In einer ehemaligen Metzgerei Statt Lyoner und Hack gibt es jetzt Kunst satt

Die Galerie des Künstlerkreises hat ihr Domizil an ungewöhnlicher Stelle. Ausstellungen auch von Gästen.

 Blick in der Galerie im März 2018 – die Sonneneinstrahlung schafft zusätzliche Kunst.

Blick in der Galerie im März 2018 – die Sonneneinstrahlung schafft zusätzliche Kunst.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger

Schinken, Salami oder gar einen Rinderbraten, den gibt es schon seit etlichen Jahren nicht mehr in der Metzgerei Merscher am Oberen Markt 1 in Neunkirchen zu kaufen. Doch dank der Initiative des Neunkircher Künstlerkreises verzeichnet das Ladenlokal immer wieder an Samstagvormittagen einen regen Besuch. Die Fleisch- und Wurstwaren haben der Kunst Platz gemacht: Statt Lyoner und Hack gibt es künstlerisch überaus hochwertige Arbeiten namhafter Kunstschaffender aus den Reihen des Künstlerkreises, aber auch zahlreicher weiterer Künstler zu bestaunen. An den Wänden, in der Theke und auch an den Fleischerhaken gibt es dabei allerhand in Acryl und Öl zu entdecken. Die Metzgerei verwandelt sich immer wieder aufs Neue in eine Galerie mit besonderem Flair.

„Die Wände mit den alten Fliesen, das wissen wir, sind nicht unproblematisch. Es braucht viel Kontrast, es braucht dicke Rahmen. Und während viele denken, die Wand mit den Wölkchen sei einfacher zu bestücken, der erlebt ein Wunder bei der Hängung“, erklärt Annelie Scherschel-Freudenberger, Vorsitzende des Neunkircher Künstlerkreises. Doch, auch das betont sie, man kann was draus machen. „Ich habe mich von den Fliesen und dem Ambiente inspirieren lassen und so etliche Werke geschaffen, die einfach perfekt in die Umgebung gepasst haben“, erzählt sie. Bis Anfang April 2020, so berichtet die Vorsitzende, sind die Ausstellungsräume allerdings leer, die letzte Ausstellung mit dem Titel „Alle Jahre wieder“ wurde Ende vergangenen Jahres abgebaut. Das ist zum einen der Winterpause – „es gibt keine Heizung in den Räumen, nur Elektroöfen“ – zum anderen aber auch der dringend anstehenden Reparatur der Fensterscheibe geschuldet. Die wurde im November 2019 durch Vandalismus zerstört, der Kunst, erklärt Scherschel, ist zum Glück nichts passiert.

Noch viel größeres Glück hatten die Mitglieder des Künstlerkreises im Februar 2012, als ein riesiger Wasserschaden die Räume in der Langenstrichstraße 3 unbenutzbar machte. „Damals hatten wir eine Gedächtnisausstellung zu Walter Bernstein, es war ein riesiges Glück, dass den Werken damals nichts passiert ist, obwohl die Räume voll Wasser gelaufen sind“, sagt Scherschel. Erst im Jahr 2007 hatte man die Galerie des Künstlerkreises in einem Leerstand eröffnet, war zuvor ohne eigene Räumlichkeiten unterwegs. Allerdings, so berichtet die Vorsitzende, gab es in den ersten Jahren des Künstlerkreises eine Gruppe junger, wilder Künstler, die sich von den übrigen Akteuren absonderten und in der Markstraße ausstellten. Die ältere Künstlergeneration setzte dagegen bis in die 2000er Jahre vor allem auf die Ausstellungen im Rathaus.

Der Neunkircher Künstlerkreis mit eigener Galerie in einer Metzgerei – ein wenig verrückt klingt das schon, dabei kann die Gruppierung, die, das betont die Vorsitzende, kein Verein ist, auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken. Gegründet wurde der Neunkircher Künstlerkreis formell am 17. Januar 1958. Bereits im Jahr 1955 bildete sich eine Interessengemeinschaft mit der Absicht, auf eine Verbesserung der Ausstellungssituation in Neunkirchen hinzuwirken, wie es in der Chronik zu lesen ist. Den Anfang bildeten lose Zusammenkünfte namhafter Künstler. Bei der formellen Gründung des Neunkircher Künstlerkreises übernahm Paul Müller-Coeln den Vorsitz, die technische Leitung lag in den Händen von Fritz Nehmert. Zu den ersten Künstlern zählen auch Hans Bogler, Karl-Heinz Grünewald, Karl Hock, Ida May-Mernke, Franz Mörscher und Franz Schnei. „Das alles sind große Namen und wir sind in ihre Fußstapfen getreten“, erklärt Scherschel, die 2013 den Vorsitz übernahm.

