Kammermusiktage Homburg Die reizvollen Gegensätze in der Musik

Homburg · Bei den Internationalen Kammermusiktagen in Homburg begeisterte sich das Publikum an der musikalischen Vielfalt.

 Das Besondere bei den Kammermusiktagen in Homburg – es darf auch bei den Proben zugeschaut werden, hier mit Jonian Ilias Kadesha (Violine) und Vashti Hunter (Cello) sowie Jonathan Ware am Klavier.

Das Besondere bei den Kammermusiktagen in Homburg – es darf auch bei den Proben zugeschaut werden, hier mit Jonian Ilias Kadesha (Violine) und Vashti Hunter (Cello) sowie Jonathan Ware am Klavier.

Der Leitgedanke im zweiten Konzert der internationalen Kammermusiktage am vergangenen Donnerstag war der reizvolle Gegensatz von „volkstümlich und kunstvoll“. Dazwischen bewegte sich der kammermusikalische Programmbeginn mit dem überaus kunstvollen Streichquartett F-Dur opus 74 von Joseph Haydn (1732-1809) und das aus der ungarischen Volksmusik schöpfende Duo für Violine und Violoncello opus 7 von Zoltán Kodály (1882-1967). Für das Vogler Quartett und das wieder stürmisch gefeierte Duo Jonian Ilias Kadesh (Violine) und Vashti Hunter (Cello) waren die Werke fast spiegelgleich zu jenen am Tag zuvor und sorgten für ähnliche Publikumsreaktionen.

Der zweite Teil des Abends gehörte der Sopranistin Christiane Oelze und ihrem mitatmenden Klavierpartner Jonathan Ware. In Liedern von Franz Schubert (1797-1828) und einigen aus dem Eichendorff-Liederkreis opus 39 von Robert Schumann (1810-1856) wie die „Mondnacht“ oder „Waldesgespräch“ wurde Kunstgesang in romantischer Aufgipfelung dargeboten. Eigenartigerweise lagen der Sängerin jedoch die volkstümlichen Lieder des wenig bekannten Franzosen Reynaldo Hahn (1874-1947) mehr als jene in ihrer nicht immer verständlichen Muttersprache. Die barockisierenden Romanzen „Quand je fus pris au pavillon“ oder „À Chloris“ gehörten dazu wie auch der quirlige Übermut in „Le Printemps“. Auch Benjamin Britten (1913-1976) hätte sicher seinen Spaß daran gehabt, wie humorvoll seine Volks- und Kinderlied-Bearbeitungen von dem Duo präsentiert wurden, so beispielsweise „Come you not from Newcastle?“, das bekannte „The Sally Gardens“, nicht zuletzt die kichernde Boshaftigkeit von „Oliver Cromwell“ in seinem Grab.

Jazz vom Feinsten bot am Freitagabend das Helmut Lörscher Trio. Die drei ausgefuchsten Profis brachten Themen und Leitmotive aus Opern von Richard Wagner (1813-1883) zum Swingen, besonders eindrucksvoll das nach der Geburt des Sohnes Siegfried im schweizerischen Triebschen entstandene „Siegfried-Idyll“, original im modalen Wiege-Rhythmus, hier jedoch im feinsten Bossa-Nova-Sound.

Das Kammermusikpublikum war hingerissen vom harmonischen Erfindungsreichtum Helmut Lörschers, von seiner humorvollen Moderation und seiner perfekten Improvisationskunst, ebenso von den fingerflinken Soli seines Bassisten Berndt Heitzler und von den subtilen, oft schwebenden Rhythmen, die Harald Rüschenbaum seinem Drum Set entlockte.

In zwei Uraufführungen bezog das Jazz Trio auch das Vogler Quartett mit ein, in Walthers Preislied aus den „Meistersingern“ und mit äußerster Klangraffinesse in den chromatisch sich entwickelnden Leitmotiven aus „Tristan und Isolde“. Neben der verblüffenden Spontan-Improvisation Helmut Lörschers auf zugerufenen Themen aus dem Auditorium waren diese „Tristanesque-Reflections in Jazz“ im begeistert geforderten Nachkonzert der krönende Abschluss einer unvergesslichen Jazz Session.

