Historische Orgeln Orgeln sind auch musikalische Zeitzeugen

HOmburg/Bexbach/Kirkel · Instrumente in den Kirchen des Saarpfalz-Kreises bieten eine reiche Substanz in Klang und Architektur aus der Zeit der Romantik.

 Verströmt Klänge barocker Lebensart wie aus einem italienischen Palazzo: die italienische Orgel von 1730 der Noah-Kapelle im Gut Königsbruch in Bruchhof.

Verströmt Klänge barocker Lebensart wie aus einem italienischen Palazzo: die italienische Orgel von 1730 der Noah-Kapelle im Gut Königsbruch in Bruchhof.

Foto: Christoph Jakobi

Die alte Reichsstraße von Paris nach Mainz, seit Napoleons Zeiten zur „Kaiserstraße“ ausgebaut, gilt in der schriftlichen Überlieferung vergangener Jahrhunderte gerade in der saarpfälzischen Grenzregion eher als Truppentransportweg für zerstörerisch-kriegerische Auseinandersetzungen denn als Verbindungsstrecke kulturellen und wirtschaftlichen Austauschs blühender Handelsmetropolen.

Von daher verwundert es nicht, dass die einzigen erhaltenen Orgeln aus dem 18. Jahrhundert, die im Saarpfalz-Kreis aufzufinden sind, als „Importe“ der Neuzeit gelten müssen: eine vermutlich aus Sachsen stammende Kleinorgel (drei Register) von etwa 1700, die 2013 in der Martin-Luther-Kirche St. Ingbert Aufstellung fand, und eine italienische Orgel von um 1730 (10 Register mit Kurzpedal), die 2018 vom italienischen Orgelbauer Tamburini (Crema) in der Noah-Kapelle des Hofguts Königsbruch in Bruchhof installiert wurde.

Die frühesten erhaltenen Nachrichten von Orgelbau im Saarpfalz-Kreis stammen zwar schon vom Ende des 17. Jahrhunderts, aber das älteste bis heute erhaltene Orgelteil ist das Kernstück des Hauptwerk-Orgelprospekts der Orgel der Schlosskirche in Blieskastel, das 1824 für den dortigen Neubau der Orgelbaufirma Stumm (Rhaunen-Sulzbach) Verwendung fand und, vermutlich von einem einheimischen Schreiner nach Stumm’schen Vorbildern angefertigt, möglicherweise schon in der Vorgängerorgel von 1772 der damaligen Sebastianskirche enthalten war.

Von der 1838 in der katholischen Kirche von Ommersheim aufgestellten Stumm-Orgel haben sich neben dem Barock-Prospekt die Manualwindlade und einige wenige originale Pfeifen erhalten. Klanglich bildet das Instrument seit der 2003 erfolgten Renovierung durch die Orgelbaufirma Mayer (Heusweiler) mit einer am barocken Vorbild angelehnten Disposition eine gelungene Synthese aus Registern vom späten 19. Jahrhundert bis zur Moderne.

Die älteste annähernd erhaltene Orgel im Saarpfalz-Kreis (und zugleich älteste frühromantische Orgel im Saarland) ist die 1857 von Gustav Schlimbach (Speyer) erbaute Orgel der protestantischen Kirche von Wolfersheim. Für die angestrebte klangliche Wiederherstellung des Originalzustands nach Barockumbau (1960/1978) müssen drei Register vollständig rekonstruiert werden. Bereits 2017 wurde in der protestantischen Kirche von Mimbach die 16registrige Walcker-Orgel von 1860 von der Orgelbaufirma Lenter (Sachsenheim) vorbildlich restauriert. Im Saarland ist dieses Werk die älteste erhaltene zweimanualige Orgel und die älteste Orgel auf mechanischen Kegelladen.

Das 1874 in der protestantischen Kirche von Webenheim mit prächtigem Schnitzwerk im Gehäuse aufgebaute Schwesterinstrument von Walcker (15 Register) ist das historisch interessanteste: 1872 für eine internationale Ausstellung in London gefertigt, machte es bei der Wiener Weltausstellung 1873 Furore, gewann dort das Ehrendiplom als beste Orgel und wurde in mehreren historischen Fachbüchern erwähnt. 1958 von Orgelbauer Lotar Hintz (Heusweiler) nach barocken Klangvorstellungen umgebaut, bewahrte es sich (bei entsprechender Registrierung) dank noch vorhandener Originalregister ansatzweise den romantischen Pleno-Klang.

1874 erbaute Gustav Schlimbach eine zweimanualige Orgel mit 24 Registern für die katholische Engelbertskirche in St. Ingbert. Nach barocken Veränderungen des Klangbilds stellte die Orgelbaufirma Mayer 1991 die Ursprungsdisposition wieder her. 2019 wurde das wertvolle Werk noch einmal von der Firma Klais (Bonn) grundlegend überarbeitet.

1890 errichtete die badische Orgelbaufirma Voit (Durlach) in der protestantischen Kirche von Kirkel einen zweimanualigen Orgelneubau mit 16 Registern. 1972 erfolgte ein barocker Klangumbau durch Lothar Hintz, zuvor wurde der prächtige, aber holzwurmzerfressene neogotische Prospekt abgebaut; immerhin bietet die original erhaltene Spielanlage heute noch einen erfreulichen Anblick. 2005/2010 wurde die Originaldisposition (bis auf ein Register), zum Teil mit historischen Voit-Pfeifen, von Orgelbauer Peter Ohlert (Kirkel) wieder hergestellt.

Ein ähnliches Schicksal erfuhr die 1892 für die protestantische Kirche von Bexbach mit 15 Registern auf zwei Manualen errichtete Voit-Orgel. Von Lotar Hintz 1955/75 im Klangbild barock verändert, wurde sie von der badischen Firma Peter Vier (Oberweier) unter Zuhilfenahme originaler Voit-Register 1991 auf den Urzustand zurückgeführt.