Ein wenig Sorge bereitet ihr der Nachwuchs, die Gruppe ist mittlerweile von zwölf Akteuren, die sich zum 60-jährigen Jubiläum engagierten, auf gerade mal sechs Mitglieder geschrumpft. Natürlich habe man auch mal über einen Künstlerverein nachgedacht, die Idee aber wieder verworfen, auch, um den hohen Qualitätsanspruch an die Künstler zu wahren. „Wir wollen die Künstler, die zu unserem Kreis gehören möchten, selbst aussuchen. Das sind wir unsere Vorfahren mit den großen Namen auf jeden Fall schuldig“, sagt Scherschel. Waren es früher ausschließlich reine Künstler, so sind die Mitglieder inzwischen durchaus in anderen Berufen tätig, haben eine künstlerische Zusatzausbildung. Gerade die Jugend möchte die Vorsitzende ansprechen – hier ist eine Aktion mit Schülerinnen und Schülern geplant. Mit Verlosungen von Kunstobjekten und günstigen Angeboten hat der Künstlerkreis die Besucher im vergangenen Jahr in die Ausstellung gelockt. Der Erfolg war spürbar, aber es ist noch Luft nach oben.

„Früher war es ein gesellschaftliches Erlebnis, die gesamte Familie ist zu einer Ausstellungseröffnung gegangen und hat auch Ausstellungen besucht. Doch die ältere Generation stirbt langsam aus, wir müssen die jungen Menschen für die Kunst gewinnen“, erklärt Annelie Scherschel-Freudenberger den Auftrag des Neunkircher Künstlerkreises.

Ab Donnerstag, 2. April, 19 Uhr, Ausstellung „Treffen sich zwei“ mit Ruth Bellon und Annette Marx. Bis 9. Mai jeweils samstags von 10 bis 12 Uhr. Danach:Hans Bogler (Erinnerungen) 24. Mai bis 11. Juli, Vernissage, Sonntag, 24. Mai, 11 Uhr.

Infos: Annelie Scherschel-Freudenberger, Telefon (06821)149 626

 Blick durchs Schaufenster in die Galerie. Ausstellung „Wo das Auge ruht“ von Ruth Bellon im August 2018.

Blick durchs Schaufenster in die Galerie. Ausstellung „Wo das Auge ruht“ von Ruth Bellon im August 2018.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 Die Ausstellungsflächen sind ungewöhnliche. Hier Ausstellung „Metzger“ von Annelie Scherschel-Freudenberger im Juni 2014.

Die Ausstellungsflächen sind ungewöhnliche. Hier Ausstellung „Metzger“ von Annelie Scherschel-Freudenberger im Juni 2014.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 September 2018, Vernissage Horst Kraemer, hier mit Annette Marx.

September 2018, Vernissage Horst Kraemer, hier mit Annette Marx.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 Catrin Raber und Albert Herbig „Alles nur kein Fleisch“, August 2017.

Catrin Raber und Albert Herbig „Alles nur kein Fleisch“, August 2017.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 Juni 2016 „Reiseimpressionen“: Elisabeth Bosslet mit Margit Zimmermann

Juni 2016 „Reiseimpressionen“: Elisabeth Bosslet mit Margit Zimmermann

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 Ausstellung „Metzger“ von Annelie Scherschel-Freudenberger im Juni 2014 – die Werke der Umgebung angepasst.

Ausstellung „Metzger“ von Annelie Scherschel-Freudenberger im Juni 2014 – die Werke der Umgebung angepasst.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 Werke von Albert Herbig in der Ausstellung „Alles nur kein Fleisch“ im August 2018.

Werke von Albert Herbig in der Ausstellung „Alles nur kein Fleisch“ im August 2018.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger
 Januar 2013 „Phantastische Reise“: links Roland Schmitt, daneben die ehemalige Vorsitzende Hannelore Seiffert, rechts Annelie Scherschel-Freudenberger.

Januar 2013 „Phantastische Reise“: links Roland Schmitt, daneben die ehemalige Vorsitzende Hannelore Seiffert, rechts Annelie Scherschel-Freudenberger.

Foto: Annelie Scherschel-Freudenberger

Alle Serienteile finden sich im Netz: www.saarbruecker-zeitung.de/museen-im-saarland

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