Christiane Oelze hatte sich im ganzen zweiten Teil des Samstag-Konzerts wieder viel aufgebürdet mit drei Liedern von Franz Schubert, darunter „Die junge Nonne“ nach dem Lyriker Jacob Nikolaus von Craigher. Der Konflikt darin zwischen „Irdischer Leidenschaft“ und der im entrückten Halleluja angedeuteten „Himmlischen Ruhe“ prägte das Motto des Abends. Der Klavierpart von Jonathan Ware wurde im Verlaine-Zyklus opus 61 von Gabriel Fauré (1845-1924) durch die Mitwirkung des Vogler Quartetts ins schier Orchestrale erweitert. Doch die Sängerin baute in Homburg ganz auf ihre Erfahrungen als Opernsängerin und behauptete sich im Klanggewoge sehr überzeugend mit ihrer lyrisch behutsamen Ausdeutung der Natur- und Liebesstimmungen bis in die Frühlingssehnsucht von „L‘hiver a cessé“, mit dem der Zyklus ausklang.

Zum ersten Mal trat am Samstag der Konzertgitarrist Christopher Brandt in die Szene mit zwei Stücken, die der große brasilianische Nationalkomponist Heitor Villa-Lobos (1887-1959) seinem spanischen Kollegen André Segovia zugedacht hatte. Zusammen mit dem Geiger Tim Vogler spielte er sodann eine eigene „Pavane“, die vor zwei Jahren nach dem Tod seines Vaters entstand. Geleitet wurde er dabei von dem Zitat „Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus“ aus der „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff. Wie jenes Gedicht ganz verinnerlicht mit dem Kuss zwischen Himmel und Erde beginnt, im Mittelteil eine Luftbewegung Felder und Wälder leise aufrauschen lässt und zum Ende hin die Seele im Nachhauseflug entrückt, so beginnt die „Pavane“ mit einer langgezogenen, von Sekund-Intervallen der Gitarre umspielten Violinkantilene, um in einen rhythmisch bewegten Mittelteil überzugehen und schließlich wieder im Pavane-Schreittanz zu erlöschen. Zu hören war in freitonaler Klangsprache eine überaus expressive und packende Wiedergabe, die betroffen machte.

 Während der Proben entsteht im Homburger Saalbau der Feinschliff: Einzelne Sequenzen werden von Kadesha, Vashti Hunter und Ware so lange gespielt, bis das Ergebnis allen gefällt.

Während der Proben entsteht im Homburger Saalbau der Feinschliff: Einzelne Sequenzen werden von Kadesha, Vashti Hunter und Ware so lange gespielt, bis das Ergebnis allen gefällt.

 Und es geht locker zu, wenn wie hier Jonian Ilias Kadesha, Vashti Hunter  sowie Jonathan Ware im Saalbau an ihren Instrumenten sitzen.

Und es geht locker zu, wenn wie hier Jonian Ilias Kadesha, Vashti Hunter  sowie Jonathan Ware im Saalbau an ihren Instrumenten sitzen.

 Wie es klingt, was da in den Proben erarbeitet wurde, ist dann natürlich in den Konzerten der Kammermusiktage zu hören: am Dienstag geht es weiter.

Wie es klingt, was da in den Proben erarbeitet wurde, ist dann natürlich in den Konzerten der Kammermusiktage zu hören: am Dienstag geht es weiter.

Viel Beifall und begeisterte Zurufe erntete vor der Pause auch die Wiedergabe des Sextetts „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg (1874-1951). Die noch ganz dem Wagner-Stil verpflichtete Programm-Musik nach einem Gedicht von Richard Dehmel aus dem Jahre 1899 wurde von Jonian Ilias Kadesha (Violine), Vashti Mimosa Hunter (Violoncello) und Jonatha Ware (Klavier) in der so kongenialen wie kunstvollen Bearbeitung für Klaviertrio von Eduard Steuermann gespielt.

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