Die 1894 für die katholische Josefskirche von St. Ingbert erbaute Voit-Orgel war zu ihrer Erbauungszeit mit 36 Registern auf zwei Manualen die größte Orgel im (heutigen) Saarpfalz-Kreis. 1933 ging sie in einem großen Neubau der Orgelbaufirma Späth (Ennetach-Mengen) auf. Trotz vieler Veränderungen und trotz der Beschädigungen durch Löschwasser beim großen Kirchenbrand 2007 sind von dem Ursprungsinstrument noch der Orgelprospekt, Windladenteile und einige Pfeifenreihen in der von Mayer (Heusweiler) 2011 wieder hergerichteten Orgel erhalten.

Anstelle der 1908 für die Simultankirche im Homburger Landeskrankenhaus gelieferten achtregistrigen Steinmeyer-Orgel, die 1984 abgebaut wurde, stellte Orgelbaumeister Peter Ohlert 2005 eine von der Evangelischen Klinikseelsorge Homburg erworbene gebrauchte Klais-Orgel von 1908 mit neun Registern auf, die nahezu original erhalten ist.

In der protestantischen Kirche von Höchen steht seit 1913 als älteste unverändert erhaltene Orgel ein 1910 mit 15 Registern erbautes Werk der Firma Poppe (Offenbach bei Landau). Im 1957 von der Orgelbaufirma Mayer erstellten Orgelneubau für die katholischen Kirche St. Andreas in Erbach finden sich mit Prospekt, Windladen und einigen Registern noch Teile der ursprünglichen romantischen Orgel von 1911 (Schlimbach, Würzburg).

1912 erhielt die protestantsiche Kirche von Blieskastel eine Orgel der Firma Steinmeyer (Öttingen) mit zwölf Registern. Bei einem barocken Klangumbau 1960 erweiterte Lotar Hintz das Werk um zwei Register. 2009 wurde die Orgel von Peter Ohlert wieder zum ursprünglichen romantischen Klangbild zurückgeführt. 1912 baute Klais für die katholische Kirche St. Johannes in Rohrbach eine zweimanualige Orgel mit 25 Registern. 1980 im Klangbild leicht verändert, wurde sie später wieder auf den Ursprungszustand zurückgeführt.

Der deutsch-romantische Orgelbau findet im Saarpfalz-Kreis seinen Abschluss mit dem 1913 erfolgten Neubau der Steinmeyer-Orgel für die katholischen Kirche von Biesingen mit 19 Registern. 1994 wurde die Orgel von Orgelbau Mayer restauriert und um ein Register erweitert. Einige moderne Kirchenorgeln enthalten noch historische Register ihrer romantischen Vorgängerorgeln, zum Beispiel die Oberlinger-Orgel der Martin-Luther-Kirche von St. Ingbert (Ladegast 1865), die Späth-Orgel der katholischen Kirche von Ensheim (1867 Schlimbach), die König-Orgel der Protestantischen Kirche von Einöd (1874 Schlimbach) und die Walcker-Orgel der Protestantischen Kirche von Hassel (Steinmeyer 1908). In der Mayer-Orgel von Niedergailbach findet sich aus der Vorgängerorgel unter anderem eine seltene durchschlagende Klarinette 8‘, die wie ein Schifferklavier klingt und in dieser Art im Saarpfalz-Kreis nur noch in der St. Ingberter Engelbertskirche anzutreffen ist. Der übrig gebliebene Prospekt der protestantischen Kirche in Bierbach lädt zum Verträumen über die längst abgebaute romantische Transmissionsorgel von Steinmeyer (1910) ein.

Aus der Zwischenkriegszeit ragt die große, derzeit leider renovierungsbedürftige Späth-Orgel (1933) der Hildegardskirche St. Ingbert mit ihrem französisch-romantischen „Widor“-Klang heraus. Während man bei neobarocken Nachkriegsorgeln im Saarpfalz-Kreis vergeblich nach einem qualitativ hochwertigen Musterinstrument mit klar historischer Relevanz sucht, wie sie etwa die Schlosskirche Saarbrücken mit der von Kirchenmusikdirektor Karl Rahner 1959 disponierten dreimanualigen „Bach“-Orgel von Karl Schuke (Berlin) aufweist, ist unter den modernen Orgeln von hoher Qualität im Saarpfalz-Kreis insbesondere auf die 1988 von Rensch (Lauffen am Neckar) für die Protestantische Kirche von Schwarzenacker, die 1999 von Mühleisen (Leonberg) für die katholischen Kirche von Erfweiler-Ehlingen und auf die 2019 von Klais für die katholische Schlosskirche Blieskastel erbaute Orgel hinzuweisen.

 Die älteste frühromantische Orgel des Landes ist die Schlimbach-Orgel von 1857 in Wolfersheim, für die eine klangliche Renovierung geplant ist.

Die älteste frühromantische Orgel des Landes ist die Schlimbach-Orgel von 1857 in Wolfersheim, für die eine klangliche Renovierung geplant ist.

Foto: Christoph Jakobi
 Die mit Schnitzwerk aus amerikanischem Teakholz verzierte Walcker-Orgel von Webenheim erhielt auf der Wiener Weltausstellung 1873 ein Ehrendiplom.

Die mit Schnitzwerk aus amerikanischem Teakholz verzierte Walcker-Orgel von Webenheim erhielt auf der Wiener Weltausstellung 1873 ein Ehrendiplom.

Foto: Gunhild Verburg

Literatur: Bernhard H. Bonkhoff: Historische Orgeln im Saarland. 2015

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort