Kampf um Kinderherzchirurgie

Homburg · Bis freie Stellen mit Kinderkardiologen wieder besetzt werden können, wird am Universitätsklinikum in Homburg keine Kinderherzchirurgie vorgehalten. Das teilte gestern der scheidende Ärztliche Direktor, Wolf-Ingo Steudel, mit. Er rechnet mit einem Neustart Anfang kommenden Jahres.

 Die kleine Afnan Qeshta aus dem Gaza-Streifen wurde im vergangenen Jahr in Homburg am Herzen operiert. Hier ist sie mit Professor Hashim Abdul-Khaliq, dem Direktor der Klinik für pädiatrische Kardiologie, zu sehen. Foto: Thorsten Wolf

Die kleine Afnan Qeshta aus dem Gaza-Streifen wurde im vergangenen Jahr in Homburg am Herzen operiert. Hier ist sie mit Professor Hashim Abdul-Khaliq, dem Direktor der Klinik für pädiatrische Kardiologie, zu sehen. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Magdalena Zejmo ist ziemlich verzweifelt: 20 Monate alt ist ihre Tochter, sie hat einen angeborenen Herzfehler, wurde mehrfach am Uniklinikum des Saarlandes in Homburg operiert. Jetzt hat sie gehört: Operationen soll es in der Kinderherzchirurgie ab Oktober erst einmal nicht mehr geben. Sie ist verunsichert und fragt sich: Wie wird es weitergehen? So wie ihr geht es vielen anderen betroffenen Eltern: Ängste kommen auf, daher wurde eine Petition im Internet für den Erhalt der Abteilung in Homburg gestartet. Bis gestern Nachmittag hatten knapp 400 Menschen unterschrieben. Die Kommentare, die dort zu lesen sind, spiegeln die Stimmung zwischen Kampfbereitschaft und Verzweiflung wider: "Solche Stationen sollten ausnahmslos geöffnet bleiben, weil jeder das Recht hat, Hilfe zu bekommen." Oder: "Wir können doch nicht Homburg als solch qualifizierten Standort verlieren!!! Unfassbar und geschockt!!!".

Gestern Morgen, und damit kurz vor seiner Verabschiedung am Abend, bestätigte der Ärztliche Direktor des Uniklinikums, Professor Wolf-Ingo Steudel, zur Kinderherzchirurgie, dass ab 1. Oktober "keine derartigen Eingriffe mehr durchgeführt werden können". Kinder beziehungsweise deren Eltern müssten in der Zwischenzeit auf andere Kliniken ausweichen. Allerdings sei dies nur vorübergehend so. Das Klinikum bemühe sich mit aller Kraft, die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu erfüllen. Diese seien der Hintergrund für die Entscheidung. Es gebe darin zum Beispiel Vorgaben dazu, was alles in einem Gebäude vorhanden sein müsse. Es gehe auch um Ärzte - und da liege das Problem. In der Kinderkardiologie seien hochqualifizierte Ärzte weggegangen, sagt Steudel. Um eine Stelle rund um die Uhr zu besetzen, brauche man sechs Fachärzte. Eine Stelle könne man schon mal ausgleichen, wenn dann ein anderer gehe, sei Schluss. Steudel sprach von einer "normalen Fluktuation" und betonte, dass Personal nicht gebunkert werden könne, dafür sei das System der diagnosebezogene Fallgruppen (DRG) nicht ausgelegt. "Wir können Kinderkardiologen nicht aus dem Hut zaubern", so Steudel. Der Markt in Deutschland sei "ganz eng". Er rechnet dennoch mit einem Neustart in ein paar Monaten, Anfang des neuen Jahres. Die infrastrukturellen Vorgaben seien durch eine personelle Doppelstruktur gelöst - allerdings sei diese kosten- und personalintensiv und konnte durch die Weggänge nicht mehr aufrechterhalten werden. Andere Bereiche etwa die Kinderonkologie , die übrige Kinderchirurgie oder die Frühgeborenenstation seien nicht berührt.

Professor Hashim Abdul-Khaliq, Direktor der Klinik für pädiatrische Kardiologie, betonte, dass er überhaupt nicht zufrieden sei mit dem Zustand, "den wir haben". Aber er beruhigt auch: Nur Operationen, die akut seien, müssten an andere Kliniken verlagert werden. Alles, was nicht notfallmäßig sei, werde verschoben. Die Operationen in Homburg seien nur für kurze Zeit ausgesetzt. Alle anderen Maßnahmen, etwa Herzkatheter-Untersuchungen "können wir nach wie vor machen", genauso wie die Betreuung operierter Kinder. Er wolle, betont er, optimale Bedingungen. Die Umsetzung der Richtlinien habe viele Ursachen, es hänge auch an den Baugegebenheiten am Uniklinikum. Da das OP-Gebäude ein gutes Stück von der Kinderklinik entfernt liegt, hätten Kinder hin- und hertransportiert werden müssen. Nach den jetzigen Richtlinien "dürfen wir das nicht", oder vielmehr: Wer die Richtlinien nicht erfülle, könne nicht mehr abrechnen, bekomme kein Geld. Für ihn ein schwerwiegendes Problem: die Ärzte , die das Klinikum verlassen haben. Für ihn selbst stehe das überhaupt nicht zur Debatte. Die Kinderkardiologie müsse entweder in den Neubau für die Innere Medizin ziehen oder ins chirurgische Haus. Damit alles nicht scheitere, müsse das Personalproblem gelöst werden. Es gebe in fast allen Kinderherzzentren einen Mangel an hochspezialisierten Ärzten und Schwestern. Er sei aber voller Zuversicht, dass wir es weiter fortsetzen. "Keiner will das hier beenden."

Bernd Funk, stellvertretender Vorsitzender des Vereins herzkrankes Kind Homburg , sieht die Ursache für die jetzige Situation in Versäumnissen früherer Jahre. Die Klinikleitung sei "nicht in der Lage und willens" gewesen die Forderungen der GBA-Beschlüsse umzusetzen. Er wendet sich auch an die Landesregierung. Kinderkardiologie inklusive Kinderherzchirurgie "bringen kein Geld, sondern kosten Geld". Da müsse das Land klar machen, was es will.

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