Jürgen John übernimmt Michelin-Werk

Homburg. Wenn Franzosen sagen, jemand habe ein "dickes Herz", dann heißt das nicht etwa, dass jemand großzügig sei. Nein, es beschreibt vielmehr jenen Zustand zwischen Rührung, Abschiedsgefühlen und versteckter Sentimentalität

Homburg. Wenn Franzosen sagen, jemand habe ein "dickes Herz", dann heißt das nicht etwa, dass jemand großzügig sei. Nein, es beschreibt vielmehr jenen Zustand zwischen Rührung, Abschiedsgefühlen und versteckter Sentimentalität. Ein Gefühl, das gestern auf Jean-Michel Belleux zutraf, der das Homburger Michelin-Werk verlässt, um ein um ein vielfaches größeres Werk im polnischen Olsztyn zu leiten. Freunde, Kollegen, Mitarbeiter und sogar der saarländische Ministerpräsident Peter Müller und der französische Generalkonsul Philippe Cerf machten dem scheidenden Werksdirektor Jean-Michel Belleux gestern im Restaurant des Michelin-Werks ihre Aufwartung. Es gab Lob, Geschenke, Ansprachen und Dankesreden. Und Belleux' Nachfolger wurde vorgestellt, der im Homburger Werk kein Unbekannter ist: Jürgen John, 49 Jahre, ist seit 1984 bei Michelin beschäftigt. Der diplomierte Verfahrenstechniker war vor seinem Ruf ans Homburger Werk drei Jahre als Leiter der Lkw-Reifenproduktion in Budapest tätig. Er stammt aus Tholey, seine Frau ist Saarbrückerin - und in Homburg hat er auch schon gearbeitet, bevor er nach Budapest ging. "Er ist uns gut bekannt", sagte Oberbürgermeister Karlheinz Schöner. Der Homburger Michelin-Personalleiter Guido Faust führte mit bewährt trockenem Humor durch die Veranstaltung und zeigte, dass bei Michelin ein ironisches Wort durchaus geschätzt wird. Das griff auch der Betriebsratsvorsitzende Raymond Ott gerne auf, der in seiner kurzen Rede Belleux daran erinnerte, den Betriebsrat anfangs für einen Haufen unberechenbarer Gewerkschafter gehalten zu haben. "Aber das hat sich positiv entwickelt" betonte Ott. Belleux habe am Ende die Sozialpartnerschaft sehr zu schätzen gewusst. Ministerpräsident Peter Müller bedankte sich für das Engagement Belleux' im öffentlichen Leben und versprach, "mit einem großen Bus nach Polen zu kommen." Auch Landrat Clemens Lindemann und Oberbürgermeister Schöner schlossen sich als Reisegruppe gerne an. Ob Belleux gerne geht? Darüber zu sprechen verbot sich natürlich bei einer öffentlichen Veranstaltung, aber eine neue Sprache, ein großer Umzug, das Verlassen von Kindern und Enkeln im nahen Frankreich, das noch leere Haus in der Nähe von Paris, das selten benutzte Boot in der Bretagne - das alles wies darauf hin, dass der nun ehemalige Leiter des Homburger Werkes gestern allen Grund hatte, "ein dickes Herz" zu haben. Neben den offiziellen Rednern auf der Liste gab es noch mehrere Freunde und Bekannte, die Belleux ihren Gruß überbringen wollten. Darunter Giuseppe Nardi von Naturwaren Theiss, der als "guter Nachbar" Belleux einen prall gefüllten Korb mit Kosmetika überreichte: "Damit Sie in Polen nicht alt aussehen." Staatssekretärin Astrid Klug dankte Belleux, ebenso Pfarrer Axel Brecht, dem Belleux für einen Hilfs-Lkw in Afrika Reifen gespendet hatte. Bei einem Pfarrer, sagte Personalchef Faust, "da kommt das Lob für Belleux von allerhöchster Stelle." Und das war gestern dann auch tatsächlich nicht mehr zu überbieten. </bu_text>

Auf einen BlickJean-Michel Belleux war seit 2005 für das Michelin-Werk in Homburg verantwortlich. Der 59-Jährige ist kein Micheliner von Anbeginn, er kam erst im Jahr 2000 zu dem französischen Reifenhersteller. Seine erste große Station war die Leitung des Reifenwerks im italienischen Alessandria im Piemont. Danach wechselte er an die Spitze des Werks in Homburg, wo er die gesamte Produktivität des Werkes steigern konnte. Hier trug er die Verantwortung für 1200 Mitarbeiter, in seinem künftigen Werk in Polen sind es 5000. Sein Nachfolger Jürgen John ist schon seit 1984 bei Michelin beschäftigt.

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