Heile Welt in blau-weiß

Homburg. Jo mei, so kennt und liebt man sie, die Bayern: deftig und krachledern. Da wird sogar jeder Prozess vor dem "Königlich Bayerischen Amtsgericht" zu einer Mords-Gaudi

Homburg. Jo mei, so kennt und liebt man sie, die Bayern: deftig und krachledern. Da wird sogar jeder Prozess vor dem "Königlich Bayerischen Amtsgericht" zu einer Mords-Gaudi. Wenn zwei Nachbarinnen ihren täglichen Kleinkrieg vor dem "Herrn Rat" (dem Richter) austragen, ist das kein Zickenkrieg, sondern das Aufeinanderprallen zweier gestandener Weibsbilder, die bei ihrer Wortwahl nicht sonderlich zimperlich sind. Und ansonsten wird kräftig gerauft, gefensterlt und so manche Maß Bier gestemmt. Und wenn die Fehden nicht untereinander ausgetragen werden können, geht man halt schnell mal vor Gericht zum Herrn Rat. Der thront auf seinem weißblauen Podest zwischen einem Bild des "geliebten Kini" (König Ludwig II) und dem lieben Gott. Dabei ist er einer von ihnen, mag die überheblichen Münchner fast noch weniger als die Preußen, und ist seinen bauernschlauen Provinzlern nur um eine Nasenlänge voraus. Entsprechend aus dem vollen Menschenleben gegriffen sind auch seine Urteile. Das Götz von Berlichingen-Zitat gehört in Bayern nun mal zur normalen Umgangsform und ist keine Beleidigung, die böse Bäuerin wird dazu verurteilt, die Schwiegermutter des angeschossenen Knechts zu werden und der Gastwirt zu einer Woche Freibier und Freiessen. Mit solch großer Weisheit sind alle zufrieden und die sowieso nie gefährdete heile Welt unter weißblauem Himmel ist wieder in Ordnung. Auf den Herrn Rat hören sie alle, denn er ist eine Respektsperson. Zumindest sollte er das sein, doch der Darsteller des Tegernseer Volkstheaters war für diese Rolle zu jung und zu blass. Seinem Vorbild aus der Schwarz-Weiß-Serie, die früher mittags im Fernsehen lief, konnte er nicht das Wasser reichen. Florian Kern wirkte auf der Bühne wie ein Jüngelchen neben den bayerischen Urviechern, über die er zu Gericht sitzen musste. Das war ein alles in allem von den Tegernseern sauber und unterhaltsam gespielter Jux, bei dem allerdings die kritische Frage erlaubt sei, was er in der Homburger Theatersaison zu suchen hat? Im Urlaub in Bayern und in rechter Bierlaune lässt man sich mal ganz gerne auf so eine "Mords-Gaudi" ein. Dort ist sie auch am rechten Platz. Doch in einem Stückekanon von Molière über Shakespeare bis Schiller hat das "Königlich Bayerische Amtsgericht" nichts verloren. Da sollte man sich im Homburger Rathaus doch einmal Gedanken darüber machen, ob man seinem Theaterpublikum Kunst oder Krempel vorsetzen will.

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