Georgien lässt die Schüler nicht mehr los

Homburg · Zu den schon festen Bestandteilen des Schullebens am Saarpfalz-Gymnasium gehört der Schüleraustausch der Oberstufe im Herbst in Georgien. Die enge Partnerschaft mit einer Schule in Tiflis entstand aus den Beziehungen des Gymnasiums zur evangelischen Kirchengemeinde in Tiflis. Beide Beziehungen pflegt die Schule regelmäßig durch jährliche Besuche und Gegenbesuche.

 Das Dorf Uschguli gehört seit 1996 zum Unesco-Welterbe. Dahinter sind die schneebedeckten Berge des Kaukasus. Foto: SZ/Georgia Insight

Das Dorf Uschguli gehört seit 1996 zum Unesco-Welterbe. Dahinter sind die schneebedeckten Berge des Kaukasus. Foto: SZ/Georgia Insight

Foto: SZ/Georgia Insight

In diesem Jahr standen die Fortsetzung der Spurensuche nach deutschen Auswanderern, Denkmalschutz und -pflege auf dem Programm, aber auch intensive Exkursionen in die wilde Landschaft des Kaukasus.

Teilnehmerin Hannah Ulmer berichtet: "Ohne den Schüler-Austausch hätte ich Georgien wahrscheinlich nicht wahrgenommen, was wirklich schade gewesen wäre. Es ist ein so vielfältiges Land mit sehr freundlichen Menschen." Hannah hatte das Glück, dass ihre Austauschpartnerin, die im Frühjahr bei ihr zu Gast war, sie auch aufnehmen konnte: "Ich war sehr gespannt auf ihre Familie und ihr Zuhause. Ich wurde von allen Familienmitgliedern sehr herzlich aufgenommen und sie haben sich sehr gut um mich gekümmert. Generell wirkten auch die anderen Menschen, die wir getroffen haben, sehr freundlich und offen."

Leider ist die jahrhundertelange Geschichte von Deutschen in Georgien zu Stalins Zeiten abgebrochen, so dass heute fast nur noch tote Zeugnisse aufgefunden werden können. Zeitzeugen, Familienerben, Nachbarn, die über das deutsche Leben realitätsnah berichten könnten, sind kaum noch zu finden.

Aber diese Herausforderung nahmen die Saarpfalz-Schülerinnen und -Schüler auch in diesem Jahr engagiert an: "Die Spuren deutscher Auswanderer in Georgien vor ihrer Vertreibung war das Hauptthema unseres Aufenthalts", berichtet Hannah. So hatte die Homburger Gruppe, ihre georgischen Gastgeber und Jugendliche der dortigen evangelischen Kirchengemeinde Pflegearbeiten auf einem vorher absolut verwilderten deutschen Friedhof in Tamarisi durchgeführt.

Auch die Stadtführung durch Tiflis hatte die deutschen Einwanderer zum Thema. Interviews mit einer alten Dame, die die Vertreibung der Deutschen miterlebt hatte und selbst in eines der deutschen Häuser als Kind eingezogen war, mit einem ehemaligen Geschichtslehrer und einer Deutschlehrerin in dem Ort Bolnisi bewegten die Homburger Jugendlichen sehr und erfüllten die Spuren mit Leben.

Das Dorf Bolnisi, nebst seinem Museum mit alten Relikten und Fotos über die deutschen Kolonisten, und das Dorf Tamarisi boten einen spannenden wie merkwürdig anmutenden Eindruck: "Geister wurden wach", beschrieb es die Leiterin der Homburger Gruppe, die Geschichts- und Kunstlehrerin Simone Lukas, treffend.

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Tiflis ist nach wie vor stark mit deutschem Engagement verknüpft: Der ehemalige Saarbrücker Theologieprofessor Gert Hummel gründete die Gemeinde nach seiner Emeritierung neu und wurde bis zu seinem Tod ihr erster Bischof. Bis heute wird die Gemeinde aus Deutschland unterstützt und personell betreut. Die Schüler besuchten deren Diakonie mit einem Altersheim, wobei sie mit einer ehemaligen Französischlehrerin, 93 Jahre alt, gut über die Geschichte und aktuellen Lebensrealitäten in der gemeinsamen Fremdsprache entsprechend kommunizieren konnten.

