Im Kampf für die Demokratie"Ich bin im vereinigten Deutschland angekommen"

Homburg. Am Ende war der Auftritt Siegbert Schefkes als Festredner beim Festbankett der Siebenpfeiffer-Stiftung einer, den so wohl die wenigsten erwartet hatten

Homburg. Am Ende war der Auftritt Siegbert Schefkes als Festredner beim Festbankett der Siebenpfeiffer-Stiftung einer, den so wohl die wenigsten erwartet hatten. Abseits eingeübter Formulierung und im Laufe der Jahre vielleicht gewonnener Abgebrühtheit in der Öffentlichkeit ließ der Mann, der mit seinen in den Westen geschmuggelten und von dort in die DDR ausgestrahlten Filmaufnahmen der Montagsdemonstrationen im Oktober 1989 dem DDR-Regime einen entscheidenden Stoß gegeben hatte, seine Zuhörer im großen Sitzungssaal des Homburger Rathauses ganz nah an sich heran. Mehrere Male versagte Schefke die Stimme, als er zu Beginn seiner Rede von den Repressalien erzählte, die ihm in seinen jungen Jahren widerfahren waren. Gleichwohl verlieh genau das dem Vortrag des Bambi-Preisträgers eine nachvollziehbare Authentizität. Später eher nüchtern und auch mit der einen oder anderen eher komischen Anekdote schilderte Schefke seinen ganz persönlichen Weg hin zum Bürgerrechtler, hin zu dem, was die Staatssicherheit der DDR als "Operativen Vorgang" bezeichnete. "In der DDR gab es rund 400 solcher operativen Vorgänge. Einer davon war ich." Siegbert Schefke verdeutlichte an seinem eigenen Weg durch die Geschichte der DDR vieles von dem, was heute vergessen wird. Und auch den legendären Höhepunkt seines Kampfes, als er die Montagsdemonstration in Leipzig am 9. Oktober 1989 vom Dach der Reformierten Kirche aus filmt, diese nach Westdeutschland schmuggelt und so einen Damm zum Brechen bringt, wodurch das DDR-Regime letztendlich hinweg gespült wurde, schildert Schefke mit hoher Eindringlichkeit und Dichte. "Mein Partner Aram Radomski sagte damals zu mir: ,Wenn diese Bilder morgen gesendet werden, dann verändern wir nicht die DDR oder Deutschland, dann verändern wir die ganze Welt'." Vor Schefkes beeindruckender Festrede hatte Landrat Clemens Lindemann als Vorsitzender der Siebenpfeifferstiftung an die Gründung des Press-Vereins im Jahr 1832 als historischen Anlass für das jährlich stattfindende Siebenpfeiffer-Bankett erinnert und die Brücke geschlagen zwischen dem Kampf des Vormärz für die Demokratie und der Leistung Schefkes für die Freiheit in ganz Deutschland. Hat sich Deutschland nach der Wende so verändert, wie Sie es sich gewünscht haben?Schefke: Ich bin mit Deutschland im Reinen. Wir wollten damals keine Wende, sondern einen politischen Neuanfang mit neuen Köpfen. Für mich hat sich so die Welt geöffnet. Ich bin im vereinigten Deutschland angekommen.Ist die heutige, teils ostalgische Sicht auf die ehemalige DDR angemessen?Schefke: Wenn ich heute höre ,Das war doch damals nicht alles schlecht in der DDR', dann stimmt das nicht. Es war in der DDR alles schlecht. Diese oft zitierte Nähe und Kameradschaft war nur aus der Not geboren, weil wir nichts anderes hatten.Reduzieren Sie die zahlreichen Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz, heute auf ihre Leistungen des Jahres 1989?Schefke: Nein. Ich fühle mich nicht auf 1989 reduziert. Ich bin im Heute angekommen, habe zwei Töchter. Wir haben zwei Jahre in Teneriffa gelebt, im Februar geht es für längere Zeit nach Miami. Ich bin also schon im Jetzt aktiv. Aber ein bisschen Rückschauhalten mit Zeitzeugen ist okay, das ist auch für mich in Ordnung. Meinung

Die Macht des Mutes

Von SZ-Redakteur Ralph Schäfer Eines hat Siebenpfeiffer-Festredner Siegbert Schefke am Sonntag eindrucksvoll untermauert: Mut hat Macht und kann die Welt verändern. Was er und viele Mitstreiter geschafft haben, diente einem hohen Gut, dem sich vor langer Zeit auch Siebenpfeiffer verschrieben hatte: der Freiheit. Und was damals von Leipzig ausging und dank Schefke auch in bewegten Bildern im Westen ankam, war auch die Botschaft, dass Mut und Zivilcourage Grundvoraussetzungen sind, um in Sachen Freiheit was auch immer zu bewirken. Und daran hat sich bis auf den heutigen Tag nichts geändert. Hoffentlich hat die Gesellschaft genug Mutige, um der Freiheit wirklich dauerhaft ihre Bahn zu brechen.

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