Vortrag von Fußball-Autor Hary Grüne Blick auf den Fußball und seine Fans

Homburg · Fußball-Autor Hardy Grüne dröselte an der Uniklinik mit vielen Details die Entwicklung der Fankultur auf.

 Fußball-Autor Hardy Grüne (links) und Uniklinik-Professor Frank Kirchhoff vor einer Zeichnung, die ein Fußballspiel von 1890 darstellt.

Fußball-Autor Hardy Grüne (links) und Uniklinik-Professor Frank Kirchhoff vor einer Zeichnung, die ein Fußballspiel von 1890 darstellt.

Foto: Sebastian Dingler

Das hatte sich Professor Frank Kirchhoff schön ausgedacht: Auch Nicht-Wissenschaftler in „sein“ Gebäude 48.1, das CIPMM, zu locken. Mit einer interessanten Vortragsreihe ganz außerhalb medizinischer Themen wollte er das erreichen – und hatte dazu gleich mal den renommierten Fußball-Autoren Hardy Grüne eingeladen.

Eigentlich eine tolle Idee, der dann aber leider nicht allzu zu viele Zuhörer folgen wollten. „Vielleicht war es nicht so geschickt, das Ganze in der Osterferienwoche zu veranstalten“, meinte Kirchhoff zur schwachen Resonanz. Wirklich schade, denn: Da hatten viele Fußballinteressierte wirklich einen spannenden Vortrag verpasst.

Hardy Grüne begann mit einem Auszug aus seinem gerade erschienenen Buch „Ohne Fußball ist alles nichts“. Darin beschreibt er die nicht erklärbaren Umstände, wie aus ihm, der doch in Dortmund geboren wurde und dort die ersten elf Lebensjahre verbracht hatte, kein BVB-Fan, sondern ein glühender Anhänger von Göttingen 05 werden konnte.

Liebe ist ja eben irrational, und bei Grüne kamen da zwei Dinge zusammen: Der bevorstehende Umzug nach Göttingen, so dass er sich schon vorab mit dem damaligen Zweitligisten beschäftigte; und dann der Umstand, dass auf dem Weg ins neue Domizil Vater und Sohn tatsächlich am Fußballstadion vorbeikamen, wo das weltbewegende Zweitligaspiel gegen die Spielvereinigung Erkenschwick stattfand – das erste größere Live-Erlebnis eines Fußballspiels begründete somit die lebenslange Treue des Autors zum Klub Göttingen 05. Gleichzeitig aber auch das starke Interesse am Fußball und seinen Begleitumständen an sich.

Grüne zeigte Bilder seiner Sammlung von Tassen mit Vereinswappen, seiner Fähnchen und Anstecknadeln. Natürlich geht er den Dingen auf den Grund, und so erfuhren die Zuhörer, dass auf dem Wappen von Ajax Amsterdam nicht etwa der griechische Held Ajax, sondern aufgrund einer Verwechslung der spartanische König Menelaos zu sehen ist. Interessant auch, wie sich das Wappen von Schalke 04 im Laufe der Zeit verändert hat: Wer genau hinsieht, findet dort ein G für die Stadt Gelsenkirchen sowie einen im Bergwerk gebräuchlichen Schlegelhammer.

Grüne war aber auch in der gesamten Welt in Sachen Fußball unterwegs, insbesondere in Uruguay, wo ein Denkmal an den sensationellen Gewinn der Weltmeisterschaft 1950 erinnert, oder in Buenos Aires, wo die Fankultur seiner Meinung nach explosiv sei und viel Gewalt enthalte.

Wie bei einem Fußballspiel gliederte sich der Vortrag in zwei Halbzeiten. In Hälfte zwei gab Grüne einen Abriss über die Entwicklung der Fankultur von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute. Eines der schönsten Bilder, mit denen er seinen Vortrag illustrierte, zeigte die Zeichnung eines Fußballspiels, das 1890 in Dresden stattfand. Die damaligen Vorreiter des Sports hätten eine liberale Haltung gehabt und mit ihren kurzen Hosen provoziert. Erst nach dem ersten Weltkrieg habe sich so langsam eine Fankultur entwickelt, da seien die ersten Fahnen geschwenkt worden, habe sich der Fanatismus entwickelt.

Die Nazis hätten diese Begeisterung natürlich instrumentalisiert und für ihre Zwecke verwendet. In der Nachkriegszeit, so Grüne, sei Fußball das große Ereignis am Wochenende gewesen.

Die folgenden Entwicklungen waren jedoch eher unschön: Zäune mussten errichtet werden, um die Fans vom Spielfeld wegzuhalten, es wurde mehr und mehr Alkohol während der Spiele getrunken, Verbindungen zwischen Fangruppen, Rockern und Kleinkriminellen etablierten sich. Mittendrin statt nur dabei: Göttingen 05-Fan Grüne, der mal mitgekriegt hatte, wie ein anderer Fan im Stadion eine Pistole herumzeigte.

All diese Entwicklungen hätten in den Achtzigerjahren zu einer großen Krise in der Bundesliga geführt, als Bayern München dann manchmal vor gerade 13 000 Zuschauern spielte. In den Neunziger habe laut Grüne der große Ausverkauf des Fußballs begonnen, als der exzessive Verkauf von Fanartikeln begann, danach spielten die Fernsehgelder eine immer größere Rolle. Allerdings sei der Fußball heute vom Schmuddelimage weitgehend befreit, „weg vom Proletariersport zum Familienevent“.

Wie schon erwähnt, lieferte Hardy Grüne einen kurzweiligen und sehr informativen Vortrag ab. Wenn sich die Reihe in dieser Weise etabliert, sollten sich in Zukunft dann mehr Zuschauer einfinden.

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