Zu Besuch in der Redaktion Homburg Von der Faszination Marathon mal sechs
Homburg · Fünf Frauen und Männer haben jeweils sechs Marathons auf der ganzen Welt erfolgreich absolviert. Dafür erhielten sie eine besondere Auszeichnung. Warum das Laufen für sie so wichtig ist, davon haben sie in der Redaktion berichtet.
Sie haben mehr als 250 Kilometer in den Beinen. Das liegt aber nicht daran, dass hier irgendein Ultra-Lauf quer durchs Land angestanden hätte. Nein, sie sind bei insgesamt sechs Marathonläufen ins Ziel gekommen. Das ist nicht nur eine beeindruckende Zahl, sondern erfordert viel Durchhaltevermögen. Denn die Läufe haben sie über mehrere Jahre verteilt in diversen Städten auf der ganzen Welt absolviert. Man sieht ihnen die Kilometer nicht an, die Freude über das Erreichte aber schon. Maria Cacacciola-Ketter, Kathrin Dillinger, Wolfgang Kriesche und Bernd Neuhardt, alle aus der Saarpfalz, haben aber auch eine Art „Beweisstück“ in die Homburger Redaktion mitgebracht. Sechs Städtenamen auf runden Kreisen, die eine schwere Groß-Medaille bilden. Die fünfte im Bunde der Marathon-Bezwinger, Sabine Wadle, hat es aus zeitlichen Gründen zwar nicht zum Besuch geschafft, aber eine dieser Medaillen hat auch sie erobert. Und neben der sportlichen Seite stehen da auch noch die Emotionen, die Erlebnisse jenseits des Sportlichen und die Reiselust, denn die Metropolen, in denen sie jeweils die berühmten 42,195 Kilometer absolviert haben, zählen alle in die Kategorie: „Das will man im Leben gesehen haben“. Nach New York, London, Boston, Chicago und Berlin zu unterschiedlichen Zeiten war das japanische Tokio die Stadt, in der die fünf bei Regen und unter mehreren 10 000 Startern sozusagen in diesem Jahr den Deckel draufgemacht haben auf ihren Sechsfach-Erfolg.
Offiziell heißt die Auszeichnung Six-Star-Finisher-Medaille. Unter dem Namen World Marathon Majors (WMM) haben sich nämlich einige der größten Marathons zusammengeschlossen. So will man den Laufsport zu fördern, vor allem aber den Top-Athleten in dieser Serie noch einen zusätzlichen Anreiz geben, bei den „Six Majors“ zu laufen. Es gibt auch eine Kategorie für Nicht-Profis. Und so steht die innere Medaille für die WMM, den Abschluss der Serie, die kleineren in einem äußeren Ring angebrachten Medaillen stehen jeweils für einen der gelaufenen Marathons.
Was aber treibt einen dazu, so viel Zeit, Schweiß und ja, auch Geld zu investieren? Man muss Spaß an der Sache haben, vom Lauffieber infiziert sein, sonst funktioniert es nicht – das wird klar, auch wenn jeder der fünf eine etwas andere Geschichte hat. Schließlich müssen sie mindestens fünf bis sechs Tage pro Marathon investieren für An-und Abreise und, klar, den Lauf selbst, 2000 bis 2500 Euro kostet das dann – jeweils inklusive Hotel und Flug. Und sie müssen sich natürlich zu Hause vorbereiten, Kilometer abspulen neben ihren ganz verschiedenen Berufen vom freiberufliche Unternehmer bis zur Ärztin. Sie kennen sich aus, das wird klar, wenn man als Laie zuhört: von Intervall- und Tempoläufen ist da die Rede, intensiven Intervallen, 60 bis 70 Kilometern pro Woche, einem abwechslungsreichen Training, Schlüsseleinheiten, dem langen Lauf am Wochenende über 90 bis 120 Minuten.
Sie haben aber nicht nur Sportliches zu berichten, sondern auch viel Emotionales. Ganz besonders Kathrin Dillinger. 2014 schenkte sie sich den New-York-Marathon quasi zum 30. Geburtstag, der genau auf das Datum fiel. Sie rührte kräftig die Werbetrommel und aus der Handvoll Menschen, die mitmachen wollten, reiste am Ende eine richtig große Gruppe in die USA, genug für eine schöne Geburtstagsparty. Und auch ihr letzter Marathon in der Sechser-Serie war etwas ganz Besonderes: Ihr Lebensgefährte machte ihr bei Kilometer 42 einen Heiratsantrag. Sie sagte Ja.
Auch Maria Cacacciola-Ketter, die gemeinsam mit ihrem Mann Wolfgang Kriesche auf die Laufstrecken ging, schwärmt von New York, der Stimmung, der abwechslungsreichen Strecke. Das habe alles einen besonderen Charakter. Auch für sie hat das Laufen eine besondere Geschichte. Ihren ersten Marathon sei sie kurz vor ihrem 40. Geburtstag gelaufen. Zwei der großen sechs Marathonläufe hatte sie absolviert, da erkrankte sie an Brustkrebs. Auch während der Behandlung blieb sie beim Sport, gründete mit anderen Frauen den Verein „Miteinander gegen Krebs“, der dann den großen Spendenlauf „Cross against Cancer“ aus der Taufe hob. Damit wirbt man zum einen dafür, dass Sport auch Therapie ist und sammelt zum anderen Geld, um Betroffenen zu helfen. Die weiteren vier Marathons für die Sechser-Serie beendete Maria Cacacciola-Ketter dann nach der Diagnose Krebs.
Bernd Neuhardt, der mit dem Laufen als Ausgleich zum Sportschießen in den 80er Jahren begonnen hat und heute eine Laufschule besitzt, hat New York schon mehrfach in den Füßen. Und gerät immer noch richtig ins Schwärmen, wenn er davon berichtet. Für viele Läufer sei es der größte Traum, hier einmal dabei zu sein. Ein bis zwei Millionen Menschen stehen an der Strecke, feuern an, rufen die Vornamen der Teilnehmer, der jeweils auf den Startnummern steht. Und bei den Amerikanern gelte jeder als Held, der die Ziellinie erreiche, egal ob in zwei oder in acht Stunden. „Der Letzte wird hier genauso gefeiert wie der erste.“
Und was macht denn nun die Faszination aus, einen und sogar immer wieder Marathons zu laufen? Das ist für jeden ein bisschen anders. Man laufe ein bisschen zu sich selbst, lerne den Körper besser kennen, suche eine gewisse Grenzerfahrung. Dazu komme der Stolz darüber, etwas Besonders geschafft zu haben und natürlich das Erlebnis auf und an der Strecke, beschreibt Bernd Neuhardt. Und Maria Cacacciola-Ketter ergänzt: „Viele sagen ja, Langstreckenläufer laufen vor etwas weg. Sie sehen aber nicht, dass man irgendwohin läuft.“ Und das Ziel? „Ich laufe zu mir selbst.“