Industriegelände mit Froschkonzert

Homburg · Ein Industriegelände, auf dem seltene Tierarten leben - das ist kein Widerspruch. Freilandforscher Christoph Bernd hat zwischen Altstadt und Homburg unter Steinen und Gestrüpp, in Teichen und Höhlen, wieder Waldkäuze, Ringelnattern, Unken und Fledermäuse angesiedelt.

 Hinter den Gleisen der Firma Bahnlog leben Tiere im Einklang mit Schotter und Lkw's. Fotos: BahnL/Kopp

Hinter den Gleisen der Firma Bahnlog leben Tiere im Einklang mit Schotter und Lkw's. Fotos: BahnL/Kopp

Fuchs und Hase sagen sich nicht Gute Nacht. Sie gehen sich lieber aus dem Weg - aber Nachbarn sind sie allemal. Jedenfalls auf dem zweieinhalb Kilomter langen Wald- und Industriegelände, das der Firma Bahnlog gehört und sich von Altstadt bis vor die Tore des Homburger Hauptbahnhofs zieht.

Fuchsbauten gibt es mehrere dort, vor allem in den Unterhöhlungen unterhalb der alten Bahnsteigmauer. Die Hasen hingegen bringen ihre Jungen in Wiesenmulden zur Welt und hoffen, dass Raubvögel sie nicht sichten, wenn sie ihre Kreise ziehen. Denn die gibt es auch auf dem Gelände. Ebenso wie Steinkäuze, Fledermäuse und Frösche.

Seit fünf Jahren beschäftigt sich Freilandforscher Christoph Bernd im Auftrag der Firma Bahnlog mit Artenschutz und "Hilfsmaßnahmen zur Wiederbesiedelung von bedrohten Arten"- das heißt, er will Fledermäuse , Ringelnattern, Gelbbauchunken und Steinkäuze wieder heimisch machen. Das Gelände der Firma Bahnlog, auf dem Bahnschotter wiederaufbereitet, Material von der Schiene auf LKw's verladen und Gleisbauarbeiten durchgeführt werden, galt bei den Anwohnern nicht gerade als Biotop. Es gab eine Bürgerinitiative, die dem Unternehmen vorwarf, die Umwelt zu schädigen. Dass sich Tiere bei Bahnlog ansiedeln würden, glaubte niemand. "Für manche klingt es paradox, doch es sind die alten Industrielandschaften, die seltenen Arten Schutz bieten", betont Christoph Bernd. Steine, trockene Wiesen, verlassene Mauern und Wasserlöcher werden wieder besiedelt, man nennt die Tiere "Industriefolger". Die Natur, so Bernd, sei kein statisches Gebilde, sondern verändere sich - und mit ihr das Verhalten der Tiere.

In alten Stollen hängte er Unterschlupfmöglichkeiten für Fledermäuse auf, aus Lagerhallen baute er riesige Volieren für die Steinkauze, die derzeit auf dem Gelände in Nistkästen geschlüpft sind. Sie werden später in die Volieren gebracht, können von dort ein- und ausfliegen, sich an die Landschaft gewöhnen und später ein neues Gebiet für sich erobern. Unterhalb einer Sandsteinmauer hat Christoph Bernd Naturteiche angelegt, in denen die Frösche quaken. Was er nicht gebrauchen kann, sind selbst ernannte Naturfreunde, die ungefragt in einem Teich Fische oder Seerosen eingesetzt haben. Das mag gut gemeint sein, aber die Natur ist ein komplexes Gebilde: Wo Fische sind, haben Amphibien keine Chance mehr - im Teich herumpfuschen endet tödlich.

Meinung:
Natur macht, was sie will

 Der Hase kann nur in einer offenen Landschaft leben.

Der Hase kann nur in einer offenen Landschaft leben.

Von SZ-RedakteurinChristine Maack

Mit der Natur ist es wie mit der Schule: Jeder fühlt sich berufen mitzureden. Man war schließlich selbst mal Schüler - oder man war mal wandern und kennt die Natur nun ganz genau. Hört man jedoch Fachleuten zu, erkennt man schnell, dass man von den echten Zusammenhängen nur sehr wenig versteht. Die Natur ist kein statisches Gebilde, das nur dann "gut" ist, wenn der Mensch sich 'raushält. Das traf vor 4000 Jahren in unseren Wäldern zu, als die Natur sich noch selbst regulierte. Doch der Mensch greift seit 1000 Jahren massiv in diese Zusammenhänge ein. Was dabei oft vergessen wird: Auch die Natur hat sich auf den Menschen eingestellt. Durch die Stilllegung der Halde Haniel in Bottrop, der höchsten Halde des Ruhrgebiets mitten im Industriegebiet, konnten sich beispielsweise viele bedrohte Tierarten wieder ansiedeln, die in Nordrhein-Westfalen anderswo längst in ihren Beständen gefährdet sind: Turmfalken, Erdkröten, Zauneidechsen und Wildkaninchen. Ähnlich verhält es sich auf dem Gelände von Bahnlog. Umweltfreunde mögen das zynisch finden, doch die Natur ist nun mal so.

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