Ein Thriller mit vielen Schwächen von den „Kluftinger“-Machern Thriller von den „Kluftinger“-Machern mit Schwächen

Homburg · Das eigentlich kongeniale Krimi-Duo Michael Kobr und Volker Klüpfel hat sich beim Genrewechsel an „Draußen“ doch ein Stück weit verhoben: Zu viele Themen sind vermixt, die Struktur ist kompliziert, und die Figuren bleiben distanziert.

 Hörbuch Hamburg

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Mit der Krimi-Reihe um den herrlich schrägen Allgäuer Kommissar Kluftinger haben sich Michael Kobr und Volker Klüpfel in den vergangenen 20 Jahren einen Namen gemacht. 13 Bände um den in Altusried wohnenden Polizisten sind bisher erschienen, der jüngste, „Affenhitze“, 2022. Zwischenzeitlich haben die beiden aber auch Genrewechsel gewagt: jüngst „Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire“ und bereits 2020 mit dem Thriller „Draußen“, den Hörbuch Hamburg mit dem gewohnt starken Daniel-Craig-Synchronsprecher Dietmar Wunder als Vorleser veröffentlicht hat.

Doch größer könnte der Kontrast sowohl stilistisch als auch inhaltlich zu den „Kluftinger“-Krimis kaum sein. Dort der in seiner idyllischen Heimat geradeaus ermittelnde Polizist, hier eine verzwickt-verschachtelte Geschichte, die thematisch recht wild Survival, Fremdenlegion, Blackout, Lobbyismus in der Politik und eine vertrackte Familiengeschichte vermischt. Dabei kommt dieser Plot bis zum sehr dramatischen Ende teilweise sehr brutal daher.

Zu Beginn wird ein junges Mädchen in den Brandenburger Wäldern überfallen – man glaubt, hier beginnt ein Psychothriller mit einem Mord, und es geht in der Folge um die Suche nach dem Täter. Doch gefehlt. Die Waise Cayenne, so das überfallene Mädchen, überlebt und wird von ihrem jüngeren Bruder Joshua und Stephan, ihrem väterlichen Beschützer, aus dem Krankenhaus „gerettet“. Dann geht es wieder zurück in ihr Versteck im Wald. Denn die drei leben im Verborgenen, von Stephan militärisch gedrillt – um auf eine unliebsame Begegnung vorbereitet zu sein, über deren Hintergründe man lange im Unklaren bleibt. Parallel dazu geht es um den skrupellosen, zwielichtigen Lobbyisten Jürgen, der im Auftrag von Stromkonzernen unterwegs ist.

In Gang kommt die Handlung, als ein verlotterter Journalist in seinem Haus ermordet wird und Jürgen einen Handlanger darauf ansetzt, die Hintergründe zu klären. Denn offenbar gibt es da eine Verbindung in ein dunkles Kapitel der Vergangenheit. Für Verwirrung sorgt indes eine weitere Parallelgeschichte um einen jungen Mann, der sich langsam in der französischen Fremdenlegion zurechtfinden muss.

Was all das miteinander zu tun hat, klärt sich im Laufe der Zeit durchaus logisch und mit einem Knalleffekt. Doch Durchhaltevermögen ist massiv nötig, um so weit zu kommen. Der Spannungsbogen hängt zeitweise mächtig durch. Auch wirkt der Thriller überladen, etwa was den Einbezug der Prepperszene angeht, die Material hortet für einen Katastrophenfall, und die Problematik der Reichsdeutschen, die hier mit einfließt. Auch der Blackout, der etwa Marc Elsberg allein mehr als genug Stoff für einen genialen Thriller bot, ist hier nur beiläufiges Spannungselement. Die Identifikation mit den Figuren fällt schwer. Während die Bösewichte schnell als solche identifiziert sind, ist man sich selbst bei den Kindern (Cayenne tötet zur Eröffnung emotionslos einen Hasen) und gerade Stephan lange nicht sicher, was man von ihnen halten soll. Leider in der Summe ein Werk mit vielen Schwächen, das keinen guten Ersatz für einen urigen „Kluftinger“-Krimi darstellt. Wenngleich auch der Altusrieder Held in „Draußen“ nicht unerwähnt bleibt. Klüpfl/Kobr lassen die Frage nach dem Handlungsort der berühmten „Kluftinger“-Krimis in einer Quizshow über den TV-Schirm flimmern. Ein Moment zum Augenzwinkern.

Michael Kobr und Volker Klüpfel: Draußen, Hörbuch Hamburg, sieben CDs, ungekürzt, 535 Minuten.

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