Hauptansprechpartnerin der Gruppe war hingegen erneut die Partnerschule mit dem nüchternen Namen "21. Öffentliche Schule" von Tiflis, die alljährlich ein liebevolles Programm erarbeitet, um Land und Leute von der schönsten Seite zu zeigen.

Mit den Vertretern dieser Schule ist die Kommunikation einfach: Die Schule besitzt einen starken Deutschzweig, in dem Deutsch von der 1. Klasse an gelernt werden kann. Für die Schülerinnen und Schüler ist das am Ende ihrer Schullaufbahn mögliche Deutschzertifikat eine Eintrittskarte zu einem Studium oder einer Berufslaufbahn in Deutschland. Den Homburger Besuchergruppen tut es alljährlich gut, zu erleben, was für ein gutes Ansehen deutsche Kultur und deutsche Sprache in Georgien genießen, wenngleich auch dort die angelsächsische Kultur zunehmend an Boden gewinnt.

Tiflis, der Hauptaufenthaltsort der Gruppe, ist für die Schülerinnen und Schüler jedes Jahr eine Erfahrung für sich. Typisch für ein Schwellenland brechen hier die Kontraste zwischen Armut und Luxus, Moderne und Tradition besonders deutlich auf: "Da sind einmal die riesigen Wohnblöcke, in denen die meisten Menschen wohnen. Teilweise sind dies moderne Neubauten, aber die meisten Gebäude wirken ziemlich renovierungsbedürftig. Mir hat Alt-Tiflis gut gefallen. Allerdings stehen viele von den sehr schönen alten Häusern kurz vor dem Verfall und nur wenige Straßen wurden renoviert. Was ich aber sehr schlimm fand, waren die vielen, teilweise ausgehungerten Straßenhunde," sagt Hannah Ulmer.

Natürlich ist für einen Schüleraustausch der menschliche Austausch wichtiger als das touristische Erleben von Stadt und Land: "Trotz vieler Gemeinsamkeiten gab es in unserer Altersgruppe auch einige Unterschiede", hat Hannah bemerkt: "Die georgischen Jugendlichen nutzen ihr Handy viel mehr zum Telefonieren als zum Nachrichtenschreiben. Bei uns ist es umgekehrt."Außerdem seien die georgischen Jugendlichen "nachtaktiver": "Meine Gastmutter hat uns noch nach Mitternacht Pancakes gebacken." Abgesehen von den Pancakes hat Hannah auch traditionelles Essen probiert: "Sehr lecker war Chatschapuri, ein Käsegebäck. Auch viel Spaß gemacht hat das Chinkalikochen bei Daviti, dem Mathelehrer, in dessen Elternhaus." Verlässt man die Hauptstadt bietet sich den Besuchern eine beeindruckende Kultur- und Naturlandschaft. In dem seit Jahrtausenden besiedelten Gebiet gedeiht eine fruchtbare Landwirtschaft, die vor allem im Herbst zu einem breiten Angebot an Früchten, Gemüse und Wein auf den Märkten führt.

Verlässt man diese fruchtbaren Täler, die einst Anlaufpunkte der Siedler waren, erreicht man die majestätischen Gipfel des Kaukasus, die auch im Sommer schnee- und eisbedeckt sind. Am Bärenkreuzpass hatte die Gruppe ihre erste fröhliche Schneeballschlacht für diesen Winter bei prächtigem Sonnenschein. Die diesjährige Gruppe besuchte Chevsuretien, das "Land der Schluchten" mit seinen Findlingen und besonderer Flora und Fauna, das sich beiderseits des Großen Kaukasus erstreckt.

 Mittelalterliche ´Wehrtürme findet man noch in vielen Dörfern des Kaukasus. Foto: SZ/Saeftel

Mittelalterliche ´Wehrtürme findet man noch in vielen Dörfern des Kaukasus. Foto: SZ/Saeftel

Foto: SZ/Saeftel

Alte Wehrwohntürme, schlechte Transportwege, mysteriös anmutende Kultstätten, Schaf- und Kuhherden mit ihren Hütern zeugen von einem entbehrungsreichen Bergleben. Nach den zehn Tagen war für Hannah, aber sicherlich für einige andere Mitreisende klar: "Ich bin mir sicher, dass dies nicht mein letzter Besuch in Georgien war. Meine Austauschpartnerin und ich haben uns fest vorgenommen, uns wieder zu besuchen."

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