gemeinschaftsschule nach 13 erreicht werden kann, heißt es dazu auf der Internetseite der Landesregierung. Das Gymnasium vermittele eine erweiterte und vertiefte allgemeine Bildung. Die Gemeinschaftsschule umfasse die drei Bildungsgänge, die zum Hauptschulabschluss, zum mittleren Bildungsabschluss und zum Abitur führen. Vor kurzem hatte eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Elternvereins für schulische Bildung Saar gezeigt, dass sich sich 72 Prozent der Befragten die Rückkehr zur neunjährigen Schulzeit an Gymnasien (G 9) wünschen. In der Erhebung sprachen sich 19 Prozent gegen eine Rückkehr zu G 9 aus; die übrigen zeigten sich unentschieden. ust

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